Gebt das Impfen frei
Der Impfplan hat seine Schuldigkeit getan. Jetzt, wo die besonders anfälligen Menschen geschützt sind, und wo genug Impfstoff eintrifft, gibt es nur einen, der für eine schnelle und effektive Verteilung sorgen kann: der Markt.
Wer bei Amazon ein bisschen was draufzahlt, wird Prime-Mitglied und erhält seine Bestellung schneller. Wer seinen Pass verlängern will und den dreifachen Aufpreis zahlt, bekommt sein neues Exemplar innerhalb von Tagen anstatt von Wochen. Und wer beim Flugzeug die Erste Klasse bucht, nimmt beim Checkin die Fast Lane.
Was bei wichtigeren und unwichtigeren Vorgängen im Leben ganz gut läuft, funktioniert beim derzeit wichtigsten Thema leider nicht: Beim Impfen gibt es weder Prime noch Fast Lane. Stattdessen gibt es einen katastrophal langsamen Prozess, der eher Leben kostet, als Leben schützt. Bei dem Impfdosen vergammeln, weil sie nicht rechtzeitig verbraucht werden. Bei dem Millionen Menschen warten, bis sie an der Reihe sind. Nur ist diese Reihe, beschlossen vor vier Monaten von Ärzten, Politikern und Verbänden nach bestem Wissen und Gewissen, inzwischen falsch. Das aber gesteht sich keiner ein.
Der Impfplan, er war nötig, als es darum ging, mit wenig Impfstoff schnell die zu schützen, die das höchste Risiko tragen, an Corona ernsthaft zu erkranken oder gar zu sterben. Inzwischen sind viele Hochrisikopatientinnen und -patienten geimpft. Gleichzeitig verbessert sich von Tag zu Tag die Versorgung mit Impfstoff. Die Unternehmen produzieren auf Hochtouren. Mit dem Serum von Johnson & Johnson kommt der nächste Pharmagigant mit einem neuen Medikament auf den Markt. Aus Russland sickert der Sputnik-Impfstoff in die EU, anfangs verlacht, zeigt er in Mitteleuropa Wirkung. Doch das alles kommt im Gesundheitsministerium und Kanzleramt nicht an.
Dort herrscht Ordnung. Jeder wird geimpft, wenn er dran ist, die Kanzlerin selbst ist Vorbild dafür. Während sich ihre Amtskollegen in den USA und Israel vor laufender Kamera impfen lassen, wird in Berlin der Satz: „Geh mit gutem Beispiel voran“ übersetzt mit: „Stell Dich hinten an!“ Und wehe dem, der ausschert. Er wird an dem Impfpranger gestellt, eifrige und wahrscheinlich nicht ganz uneigennütziger Bürgermeister stehen da schon. 25 000 Euro Höchststrafe für Impfvordrängler lautet die Drohung.
Doch der Druck steigt. Die Pharmaunternehmen selbst und die vielen tausend Mitarbeiter in der Zulieferkette werden ohne viel Aufhebens geimpft. Sie sind systemrelevant. In Krefeld, einer fortschrittlichen Stadt im tiefen Westen hat der Bürgermeister mehr als 1000 Impfdosen an Schulen und Kindergärten weitergegeben. Sie wären sonst im Kühlschrank vergammelt.
Die Situation zeigt: Die Zeit ist reif, das Impfen freizugeben. Es wird Zeit, das Impfen über den Markt zu regeln, der so etwas bewiesenermaßen effektiv und schnell in den Griff bekommt. Es wird Zeit, dass die Gesundheitspolitiker uns Bürgerinnen und Bürgern ihr Vertrauen schenken. Liebe Frau Merkel, lieber Herr Spahn: Wir schaffen das. Wir würden vielleicht sogar etwas dafür bezahlen wollen. Wir kennen das schließlich schon von Amazon Prime.
Oliver Stock
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05.03.2021 | 08:51