Die May ist gekommen
Die May, Theresa May, ist gekommen – und hat einiges an Verwirrung hinterlassen. Die Angelsachsen in ihrer amerikanischen Ausprägung haben ja schon eine neue Präsidentschaft zu absolvieren und dürfen sich auf unlangweilige Zeiten freuen. Ob es ein einziges großes Experiment wird, Versuchsanordnung ersonnen im 17./18. Jahrhundert unter der Bezeichnung Merkantilismus, oder einfach nur ein Luftablassen aus stark aufgepumpten Twitternachrichten, das wird man beizeiten erleben.
Von Reinhard Schlieker
Möglicherweise liefert der künftige amerikanische Wirtschaftskurs Anschauungsmaterial für einige Dutzend wirtschaftswissenschaftliche Abschlussarbeiten, leider wohl auf Kosten der Teilnehmer an diesem Freilandversuch. Trumps Helfer eifern nach eigener Aussage dem Ansinnen von Henry Ford nach, der es seinen Arbeitern durch ordentliche Löhne ermöglichen wollte, die Autos auch zu kaufen, die sie produzieren. Gute Idee – nur kann kein Auto heute noch aus wenigen inländischen Teilen zusammengeschraubt werden und dabei bezahlbar bleiben. Wäre es so, hätten nicht die Japaner den amerikanischen Markt erobert und wäre BMW nicht zum größten Exporteur von Fahrzeugen aus den USA heraus geworden.
Näher bei uns, ähnlich schräg, liegt das große europäische Thema: Der Brexit. Theresa May ist gekommen und hat verkündet, wie hart er werden soll, der Ausstieg aus Europa. Ganz hart, heißt es. Aber gern mit eigenem Freihandelsabkommen zwischen GB und EU. Und sie will soziale Probleme lösen, den Austausch von Waren und Dienstleistungen und jene als Freunde behalten, die sie gerade vor den Kopf stößt. Mit dem, was sie so gesagt hat, könnte sie sich gut um eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union bewerben und der Einfachheit halber noch den Euro einführen. Mit britischem Gewicht hätte man Brüssel schön reformieren können – nun steht das marktwirtschaftlich wackelnde Deutschland jenen gegenüber, die ohnehin alles dem Staat überlassen wollen, welchen sie anschließend auszuplündern gedenken.
Die Tradition Ludwig Erhards wäre leichter fortzuführen gewesen, wenn die Briten als Gegengewicht noch an Bord wären. Hinzu kommt: All die zentrale Bedeutung, die sich Britannien in einer globalisierten Welt erträumt, stammt wohl aus dem Wunschdenken des Empire, des verflossenen. Die Welt aber hat nicht auf Qualitätswaren made in Britain gewartet, sie kann auch nicht als Kolonie zur Abnahme von Produkten aus dem Mutterland sanft gezwungen werden. Theresa May rühmte ihr Land als das multikulturellste überhaupt, mit Bevölkerungsgruppen aus aller Welt – ohne zu erwähnen, dass die Gewinner des Brexit-Referendums diese und andere gern sofort aus dem Land jagen würden.
Wie man ohne qualifizierte Einwanderer Autos baut oder wie man ohne Importe Hightech-Produkte zusammenlötet, weiß wohl kaum jemand in London. Die Finanzindustrie und der Immobilienmarkt halten das Rad am Laufen – sofern keine Krise kommt. London ist dabei mehr als die Hauptstadt des Empire, ohne die Stadt an der Themse läuft landesweit nicht allzu viel. Doch schon kündigen etliche Banken an, Tausende von Arbeitsplätzen aus London abzuziehen. Dies betrifft in ganz direkter Weise sowohl die Finanz- wie die Immobilienwirtschaft. May be: ein böses Erwachen? Vor der EU-Mitgliedschaft hieß England mal „der kranke Mann Europas“, das war Ende der 1960er Jahre. Geschichte wiederholt sich – hoffentlich – nicht.
23.01.2017 | 10:44