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Ihr habt den Aufschwung verfrühstückt

Die Konjunkturmeldungen sind alarmierend. Der Wirtschaft droht die Rezession. Nicht die Krisen von Syrien bis zur Ukraine sind der Hauptgrund. Die Berliner Politik hat die Agenda-Erfolge selbst zerstört.

Kein Tag vergeht mehr ohne schlechte Konjunkturnachrichten. Allenthalben brechen die Aufträge weg, die Absatzzahlen sinken, Prognosen werden revidiert, die wirtschaftliche Lage verdüstert sich als habe jemand das Licht ausgemacht. Sprangen die deutschen Unternehmen bis zum Sommer noch wie pausbäckige Prachtkatzen umher, so schleichen sie im Herbst eher wie geprügelte Hunde durchs Land. Selbst das offizielle Herbstgutachten für die Bundesregierung kommt zum Schluss: „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem - wenn auch nicht allzu ausgeprägten - Abschwung.“ Nach dem Schrumpfen der Wirtschaftskraft im Frühjahr habe es auch im Sommer nur eine Stagnation gegeben, schreiben die Forscher. „Der Konjunkturmotor kommt nur schwerlich wieder auf Touren.“

Während die Politik gerne auf auswärtige Sündenböcke - „die internationalen Krisen“ - verweist, die vom Ukraine-Konflikt über die Ebola-Epidemie bis zum Syrien-Krieg reichten, sind wesentliche Gründe für die plötzliche Wirtschaftsschwäche hausgemacht. Selbst die so diplomatisch formulierenden Forschungsinstitute machen die Politik der Bundesregierung für den Abschwung offen mitverantwortlich. „Die Aussichten für die Konjunktur sind auch deshalb gedämpft, weil Gegenwind von der Wirtschaftspolitik kommt", erklärten die Ökonomen in ihrem Herbstgutachten. „Das Rentenpaket und die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns wirken wachstumshemmend.“ So verhinderten die „Rentengeschenke der Bundesregierung“ eine Senkung des Rentenbeitrags. Zudem nutze die große Koalition ihren Spielraum nicht, um mehr zu investieren. All dies wirke sich negativ auf die private Investitionsneigung aus.

Tatsächlich ist die Berliner Politik in den vergangenen Quartalen im Modus des Sugar Daddys durchs Land spaziert und hat gute Gaben wie zu süße Bonbons verteilt, anstatt sich um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu kümmern: Mütterrente, Rente mit 63, Mindestlohn, Bafög und ressortübergreifende Rekordausgaben des Bundes sind Fanale einer ordnungspolitischen Fehlentscheidung nach der anderen. Von der neuerlichen Verbarrikadierung des Arbeitsmarktes durch Quotenregelungen und Einschränkungen der Leiharbeiten bis zur  unnötigen Reglementierung des Immobilienmarktes durch staatliche Preisdiktate zieht sich eine Linie eines Etatismus, der die Wirtschaft immer weiter gängelt anstatt ihr Freiheit zu gewähren, damit sie neuen Wohlstand erarbeiten kann.

„Was gab es eigentlich vor der Großen Koalition?“

Es war ein Irrglaube, dass Deutschland wie eine starke und unverwundbare Wirtschaftslokomotive Europas immer munter weiter dampfe. In Wahrheit war jede Menge Dampf schon raus, und nun brechen strukturelle Schwächen wie alte Risse im Kessel wieder auf. Unsere Lohnstückkosten sind zu hoch, unsere Investitionsquote ist dagegen viel zu niedrig - und zwar seit langem.

Doch anstatt daran etwas zu ändern, marschiert die Politik in Schlüsselbereichen auch noch in die falsche Richtung. So verschlimmert die überhastete und planwirtschaftliche Energiewende die Kosten- und Versorgungssituation der deutsche Industrie. Und auch im Finanzsystem ist nur zerschlagen und reglementiert - nicht aber (wie etwa in Großbritannien) das Potential von Kapitalsammelstellen für die Volkswirtschaft gestärkt worden. Obendrein hat sich die steuerliche Belastung für Unternehmer weiter verschlechtert - von der unerträglich unternehmerfeindlichen Bürokratie ganz zu schweigen.

Deutschland hatte sich einst mit mutigen Agenda-Reformen mühsam Wettbewerbsvorteile zurück erkämpft. Diese Politik der marktwirtschaftlichen Öffnung und Vernunft hat Gerhard Schröder zwar die Kanzlerschaft gekostet, Deutschland aber eine bemerkenswerte relative Stärke in der Krise beschert. Doch die Politik der Großen Koalition, insbesondere der Anti-Agenda-Affekt der SPD dreht diese Errungenschaften seit einem Jahr systematisch zurück. Die SPD kommt mit diesem Revisionismus zwar mit sich selber wieder ins Reine, die Republik aber schlittert damit in den Schlick planwirtschaftlicher Langsamkeit. Es ist als verheize die jetzige Regierung das mühsam aufgezogene Wäldchen der Vorgänger.

Im linken Spektrum der Politik und Publizistik wird schon wieder nach neuen Staatsausgaben, Schulden und Konjunkturprogrammen gerufen. Man solle die vermeintliche Sparpolitik beenden und im wankenden Schuldturm ruhig ein paar Stockwerke weiter hinauf steigen. Das aber wäre fatal, denn Deutschland braucht nicht mehr Schulden und Staatsausgaben, es braucht mehr private Investitionen und eine deutliche Strukturverbesserung der Wirtschaftsbedingungen. Von maroden Autobahnbrücken bis zu langsamen Internetverbindungen sind die Defizite sogar mit Händen zu greifen. Selbst im Flugverkehr gerät Deutschland ins Hintertreffen, weil wir ganze Flughafenbauten an politischer Inkompetenz scheitern lassen und die Lufthansa auch noch flugbesteuern, während arabische Gesellschaften mit Ölmilliarden subventioniert werden und die Marktplätze der Zukunft bestimmen.

Will Deutschland nicht in eine neue Standortkrise abrutschen, muss die Politik rasch etwas tun für die Wettbewerbsfähigkeit. Häufig reichen dazu Privatisierungen und Liberalisierungen, wie man beim plötzlich blühenden Fernbusverkehr sieht. Mit neo-sozialistischen Preiskontrollen (von Mindestlöhnen bis Mieten) und einer blinden Spendierhosenpolitik wird man hingegen nicht mehr weit kommen. Der alte DDR-Witz (“Papi, was gab es eigentlich vor dem Sozialismus?“ „Alles, mein Sohn, alles!“) bekommt neue Aktualität: „Was gab es eigentlich vor der Großen Koalition? - Aufschwung, mein Sohn, Aufschwung!“

Dieser Kommentar ist Teil der Kolumne "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.

10.10.2014 | 13:50

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