Achim Schröder

Prof. Dr. Achim Schröder ist im Westenergie-Vorstand verantwortlich für Finanzen und Regulierung. Der promovierte Kaufmann lehrt als Honorarprofessor an der Technischen Universität Dortmund. (Foto: Westenergie)



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„Wir kommen zu einer günstigeren Energiewelt“

Interview

Achim Schröder, CFO von Westenergie, fordert niedrigere Strompreise und bessere Renditen. Um genau zu sein, er kämpft für deren Grundlage: den Netzausbau. Woran es dabei hakt.


 Wirtschaftskurier: Durch Studien kam zuletzt heraus, dass der Strombedarf in Deutschland vermutlich nicht so groß sein wird, wie von der Ampelregierung prognostiziert. Womit rechnen Sie?

Achim Schröder: Das ist eine sehr wichtige Frage beim Thema, wie viele Netze wir eigentlich brauchen – sowohl Übertragungs- als auch Verteilnetze. Der Bedarf wird sicherlich steigen, aber es gibt mehrere Variablen: Wir wollen Wärmepumpen zubauen, wir wollen Elektromobilität weiter ausbauen. Wir hoffen, dass auch die energieintensive Industrie in Deutschland bleibt. Derzeit schwanken die Prognosen, wie stark der Strombedarf steigen wird, um etwa ein Drittel. Das aber ist ein entscheidendes Drittel, denn im Netzentwicklungsplan sind noch viel höhere Volumina zugrunde gelegt, als wir sie in den aktuellen Studien sehen.

Also muss sich die neue Regierung das anschauen?

Achim Schröder: Sehr intensiv sogar. Daran hängt auch die Frage, wann man Netze wo aufbaut und in welcher Geschwindigkeit. Wie können wir den Netzturbo anwerfen? Die Frage, wie hoch der Strombedarf in den nächsten Jahren tatsächlich sein wird, ist absolut zentral und muss jetzt final beantwortet werden.

Wie finanziert man diesen Netzausbau? Oder anders gefragt: Haben wir genug Geld dafür?

Achim Schröder: Das hängt entscheidend davon ab, welche Rendite Kapitalgeber, sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalgeber, erwarten dürfen. Wir hinken bei der Eigenkapitalverzinsung dem europäischen Mittelwert deutlich hinterher, und darum brauchen wir Rahmenbedingungen, die vernünftig sind und die wirtschaftlich denkenden Unternehmen erlauben, auskömmliche Renditen zu erzielen. Wir brauchen eine schnellere Bürokratie, sodass wir die notwendigen Maßnahmen umsetzen können.

Und dann investieren Sie auch?

Achim Schröder: Eon und Westenergie sind bereit, weiter zu investieren. Wie jedes nachhaltig agierende Unternehmen investiert Eon aber nicht um jeden Preis. Das wurde auch auf der Bilanzpressekonferenz noch einmal klargemacht. Die Voraussetzung in Deutschland ist eine Verzinsung unserer Netzinvestitionen, die im internationalen Vergleich angemessen ist. Die Branche wartet aber auf die Klärung der regulatorischen Rahmenbedingungen, auch durch die neue Bundesregierung.

Die Lage bei den Zinsen ist derzeit recht abenteuerlich. Womit kalkulieren Sie?

Achim Schröder: Die Zinsentwicklung ist mehr denn je ein Blick in die Glaskugel. Aber wir rechnen ja langfristig. Die Netze werden für 40 Jahre geplant, und darum brauchen wir Planungssicherheit, die über einen längeren Zeitraum wirkt. So ist die Anreizregulierung angelegt, immer in der Langfristperspektive. Sicher ist nur: Wenn wir in Deutschland Zinssätze haben, die signifikant unter einem Mittelwert Europas oder der Welt liegen, dann wird man eben keine Investitionen anreizen.

Wir haben eine Energiewende der zwei Geschwindigkeiten: Wir investieren in die Solarpaneele, in Windkrafträder und so weiter, aber tendenziell zu wenig in die Netze, oder?

Achim Schröder: Wir müssen das Energiesystem ganzheitlich betrachten. Wir brauchen eine Energiewende 2.0, einen Neustart mit einer anderen Ausrichtung. Die Erneuerbaren auszubauen ist eine gute Idee, aber sie müssen ja ins Netz integriert werden. Derzeit haben wir hohe Redispatch--Kosten für grünen Strom, den wir nicht bekommen, den wir aber trotzdem bezahlen müssen. Und diese Kosten entstehen nicht, weil die Netze nicht früh genug ausgebaut wurden, sondern weil der Netzausbau länger braucht als die Errichtung eines Windparks. Darum muss der Fokus jetzt auf dem Netzausbau liegen. Zusätzlich brauchen wir grundlastfähige Kraftwerke, also besonders Gaskraftwerke, zur Sicherung der Netzstabilität.

