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Der Terrorismus-Minister

Thomas de Maizière in Paris, Thomas de Maizière bei Günther Jauch, Thomas de Maizière beim Sicherheitsgipfel, Thomas de Maizière in Dresden - auf allen TV-Sendern, Radiokanälen, Titelseiten und Webportalen. Die Republik blickt auf den Innenminister, denn die Terroranschläge von Paris machen ihn schlagartig zum nationalen Oberbeschützer, zum ersten Terrorismus-Minister Deutschlands.

Er verkörpert die staatliche Sicherheit und also setzt er derzeit die Agenda. Dabei muss de Maizière in aufgeregten Zeiten eine heikle Balance zu halten: Zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Angst und Aggression, zwischen den Islamophoben und den Multikulturalisten, zwischen Pegida und Antifa.

Da trifft es sich gut, dass de Maizière geradezu ein Spezialist für ausgleichende Mittellagen ist. Er taugt nicht zum schneidigen Schnellschuss-Sheriff - gilt aber doch als zupackender Polizei- und Geheimdienstminister. Er ist konziliant und diskursiv in Integrationsfragen, spricht gleichwohl Klartext gegen Islamisten. Seine Sprache hat immer etwas Juristisch-bürokratisches, was ihn zugleich vor emotionalen Entgleisungen schützt.

Auch landmannschaftlich wirkt de Maizière wie ein gesamtdeutscher Kompromiss. Eigentlich ein Rheinländer, der mehr wie ein Norddeutscher daher kommt. Eigentlich ein Super-Wessi (aufgewachsen in Bonn, Wehrdienst in Koblenz, Studium in Münster und Freiburg), der aber seine komplette Karriere im Osten macht und sogar in Dresden („Heimat unseres Herzens“) lebt. Eigentlich ein strikter Laizist und doch ein engagierter Protestant. Eigentlich ein Merkelianer (und also auf systematischem Sozialdemokratisierungskurs mit der CDU) und doch biografisch so konservativ wie wenige: De Maizière ging nicht nur aufs Gymnasium, sondern gleich in die Jesuitenschmiede Aloisiuskolleg. Er leistete nicht nur Wehrdient, sondern wurde hernach auch noch aktiver Reserveoffizier.

Er studierte nicht nur Jura, sondern promovierte auch gleich noch an der Fakultät zu Münster und engagierte sich im RCDS. Er stieg nicht nur in seinen Referats-Beruf in der Berliner Senatskanzlei ein, sondern absolvierte zugleich das Young Leader Program des American Council on Germany und der Atlantik-Brücke für aufstrebende Führungskräfte. Ob sein engagiertes Christsein (er ist im Präsidium des evangelischen Kirchentages) oder seine familiäre Herkunft (sein Vater Ulrich de Maizière war Generalinspekteur der Bundeswehr) - alles passt ins Bild eines gestandenen Bürgerlich-konservativen vom alten CDU-Schlag.

Doch seine berufliche Sozialisation im Osten hat ihn über die Jahre zu einem Befindlichkeits-Experten werden lassen. Behutsam und bedacht wittert er Verletzungspotential, wo andere verbal noch munter drauf los trampeln. Er vermeidet darum zuweilen klare Meinungen und übt sich in politischer Korrektheit. Seine Komfortzone ist die Institution, nicht seine Überzeugung. Kritiker sehen darin auch ein Stück Opportunismus, er sei ein willfähriger Zögling Merkels, ein reiner Techniker der Macht.

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Sein enges Vertrauensverhältnis zu Angela Merkel ist flankiert von einem tiefen Einverständnis, dass Sachlichkeit oberstes Stilmittel ihrer Politik sei. Ihm haftet darum etwas Aktenordnerhaftes an - ein klassischer Staatsdiener, Apparate- und Beamtenmensch. Und so wirkt er manchmal wie ein Büroleiter seiner selbst, Typ Staatskanzlei-Chef - und genau das war er auch mehrfach. Zunächst in Mecklenburg-Vorpommern (1994-1998) unter dem CDU-Ministerpräsidenten Seite, dann ab 1999 in Sachsen unter Kurt Biedenkopf, ehe er dort 2001 Finanzminister, 2002 Justizminister und 2004 Innenminister wurde. Seine exekutive Karriere ist bemerkenswert ämterreich, denn auch in Berlin ist er bereits Kanzleramtsminister, Verteidigungsminister und Innenminister gewesen. Kurzum: De Maizière ist Mister Minister. Und jetzt ist er eben der gefühlte Terrorismus-Minister Deutschlands.

Darum beobachten sie in der CDU genau, wie geschickt de Maizière dieser Tage die SPD beinahe von der Tagesordnung nimmt, Heiko Maas mit Gesetzesinitiativen vor sich her treibt und versucht, der AfD-Pegida-Bewegung mit seiner Sicherheitsoffensive ein wenig Schneid abzukaufen. So fordert de Maiziere das Europaparlament auf, die Blockade des Fluggastdaten-Abkommens zu beenden. Er verlangt auch die Wiedereinführung der Vorratsdaten-Speicherung, sein Justiz-Kabinettskollege Heiko Maas (SPD) stemmt sich dagegen, ebenso wie Grüne und Linke. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte Maas deswegen als "hier absolut verantwortungslos und feige“, was wieder ein Punktsieg für den Innenminister bedeutet.

Die Bedrohungen durch den Islamismus lassen de Maizière eine stählerne Außenhaut zuwachsen, die ihn im politischen Ansehen durchaus stärkt. Allerdings ist dieser „defining moment“ seiner Karriere auch gefährlich. Zum einen weil vieles davon abhängt, dass Deutschland von Anschlägen verschont bleibt. Zum anderen weil de Maizière nun an der Sollbruchstelle der Union steht. Denn immer größere Teile des konservativen Bürgertums fremdeln mit einer Multikulti-Merkel-CDU und dem weiträumigen Linksschwenk ihrer Union.

Sie erwarten nun wenigstens von ihrem Innenminister, dass er Kante zeigt, für Sicherheit sorgt und für die wachsenden Problemlage mit dem Islamismus Auswege aufzeigt. Sollte er diese Erwartungen enttäuschen, dann schrumpfte er zurück in die Rolle eines Merkel-Adlaten. Sollte er die Rolle des starken Terror-Polizisten aber erfolgreich verkörpern und inhaltlich ausfüllen können, dann wird de Maizière noch interessant. In Berlin raunen bereits einige, dass er mit dieser Rolle zusehends ein erst zu nehmender Kandidat für die Nachfolge von Angela Merkel werde. Wo Wolfgang Schäuble zu alt und Julia Klöckner zu jung, Ursula von der Leyen zu flirrend, Armin Laschet zu lasch und Volker Kauder zu hölzern erscheinen, da könnte er der finale Kandidat aller Unions-Kompromisse werden.

03.03.2015 | 17:03

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