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Es sind genug Schulden, Herr Lew!

Der US-amerikanische Finanzminister Jacob Lew kritisiert Deutschland wegen dessen Sparsamkeit und der hohen Exportüberschüsse. Dabei ist die Defizit- und Geldschwemmepolitik der USA das eigentliche Risiko der Zukunft.

Jacob Lew hat offenbar Spaß daran, Deutschland an den Pranger zu stellen. Zum wiederholten Mal kritisiert der US-amerikanische Finanzminister Deutschlands Stabilitätspolitik. Lew und Obama fordern von Berlin eine ähnliche Schuldenorgie wie in Washington. Eine „Ankurbelung von Konsum und Investitionen im eigenen Land” sei gewünscht. Dies könne zu mehr Wachstum in Europa und der ganzen Welt führen. „Wir machen deutlich, dass eine stärkere Binnennachfrage sehr gut wäre“, empfiehlt Lew im Gestus des großen Bruders, der finanzpolitisches Joint-Rauchen offenbar für eine coole Sache hält.

Die Obama-Administration stört sich am deutschen Spar-Ethos ebenso wie an der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie, vor allem an unseren Exportüberschüssen. Für Aufsehen hatte eine Studie aus Lews Ministerium gesorgt, in der Deutschland unverblümt vorgeworfen wurde, mit seinen Exporterfolgen der wirtschaftlichen Stabilität in Europa und der Welt zu schaden.

Wolfgang Schäuble hat sich nun über die Washingtoner Belehrungen offen geärgert und seinen Amtskollegen schwäbisch-direkt in die Schranken gewiesen: „Wir führen unsere Gespräche nicht, um uns gegenseitig Zensuren zu verteilen, sondern um uns besser zu verstehen.“ Die Euro-Zone hätte ohne Deutschland ein Handelsdefizit, mahnte Schäuble, um schließlich mit der Breitseite zu kontern: „Das amerikanische Defizit wird nicht besser, wenn ein europäisches Defizit hinzugefügt wird.“ Schäuble hat Recht. Je nach Temperament kann man Lews Deutschlandschelte als ungeschickt oder dreist ansehen, sich darüber erschrecken oder empören. In der Sache liegt Lew jedenfalls völlig falsch. Und zwar aus fünf Gründen:

Erstens sollte der Westen froh sein, wenn es noch eine Volkswirtschaft (wie Deutschland) gibt, die dem asiatischen Wettbewerb halbwegs Stand halten kann und auf den Weltmärkten seine Produkte gut verkauft.

Zweitens liegt das Problem der westlichen Welt nicht in zu viel Sparsamkeit und fehlender Binnennachfrage, sondern in zu geringer Konkurrenzfähigkeit und zu hohen Schulden. Wenn Deutschland das Hochhetzen in den Schuldturm endlich beenden will, sollten andere eher folgen als das zu bekämpfen. Denn die Schuldtürme des Westens wanken bereits bedenklich.

Drittens führt die Politik von steigenden Schulden und eskalierender Geldschöpfung die Weltwirtschaft in ein riskantes Monopoly, dessen Ausgang zur Sorge Anlass gibt.

Viertens liegt das Problem der Ungleichgewichte zwischen den Volkswirtschaften wohl eher auf Seiten der Defizitstaaten, die offensichtlich über ihre Verhältnisse leben.

Fünftens geht das größte Risiko für die Stabilität der Weltwirtschaft nicht von Deutschland, sondern von den USA und seinen eigenen Schieflagen aus.

Alleine im vergangenen Jahr eine Billion neue Schulden

Die Obama-Regierung hat mit ihrer maßlosen Schuldenpolitik und einer historischen beispiellosen Geldschöpfung zwar einen kleinen Aufschwung erzwungen, zugleich aber eine gewaltige Verwerfung der Finanzen provoziert. Just jener Jacob Lew, der Deutschland das Sparen ausreden will, hat alleine im vergangenen Jahr eine Billion neue Schulden gemacht, das heißt: alle vier Monate gönnt sich Lew die Gesamtverschuldung Griechenlands als Neukredit.

Nach seinen eigenen Prognosen wird er 2014 die Staatsschulden von 17,3 auf 18,2 Billionen Dollar erhöht haben. Dass ausgerechnet er Deutschland Ratschläge gibt, wie man mit Staatsfinanzen besser umgeht, zeugt von einer eigenwilligen Kenntnis im Verhältnis zwischen Bock und Gärtner.

Das gleiche gilt für die Anstrengung um Wettbewerbsfähigkeit und Exporterfolge. Anders als Deutschland machen die USA pro Tag (!) ein Handelsbilanzdefizit von einer Milliarde Dollar. Die Leistungsbilanz ist seit 1991 defizitär und schwankt seit zehn Jahren zwischen 300 und 800 Milliarden Dollar pro Jahr. Kurzum: Amerika lebt dramatisch über seine Verhältnisse und kommt nur durch Auslandskredite über die Runden.

Mittlerweile sind die USA alleine bei China mit mehr als 1,3 Billionen Dollar verschuldet. Und nicht einmal das reicht aus. Immer größer wird der Anteil der Staatsschuld, den die eigene Notenbank – eine Kardinalsünde der Geldpolitik – aufkauft. Nur einmal in der Geschichte der USA lag der Anteil der Staatsanleihen, der von der Fed gehalten wurde, so hoch wie heute: 1944. Damals musste Amerika den Weltkrieg finanzieren, heute geht es nur um linke Konjunkturpolitik. Es ist unfassbar, aber Obama hat in seiner Präsidentschaft volle sieben Billionen Dollar neue Schulden gemacht. Er wird als der größte Schuldenmacher in die Geschichte der Menschheit eingehen.

Lew sollte sich also lieber an die eigene Schuldennase fassen, als die besorgten, fleißigen und vorsichtigen Deutschen zu attackieren. Schäuble zu Konjunkturprogrammen auf Pump zu drängen, ist in etwa so, als würde ein Alkoholiker seinen nüchternen Freund zum fröhlichen Koma-Saufen ermuntern. Den legendären Kneipenspruch „Wo früher eine Leber war, ist heute eine Minibar” kann man also amerikanisch abwandeln: „Was früher eine Weltmacht war, ist heute eine Schuldnerschar.”


Diese Kolumne ist Teil der Reihe "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.

13.01.2014 | 10:16

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