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Niedrige Zinsen: Die Fiskalpolitik muss liefern

Die EZB steht nach ihren jüngsten Ankündigungen erneut in der Kritik. Die Effektivität ihrer Maßnahmen wird ebenso angezweifelt wie ihre grundsätzliche Haltung in der Zinspolitik. Verschleppt die EZB durch ihre Zinspolitik einen notwendigen Konsolidierungs- und Reformprozess in der Euro-Zone? Oder schafft sie die Voraussetzungen für mehr Wachstum? 

Wachstum wird durch die Nachfrageseite der Wirtschaft eingeleitet und durch Reformen auf der Angebotsseite nachhaltig angeregt. Deshalb sind Sparmaßnahmen aktuell kontraproduktiv und fördern anhaltend niedrige Zinsen. Entscheidend ist vielmehr die Stimulierung der Nachfrage, d.h. des Konsums. Es gibt kein Wachstum ohne Kapazitätsausweitungen und Investitionen. Doch was führt zu einer positiven Investitionsentscheidung? Steigende Nachfrage und wachsendes Unternehmervertrauen. Ohne erwartete oder reale Zuwächse in der Nachfrage wird es weder Investitionen noch neue Arbeitsplätze geben. Unternehmen investieren, wenn ihre Auftragsbücher voll sind und nicht, wenn sie Kapazitäten abschreiben müssen und Märkte konsolidieren. 

Hierfür schafft die EZB grundsätzlich die richtigen Rahmenbedingungen.

Zwar mag der Einfluss der jüngsten Zinssenkung auf Investitionsentscheidungen aufgrund der Vertrauensverluste bei den Unternehmen gering sein. Doch die EZB hat durch ihre Politik sichergestellt, dass die Fiskalpolitik handlungsfähig ist und der Euro-Wechselkurs auch weiterhin positive kurzfristige Impulse für die Konjunktur liefert. Dies hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass der Leistungsbilanzüberschuss der Euro-Zone in Prozent des BIP noch nie so hoch war wie in 2015. Es ist jedoch nicht ausreichend, nur die Nachfrage zu stimulieren. Benötigt werden auch Reformen und strukturelle Veränderungen, damit die Angebotsseite die Nachfrageimpulse in nachhaltiges Wachstum verwandelt. Deshalb ist vor allem in Krisenzeiten eine durch die Nachfrage getriebene Politik richtig. Viel zu oft werden bei einem ersten Wachstumsimpuls durch die Nachfrageseite ebenfalls notwendige Reformen auf der Angebotsseite vernachlässigt. 

Aktuell haben die niedrigen Zinsen den Handlungsspielraum der europäischen Fiskalpolitik, also der auf die Konjunktur ausgerichteten Finanzpolitik, grundsätzlich erhöht. Doch bis jetzt ist es nur sehr wenigen Regierungen gelungen, den Übergang von kurzfristiger Krisenpolitik zu langfristiger Reformpolitik zu meistern. Denn leider reduziert sich mit der Nachfrageerholung der Druck, Reformen im Allgemeinen und die Liberalisierung des Arbeitsmarktes im Besonderen voranzutreiben. In vielen Staaten der Euro-Zone ist es bis jetzt bei der Nachfragestimulierung geblieben, während Reformen auf der Angebotsseite noch auf sich warten lassen. Die historisch hohe Arbeitslosenquote in der Euro-Zone ist dafür ein Beleg. So ist die Wachstumsdynamik der Euro-Zone gefangen zwischen kurzfristigen Sparauflagen aus Brüssel und einer langfristig reformträgen Wirtschaftspolitik vieler Mitgliedsstaaten. In diesem Umfeld hat die EZB relativ wenig Spielraum für ihre Geldpolitik.

Es ist die Passivität der Fiskalpolitik, die die Effektivität der EZB-Maßnahmen einengt und die Erwartung von anhaltend niedrigen Zinsen bestätigt. Die Fiskalpolitik hat es bisher unterlassen, den von der EZB geschaffenen Raum zu nutzen und die Nachfrage nachhaltig zu stimulieren, was das Vertrauen in die Wirtschaft festigen würde. Wichtig ist allerdings, dass bei höheren Staatsausgaben langfristige Reformziele nicht aus den Augen verloren werden. Deshalb sollte die Fiskalpolitik eher auf Investitionen in menschliches und physisches Kapital abzielen und weniger auf soziale Transferleistungen. So sieht es auch der Juncker-Plan grundsätzlich vor. Aus Sicht der deutschen Sparer wäre dessen schnelle Umsetzung wünschenswert. 


Dr. Klaus-Dieter Bauknecht, Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG 

04.04.2016 | 18:07

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