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Das Billionen-Monopoly der EZB

„Kleine Rechtsbrüche werden bestraft, große dagegen in Triumphzügen gefeiert“, kritisierte der Staatsphilosoph Cicero bereits vor 2000 Jahren - als hätte er den 1,1-Billionen-Rechtsbruch der EZB gekannt. Denn die Entscheidung der Zentralbank, mit Multimilliardenbeträgen Staatsanleihen zu kaufen, hat einen Triumphzug der Schuldenpolitiker ausgelöst, der von Athen über Rom bis nach Paris reicht. Der Jubel über das größte Schulden-Monopoly der europäischen Geschichte ist so laut, dass keiner mehr - außer ein paar nörgelnden Bundesbankern, Ökonomen und Verfassungsrechtlern - über den historischen Rechtsbruch reden will.

Doch der Billionenentscheid ist genau das. Ein direkter Kauf von Staatsanleihen durch die Notenbank wird vom Artikel 123 des EU-Vertrages ausdrücklich verboten. Dort heißt es wörtlich: „Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken.“ Auch Paragraf 125 des Lissabon-Vertrags verbietet das Heraus-Kaufen und die Vergemeinschaftung von staatlichen Verbindlichkeiten explizit.

Es gehört schließlich zum Gründungsschwur des Euro, in tausenden Reden und Dutzenden Vereinbarungen immer und immer wiederholt, dass niemals passieren dürfe, was nun passiert: Dass die EZB ihre Geldmenge eskaliert, um unmittelbar Staatsschulden zu finanzieren - für die Finanzminister also einfach Geld druckt. Es war ein historisches Versprechen, insbesondere an die Deutschen, dass die neue Währung ebenso stabil werde wie die D-Mark, dass die EZB ebenso unabhängig bleibe wie die Bundesbank und eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse niemals kommen werde. Dieses Versprechen wird heute verraten.

Dass die Aktion Schulden-Monopoly in der Sache erhebliche Risiken und Nachteile in sich birgt, prägt die eine Seite der Sündenmedaille. Denn nun werden Zinsen ausradiert, die Spar- und Vorsorgekultur steht vor dem Ruin, es werden gefährliche Spekulationsblasen bei Aktien und Immobilien provoziert, der Euro wird zur Weichwährung degradiert und erhebliche Ausfallrisiken werden kurzerhand vergemeinschaftet. Der Coup mit negativen Realzinsen ist ein direkter, dreister Enteignungsgriff in die Sparguthaben und Altersversorgungen der Fleißigen und Seriösen in Europa.
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Die andere Seite der Sündenmedaille zeigt die politischen Kollateralschäden. So dürfte das siechende Europa mit der Geldschwemme aus Frankfurt seine Reformbemühungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und solidere Staatsfinanzen schlagartig erlahmen lassen. Die Politik wird den Trunk des süßen Giftes in vollen Zügen genießen - und nicht danach fragen, wer am Ende eigentlich die Zeche zahlen wird. Es ist damit ein Spiel auf Zeit und auf Kosten Deutschlands eröffnet. Damit bedroht die EZB letztlich den Zusammenhalt Europas.

Zugleich zersetzt dieser Prozess die politische Kultur. Denn nichts weniger als das kollektive Rechtsbewusstsein gerät ins Wanken: Jeder Staatsbürger wird bei Rechtsverstößen kompromisslos verfolgt, jedes Falschparken, jede Steuersäumnis, jede fehlende Kassenquittung einer Kassiererin. Wenn es aber um eine Billion Euro widerrechtliche Schuldscheindeals geht, dann wird der gleiche Staat plötzlich variabel in seiner Gesetzestreue. Diese Entwicklung ist fatal, weil sie das Grundvertrauen in den Staat untergräbt. Mit welcher Legitimation wollen Brüssel und Berlin die Rechtstreue ihrer Bürger noch einfordern? Die Staatsintegrität wird regelrecht vergiftet, wenn Recht in großem Stil den politischen Opportunitäten gebeugt wird.

Ohne es zu wollen, stärkt die EZB damit unmittelbar die Rechtspopulisten und Rechtsextremen in Europa. Denn jetzt haben sie das beste Argument für ihr zersetzendes Programm: Die EU und ihre Institutionen brechen die eigene Verfassung. Dem Euro haftet fortan der Makel des Massenbetrugs an - eine unsägliche Steilvorlage für alle Neo-Nationalisten. Die ohnedies aufbrandende Woge von Ressentiments, Misstrauen und Europafeindlichkeit wird noch größer.

Das alles ist bitter, weil die EU und der Euro große historische Leistungen einer europäischen Friedensordnung sind und weil wir beides wirklich brauchen, um Europa in einer ungemütlicher werdenden Welt zu behaupten. Zwischen dem Geifer der rechten Eurohasser und dem Schulden-Monopoly der linken Schuldensozialisten aber wird der Raum für seriöse Euro-Verteidiger ziemlich eng.

Nun muss man auf die höchsten Gerichte hoffen, dass sie am Ende der wilden Gelddruckerei doch noch Einhalt gebieten und die Kompetenzüberschreitung der EZB einhegen. Vom Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann über die führenden Ökonomen Deutschlands bis zum holländischen Parlament reicht die kleine Schar derjenigen, die beim Monopoly-Triumphzug dieser Tage nicht mitmachen will. Sie haben Recht - und sie sollten am Ende Recht bekommen. Europa zuliebe. WW

27.01.2015 | 22:08

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