Starre Quote? Nein danke!
Frauenquote: Die Bundesfamilienministerin erklärt, warum sie eine starre
Regelung ablehnt. Sie fordert ein grundsätzliches Umdenken in der Wirtschaft und keinen Aufstiegsaufzug für einige. Darum sei die Flexi-Quote besser.
Warum ich es mir als Frauenministerin nicht einfacher mache und auf den Quoten-Zug aufspringe? Aus kaltem politischem Kalkül müsste ich wahrscheinlich so agieren. Allein: Ich bin nicht überzeugt. Im Gegenteil: Ich halte die Einheitsquote sogar für einen Fehler, gerade aus frauenpolitischer Sicht. Ich bin gegen gesetzlich vorgeschriebene starre Frauenquoten in der Privatwirtschaft.
Wenn man sehr hoch fliegt, sieht eine starre Quote nach mehr Gerechtigkeit aus. In der Tat passt es nicht zusammen, dass wir so viele hoch qualifizierte Frauen haben – aber so wenige Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten. Nur: Was aus der Vogelperspektive richtig erscheint, kann bei der ganz konkreten Auswahlentscheidung zu einer massiven Diskriminierung führen. Wenn jemand eindeutig besser für einen Job qualifiziert ist und ihn nur deshalb nicht bekommt, weil der Staat eine Geschlechterquote diktiert, dann ist das eine klare Benachteiligung aufgrund seines Geschlechts. Ein einzelner Mensch sollte nicht dafür haftbar gemacht werden, was Generationen seiner Geschlechtsgenossen falsch gemacht haben.
Keine Änderungen im Alltag
Auch frauenpolitisch ist eine Einheitsquote ein Fehler, denn sie ändert im Alltag des Großteils der Frauen überhaupt nichts. Zu glauben, dass mehr Frauen im obersten Stockwerk automatisch dazu führen, dass auch in den Stockwerken darunter mehr Frauen auf die Chefsessel wechseln, ist naiv. Das zeigt das viel zitierte Beispiel Norwegens. Die dortige 40 %-Quote für Aufsichtsräte habe keinen Einfluss auf das Einstellungsverhalten von Firmen gehabt, sagt eine Expertin vom Osloer Institut für Unternehmensvielfalt. Als Frauenministerin widerstrebt es mir, zwar einigen Hundert Kandidatinnen in den Aufsichtsrat zu helfen, aber die mittleren und unteren Führungsebenen sehenden Auges sich selbst zu überlassen. Wir brauchen Chancen für alle statt einen Quotenaufzug für wenige.
Der Erste Gleichstellungsbericht formuliert es deutlich: „Die Ausgestaltung von Führungspositionen ist an männlichen Lebenswelten orientiert und in der Regel an Anforderungen geknüpft, die potenziell nur Arbeitskräfte erfüllen können, die von familiären Pflichten frei sind.“ Im Klartext: Wir müssen weg von Arbeitsstrukturen, die lediglich diejenigen nach oben lassen, denen zu Hause jemand den Kühlschrank füllt, den Nachwuchs versorgt und den Nachschub an frisch gebügelter Kleidung sicherstellt. Mit der Einführung einer Einheitsquote könnte die Frage gesetzlicher Regelungen für „Frauen in Führungspositionen“ in der politischen Diskussion schnell abgehakt werden. Das Sonnendeck wäre optisch weiblicher. Im Maschinenraum hätten jedoch viele Frauen das Nachsehen.
Der Wandel einer Unternehmenskultur funktioniert aber nicht per Ordre de Mufti. Wir müssen die Diskussion über die unternehmensspezifischen Ursachen der fehlenden Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen in die Unternehmen selbst bringen – und zwar durch die Verpflichtung der Unternehmen, sich klar und transparent zu dieser Frage zu positionieren und in den Unternehmen eine konsequente, gesetzlich abgesicherte Bewegung von unten zu ermöglichen. Das ist der Grundgedanke der Flexi-Quote.
Die Arbeitswelt muss weiblicher werden. Das muss wachsen und begleitet werden von einer couragierten Arbeitsmarktpolitik. Von fairen Chancen für Frauen kann solange keine Rede sein, wie sich Arbeitnehmer mit familiären Fürsorgeaufgaben fehlenden Ehrgeiz vorhalten lassen müssen, Teilzeitarbeit aufs Abstellgleis führt und Frauen der Wiedereinstieg unnötig erschwert wird. Und: Wir brauchen eine Debatte darüber, welche Rolle faire Chancen und faire Bezahlung für Frauen eigentlich in den Tarifverhandlungen spielen. Die Energie, die so mancher von der politischen Konkurrenz in die Quotendebatte legt, wäre hier besser aufgehoben.
09.09.2013 | 09:55