Elektroautos: krasse Absatzflaute
Es ist ein einziges Dilemma für Autoindustrie und Staat. Der Anteil von Elektro- und Hybridautos an den gesamten Pkw-Neuzulassungen in Deutschland lag 2016 bei ernüchternd mageren 1,8 Prozent. Es ist damit immer noch ein Nischenmarkt – trotz der seit letztem Jahr gewährten Subventionen. Hohe Anschaffungskosten, Unsicherheiten über den Wiederverkaufswert oder die Haltbarkeit der Batterie, dazu beschränkte Reichweiten, eine unzureichende Ladeinfrastruktur oder lange Ladezeiten lassen den durchschnittlichen Autokäufer einen riesigen Bogen um Elektroautos machen.
Von Eric Heymann
Die Kaufzurückhaltung stellt Automobilindustrie und Staat vor ein Dilemma: Strenge CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge erfordern hohe Investitionen der Branche in die Elektromobilität, denen auf absehbare Zeit keine entsprechenden Erlöse gegenüberstehen. Für den Staat kann es zu einer Wahl zwischen kostspieligen Subventionen auf der einen oder einem Verfehlen klimapolitischer Ziele auf der anderen Seite kommen.
In Deutschland wurden 2016 nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes exakt 11.410 rein elektrisch angetriebene Pkw neu zugelassen. Dies bedeutet einen Rückgang um 7,8 Prozent gegenüber 2015. Der Großteil der Zulassungen dürfte auf gewerbliche und öffentliche Halter entfallen. Angesichts der im Frühjahr 2016 eingeführten Kaufprämie für Elektroautos in Höhe von EUR 4.000 pro batterieelektrischem Fahrzeug, die sich Staat und Automobilindustrie zur Hälfte teilen, ist dies mehr als enttäuschend. Besser sieht die Situation bei Hybridautos aus: Hier wurden im letzten Jahr 47.996 Pkw neu zugelassen (inklusive Plug-in-Hybride), was einem Plus von 42,7 Prozent gegenüber 2015 entspricht. Plug-in-Hybride werden seit letztem Jahr in Höhe von 3.000 Euro bezuschusst.
Dass die Elektromobilität in Deutschland nach wie vor ein Nischenmarkt ist, zeigt sich am Anteil von Elektro- und Hybridautos an den gesamten Pkw-Neuzulassungen. Dieser stieg in den letzten Jahren zwar stetig an, er lag 2016 aber erst bei 1,8 Prozent. Nur am fehlenden Angebot kann diese Kaufzurückhaltung nicht liegen. Denn sehr viele Autohersteller haben in den letzten Jahren Elektroautos und Plug-in-Hybride auf den Markt gebracht. Inzwischen wird ein recht breites Produktspektrum angeboten. Die Apologeten der Elektromobilität in Teilen von Politik, Industrie, Wissenschaft, NGOs und Medien können jedoch noch so sehr die tatsächlichen oder vermeintlichen Vorteile des elektrischen Fahrens betonen, der durchschnittliche (private) Autokäufer ist (noch) nicht überzeugt.
Verschiedene Gründe sind hierfür maßgeblich: die immer noch hohen Anschaffungspreise im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gerade im Volumensegment, Befürchtungen und fehlende Erfahrungswerte bezüglich der Wiederverkaufswerte der Autos oder der Haltbarkeit der Batterie, die geringe Reichweite der meisten rein batterieelektrischen Fahrzeuge, eine unzureichende Ladeinfrastruktur oder lange Ladezeiten.
Diese Kaufzurückhaltung ist übrigens kein allein deutsches Phänomen. Zwar kommt die Elektromobilität in einigen anderen Automärkten auf deutlich höhere und/oder schneller steigende Marktanteile (zum Beispiel Norwegen, Niederlande, China). Dies ist jedoch in den allermeisten Fällen darauf zurückzuführen, dass der Staat deutlich höhere Subventionen für den Kauf von Elektroautos gewährt als in Deutschland. Zum Teil spielen zudem ordnungsrechtliche Benachteiligungen von Autos mit Verbrennungsmotor eine Rolle, etwa durch die regional limitierte Vergabe von Lizenzen für den Kauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor in China. In keinem Automarkt der Welt setzen sich Elektrofahrzeuge derzeit ohne staatliche Förderung durch. Dies sollte aber nicht als Argument für noch höhere deutsche Subventionen dienen!
