Falco Weidemeyer ist Partner und EY Global Turnaround and Restructuring Leader (Foto: EY).
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Wem zum Vorteil?
Gastkommentar
Wem nützt die erratische Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten? Ein alternativer Blick auf sein Vorgehen.
Cui bono – wem zum Vorteil? Das kann man sich in der Tat angesichts der Ereignisse, Ankündigungen, zurückgenommenen Entscheidungen, kleineren und größeren diplomatischen Überraschungen und täglichen Wendungen fragen.
Zollstreitigkeiten und Protektionismus haben in der Wirtschaftsgeschichte noch nie dazu geführt, dass ein Land dauerhaft profitiert hätte. Bei allen Szenariorechnungen – man kommt in manchen Wochen ja kaum nach – sieht es auch derzeit nicht so aus, als könnte Amerika von den Zöllen profitieren. Im Gegenteil führen sie zu importierter Inflation, dadurch Druck auf die Zinsen und einer Abwertung des Dollar. Hinzu kommt der Verlust von Vertrauen in die angesichts der drückenden Staatsverschuldung dringend benötigten Anleihen. Zuletzt hat sich das an der Bonitätsherabstufung durch alle wesentlichen Ratingagenturen gezeigt.
Es darf nicht verschwiegen werden, dass Zölle und Protektionismus auch der Weltwirtschaft schaden und das Wachstum insgesamt verlangsamen. Es gibt auch gegenläufige Strömungen – so hat sich beispielsweise die Stimmung des „China-Decouplings“ merklich verändert. China steht, bei allen systemischen Differenzen, vor dem Hintergrund des amerikanischen Verhaltens relativ gesehen, wieder besser da. Auch Europa könnte den negativen Trend bei Direktinvestitionen umkehren und an Attraktivität gewinnen. Das setzt aber voraus, dass die eigenen Hausaufgaben bezüglich eines stabilen Steuerausblicks, des Abbaus unnötiger Regulatorik und weiterer Vereinheitlichung im Wirtschaftsraum gemacht werden. Wie dauerhaft diese Phänomene allerdings sind, bleibt abzuwarten. Für den Moment sind das noch eher Stimmungen.
Wenn es also de facto so ist, dass von Handelsbeschränkungen, Zollstreit und Protektionismus niemand profitiert, am allerwenigsten das Land, von dem es ausgeht – was soll das dann? Was ist daran besser, als sich im konstruktiven Dialog um Ausgleich und sinnvolle Weiterentwicklung zu bemühen? Das ist schwer nachvollziehbar.
Dabei übersehen wir einen sehr wichtigen Aspekt. Womöglich geht es gar nicht um die sachliche Verbesserung, sondern um das Narrativ, die Story, das Außenbild. Dem nützt nämlich das publikumswirksame Unterschreiben von Dekreten, die rüde Rhetorik, das Gerede von Zöllen als Lieblingswort, das morgendliche Aufstehen mit einer neuen, disruptiven Idee für die Weltwirtschaft. Da ist dann America first, ganz vorn dabei, beim Aufmischen der alten Ordnung.
Um die Frage nach dem Cui bono zu beantworten: Es ist zum Vorteil des Narrativs. Daneben könnte sich Unsicherheit durch allgemeine Marktverwirrung auch in niedrigeren Zinsen ausdrücken, was bei der Finanzierung und Refinanzierung drückender Staatsschulden zusätzlich nützlich ist.
Besonders für Europa resultiert daraus eine wichtige Schlussfolgerung – wir sollten nicht auf der Sachebene argumentieren, wenn es um das Narrativ geht. Zum einen heißt es, gelassen bleiben, zum anderen dürfen auch wir mal auf das Narrativ einzahlen, Bilder produzieren, Gegendarstellungen erzeugen, damit – so kann man nur hoffen – mehr Augenhöhe entsteht und wieder ein konstruktiver Austausch möglich wird.
14.07.2025 | 12:45