Geld genug dürfte für solche -Infrastruktur-Maßnahmen ja nun zur Verfügung stehen.

Achim Schröder: Für uns ist das Sondervermögen für Infrastruktur eine gute Nachricht. Denn dazu gehören nicht nur Autobahnen, Digitalisierung und Bildung, sondern auch die Energieinfrastruktur. Darum glauben wir, dass Teile des Programms dahin fließen sollten – sei es in die Wärmewende, in Wärmenetze oder auch in eine Wasserstoffinfrastruktur. Aber vor allem in die Strominfrastruktur.

Wo kann man beim Ausbau sparen?

Achim Schröder: Wir behalten die Kosten immer im Blick. Die Diskussion dreht sich auch um Netzentgelte. Sie können mit staatlichen Zuschüssen – wie schon geschehen – die Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber halbieren. Aber dann verlagern wir die Kosten ja nur in den Bundeshaushalt. Sie sind dann zwar aus dem Strompreis raus, aber es muss ja trotzdem jemand bezahlen. Wir müssen vielmehr zusehen, dass wir die richtigen Netze bauen.

Dann ist immer die Diskussion, baut man Freileitung oder Verkabelung?

Achim Schröder: Erdkabel sind nicht sichtbar und auch nicht so anfällig für Wind und für Unwetter, aber sie kosten mehr, um den Faktor 6 bis 7. Darum müssen wir an den richtigen Stellen bauen. Da, wo wir die Engpässe haben, wo diese Redispatch-Kosten entstehen. Und dann auch mit vernünftigen Zeitfenstern, was die Bürokratie angeht – also nicht mit zehn Jahren Wartezeit.

Und die Bürger vor Ort nichts dagegen haben, die gerne den günstigen Strom nehmen, aber weder Windkrafträder noch Strommasten sehen wollen.

Achim Schröder: Wir haben das magische Dreieck aus Preis, Versorgungssicherheit und Ökologie – dazu die notwendige Akzeptanz von Bürgerinnen und Bürgern. Wenn man es möglichst schön machen will, wird es deutlich teurer. Und wenn wir nur auf Erneuerbare bauen, fehlt uns die Versorgungssicherheit. Wir müssen dieses Dreieck austarieren, das ist die große Kunst. Dann können wir die Bürgerinnen und Bürger auch -wieder für die Energiewende begeistern.

Kann es in Zukunft passieren, dass Strom hierzulande nicht mehr teurer ist als bei Wettbewerbern, die in den USA produzieren oder in anderen europäischen Ländern?


Achim Schröder: Das muss man unterscheiden. Welche Kosten haben wir und wer zahlt sie? Man kann den Strompreis für energieintensive Energien senken, indem man die Umlagen auf andere überwälzt. Perspektivisch müssen wir das Gesamtsystem im Auge halten. Und nicht Kraftwerke abschalten, obwohl wir noch keinen Ersatz haben und Erzeugungskapazitäten doppelt aufbauen. Wenn die Energiewende so weit ist, dass erneuerbare Energie, die Photovoltaik und die Windanlagen ideal in das Stromnetz eingebettet sind, wenn wir dann grundlastfähige Gaskraftwerke haben und Gasnetze für Wasserstoff nutzen, wenn wir das mit Elektrolyseuren optimieren, dann kommen wir auch wieder zu günstigeren Preisen. Das dauert aber.

Haben Sie einen Wunsch an die neue Regierung?

Auf jeden Fall muss das Thema Energie im Fokus bleiben. Wir sehen alle, dass es andere wichtige Themen gibt wie Finanzierung, Migration, Verteidigung, innere, äußere Sicherheit. Trotzdem ist die Energie wichtig für ein Land, wenn man Wirtschaftswachstum erzielen will. Und es ist ja das große Ziel, wieder zwei Prozent Wirtschaftswachstum zu haben. Das brauchen wir auch in Deutschland, um wieder positiv zu denken. Und dazu brauchen wir eine stabile Energieinfrastruktur. Also: Netzturbo anwerfen!

Das Gespräch führte Thorsten Giersch.


 

Prof. Dr. Achim Schröder ist im Westenergie-Vorstand verantwortlich für Finanzen und Regulierung. Der promovierte Kaufmann lehrt als Honorarprofessor an der Technischen Universität Dortmund.

01.05.2025 | 07:44

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