In Deutschland herrscht ökonomischer Analphabetismus
Weil 2017 ein neuer Bundestag gewählt wird und zuvor im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen auch noch Landtagswahlen stattfinden, ist eines sicher: Weil Politiker das Volk in diesem Punkt recht gut einschätzen können, wird es viele kostenträchtige Wahlversprechungen geben. Bezahlen müssen die Zeche ja immer die anderen. Wahlkampf ist bei uns die Zeit von „Brot und Spielen“ wie in der Antike.
Von Oswald Metzger
„Es ist beispielsweise in höchstem Maße widerspruchsvoll, wenn der Staatsbürger über die unerträgliche Höhe der Steuerlast klagt, gleichzeitig aber vom Staate Hilfen erwartet, die diesem das moralische Recht geben, noch immer höherer Steuern einzuheben.“
Ludwig Erhard, 1897 – 1977, deutscher Wirtschaftsminister, Bundeskanzler
Wer bestellt, bezahlt! Auf diesen einfachen Nenner, den alle verstehen, die in ihren Lieblingslokalen Speis und Trank bestellen und bezahlen, können wir auch das Verhältnis zwischen Bürger und Staat bringen. Doch was im Restaurant, beim persönlichen Einkauf, ja im Alltagsleben selbstverständlich ist, das blendet der Bürger und Wähler ganz gerne aus, wenn es um seine Beziehung zum Staat geht.
Rundumversorgung von der Wiege bis zur Bahre
Wir fordern vom Staat respektive der Politik größtmögliche Sicherheit in allen Lebenslagen. Wir wollen von der Wiege bis zur Bahre rundumversorgt werden. Auf der Wunschagenda stehen kostenfreie Kitas, gute Schulen und Universitäten, sichere Arbeitsplätze, am besten lebenslang garantiert und gern auch beim Staat. Gegen die Lebensrisiken Krankheit und Pflege soll uns der Staat genauso absichern wie gegen Altersarmut. Das Wohnen soll vom Staat durch Preisinterventionen billiger gemacht, Verkehrswege in Schuss gehalten und schnellste Breitbandversorgung bis in den letzten Winkel garantiert werden. Selbstverständlich erwarten wir auch an möglichst jeder Stelle im Bedarfsfall Polizei, Notarzt und Krankenwagen.
Anspruchsorgie kollidiert mit mangelnder Zahlungsbereitschaft
Unsere Ansprüche sind riesig. Doch vom Bezahlen reden wir fast nicht. Wir maulen über die Steuerlast und die Höhe der Sozialabgaben. Wir beklagen, dass immer weniger Netto vom Brutto bleibt. Gleichzeitig fühlen wir Deutsche uns als Zahlmeister Europas, die für die Schuldenorgien anderer EU-Staaten die Zeche mitbezahlen müssen. Und natürlich sind wir gegen die Globalisierung und gegen den freien Welthandel, der uns TTIP und CETA beschert, obwohl keine Volkswirtschaft auf dieser Erde so vom Freihandel profitiert wie Deutschland.
Wir sind reif für die Klinik. Unsere Anspruchsorgien stehen in keinem Verhältnis zu unserer Zahlungsbereitschaft. In der politischen Arena gibt es ja auch wohlfeile Rezepte, diese Wunschkataloge zu bedienen: Das Geld holen wir uns bei den Reichen und bei den Konzernen. Mit Vermögens- und Erbschaftssteuern, die ja angeblich nur die Unternehmen treffen, lässt sich die Volksbeglückungspolitik doch bequem finanzieren, verheißen die linken Sirenenklänge. Von der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, vom Einbrechen der Investitions- und damit der Innovationsfähigkeit der Unternehmen als Folge einer solchen Robin Hood-Politik redet man lieber nicht.
Wahlkampf 2017: „Brot und Spiele“
Weil 2017 ein neuer Bundestag gewählt wird und zuvor im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen auch noch Landtagswahlen stattfinden, ist eines sicher: Weil Politiker das Volk in diesem Punkt recht gut einschätzen können, wird es viele kostenträchtige Wahlversprechungen geben. Bezahlen müssen die Zeche ja immer die anderen. Wahlkampf ist bei uns die Zeit von „Brot und Spielen“ wie in der Antike.
Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Das möchte man ausrufen angesichts dieses ökonomischen Analphabetentums in unserer Gesellschaft. Würden wir in unseren Schulen mehr marktwirtschaftliches Einmaleins vermittelt bekommen statt im Mathematikunterricht mit Kurvendiskussionen traktiert zu werden, wäre schon viel gewonnen. Wären die Lehrkräfte nicht fast durch die Bank Beamte, die lebenslang vom Staat alimentiert werden und Pensionen erwarten dürfen, die weit höher liegen als gesetzliche Rentenansprüche von Arbeitnehmern, dann herrschte im Bildungssystem vielleicht weniger Staatsgläubigkeit.
Schluss mit der „Nach-uns-die-Sintflut“-Politik
Im privaten Umgang mit Ansprüchen wissen immer noch die meisten Menschen, dass man nur ausgeben kann, was vorher erwirtschaftet worden ist. Nach wie vor versuchen viele Eltern ihren Kindern vorzuleben, dass eigene Anstrengung notwendig ist, wenn man sich etwas leisten will. Diesen gesunden Wertekanon auch auf das Anspruchsdenken gegenüber dem Staat zu übertragen, täte dringend Not. Unsere alternde Gesellschaft hat schon viel zu viele Ansprüche auf die nächsten Generationen abgewälzt. Es reicht mit der „Nach-uns-die-Sintflut“-Politik!
Oswald Metzger istChefredakteur des Debattenmagazins The European.
22.09.2016 | 19:50