Dilemma für Automobilindustrie und Staat
Ohne (wesentliche) staatliche Einflussnahme würde das Angebot von Elektroautos auf die geringe Nachfrage mit Preissenkungen und wohl auch mit einem reduzierten Angebot reagieren. Letztere Option steht der Automobilindustrie jedoch faktisch nicht zur Verfügung. Denn sie dürfte die CO2-Grenzwerte für Neufahrzeuge in der EU und in anderen Automärkten ohne eine steigende Elektrifizierung ihrer Neuwagenflotte nicht erreichen. Hinzu kommen Diskussionen über regionale Fahrverbote für Autos mit (bestimmten) Verbrennungsmotoren oder über Mindestquoten für Elektrofahrzeuge, die von den Autoherstellern zu erfüllen sind wie etwa in China. Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Autohersteller weiter in die Elektromobilität investieren, um die Technologie zu verbessern und die Kosten zu senken. Dies erfordert einen enormen Einsatz finanzieller Ressourcen, dem auf absehbare Zeit keine entsprechenden Erlöse bzw. geringe Renditen pro verkauftem Auto gegenüberstehen.
Aber nicht nur die Automobilindustrie befindet sich in einem Dilemma, sondern auch der Staat. Viele Länder haben sich klimapolitische Ziele gesetzt, die direkt oder indirekt den Verkehrssektor einschließen; die Elektromobilität wird als wichtiger Baustein auf dem Weg in einen weitgehend klimaneutralen Verkehrssektor angesehen. Dabei wird implizit unterstellt, dass der notwendige Strom perspektivisch auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt wird, was für sich genommen schon ein anspruchsvolles Ziel ist. Letztlich sind die Subventionen für Elektrofahrzeuge in vielen Ländern klimapolitisch motiviert, wobei die geringen lokalen Schadstoffemissionen von Elektroautos ebenfalls ein wichtiges Argument sind. Das Dilemma zeigt sich wie folgt: Wenn die Subventionen für die Elektromobilität üppig ausfallen, um die Marktdurchdringung kurzfristig zu beschleunigen, wird es für den Staat recht schnell teuer. Ist das staatliche Förderregime für den durchschnittlichen Autokäufer dagegen nicht attraktiv genug – wie derzeit offensichtlich in Deutschland –, dürften die anspruchsvollen Klimaziele verfehlt werden.
Letztlich zeigt sich hier ein Problem, dass viele klimafreundliche Technologien haben: Sie sind für den durchschnittlichen privaten Kunden oder gewerblichen Investor wirtschaftlich häufig nicht attraktiv genug, als dass sie ganz ohne staatliche Zuschüsse im politisch gewünschten Umfang nachgefragt würden. Im Fall der Elektromobilität kommt hinzu, dass dies eine besonders teure Technologie ist, um CO2-Emissionen zu vermeiden. Für den Klimaschutz wäre also mehr gewonnen, wenn die finanziellen Ressourcen, die derzeit in die Elektromobilität fließen, für andere CO2-arme Technologien eingesetzt würden. Mit einer Trendwende bei der politischen Regulierung der CO2-Emissionen im Straßenverkehr ist kurzfristig jedoch nicht zu rechnen. So bleibt vorerst die Hoffnung, dass der technische Fortschritt im Bereich der Elektromobilität so schnell voranschreitet, dass die Autokäufer nicht mehr zu ihrem Glück gezwungen werden müssen, sondern aus freien Stücken und ohne staatliche Förderung Elektroautos nachfragen.
Eric Heymann ist Volkswirt und Automobilspezialist bei Deutsche Bank Research.
11.02.2017 | 00:31