Minister Maas als roter Fanbeauftrager
Berlin beschließt eine überflüssige Mietpreisbremse. Die nutzt den Mietern gar nichts, sie schadet eher. Die SPD musste linke Planwirtschaftsreflexe bedienen. Immerhin hat Heiko Maas die Sache geschickt entschärft.
Heiko Maas ist offiziell Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz. Inoffiziell ist er eine Art Fanbetreuer der SPD: Ein angenehm besonnener Mann, der im Stadion des Politischen wilde Gefühlsausbrüche seiner Genossen im Zaum halten kann. Bei der Mietpreisbremse ist ihm das große Beschwichtigen geschickt gelungen.
Die Ultraszene aus der SPD-Planwirtschaftskurve skandiert seit Jahren für staatliche Preisdiktate bei Mieten. Die linke Logik dahinter: Wenn Mieten steigen, dann soll der Staat das gefälligst verbieten. So avancierte die Mietpreisbremse zum SPD-Fan-Fetisch, sie wurde herbeigesehnt wie ein Heimsieg der Sozialdemokratie alten Schlages. „Miethaie zu Fischstäbchen” lautete das passende Ultra-Motto. Denn „Bauspekulanten”, „Gierinvestoren”, „Makler- und Immobilienhaie” wurden im Rund der roten Banner betrachtet wie der schwarze Block eines verhassten Derbygegners – üble Gesellen des Kapitalismus.
Nun wissen zusehends auch SPD-Politiker, die sich mit Immobilienmärkten näher befassen, dass die Mietpreisbremse ein denkbar schlechter Weg ist, um Mieten sinken zu lassen. Denn ein Preisdiktat führt letztlich dazu, dass Investitionen in den Wohnungsbau gedrosselt werden. Das Angebot wird also nicht erweitert, die Knappheit verfestigt sich, das Problem spitzt sich zu. Eine Mietpreisbremse schadet am Ende just jenen, denen sie eigentlich helfen soll.
Außerdem sinkt durch Mietpreisbremsen die Wohnqualität, weil Vermieter einen sinkenden Anreiz haben, bei einem Mieterwechsel gut zu renovieren. Je stärker die Mietpreise staatlich gedeckelt werden, desto dürftiger werden Gebäude und Wohnraum intakt gehalten. Nach einer Studie des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) befürchtet beinahe die Hälfte seiner Mitglieder (47 Prozent), dass der positive Trend bei den Baugenehmigungen im kommenden Jahr einbrechen wird. Allein wegen der Ankündigung einer Mietpreisbremse sähen 41 Prozent der 1600 im BFW zusammengeschlossenen Wohnungs- und Immobilienunternehmen für 2015 negative Auswirkungen für die Baufertigstellungen. Von den BFW-Mitgliedern wollen 60 Prozent ihre Investitionstätigkeit verringern.
Am klügsten wäre es also gewesen, erst gar keine Mietpreisbremse zu installieren und den Markt besser zu öffnen als ihn zu verbarrikadieren, zumal die Sache hochbürokratisch wird und auch noch massenhaft Ärger provoziert. Denn das Gesetz wird zwangsläufig tausendfache Streitigkeiten auslösen, Gerichtsverfahren nach sich ziehen, es wird Heerscharen von Rechtsanwälten. Mietervereinen und Gerichten in juristische Nahkämpfe verwickeln.
Die Mietpreisbremse bleibt ein Fehler – wenn auch nur ein kleiner
In diesem Spannungsfeld hat Heiko Maas nun immerhin einen Weg der systematischen Schadensbegrenzung gefunden. Zum einen nimmt er alle Neubauten aus der Regelung heraus, um den Wohnungsneubau in Deutschland nicht abzuwürgen. Zum andern beschränkt er das Gesetz auf fünf Jahre.
Zum dritten will er die Bremse nur für wenige Regionen gelten lassen. Zum vierten delegiert er Detailregeln (etwa eine zweite Fünfjahresfrist) an Länder und Kommunen, die also Schlimmeres selber verhindern können. Die Bundesländer sollen Gebiete definieren, in denen der Wohnungsmarkt angespannt ist und die Mietpreis-Verordnung Anwendung findet. Oder – wenn sie klug sind - eben nicht.
Fünftens koppelt er das Zehn-Prozent-Steigerungslimit an ortsübliche Vergleichsmieten. Auch das gibt mikrolokale Spielräume, zumal diese Kenngröße häufig ungenau festgelegt ist. Sechstens hat Maas „umfassende“ Modernisierungen von der Mietpreisbremse ausgenommen. Wer also Fassade oder Heizung auf Vordermann bringt, darf die Miete auch um mehr als zehn Prozent erhöhen. Damit will er verhindern, dass Vermieter aufhören, in energetische Sanierung zu investieren. Das Klimaschutzziel der Bundesregierung könnte in Gefahr geraten.
Auch wenn manche Experten nun befürchten, dass viele Vermieter nun besonders häufig eine energetische Sanierung in Angriff nehmen könnten, so hat Heiko Maas doch auch hier Bewegungsspielraum geschaffen.
Was Mietern wirklich helfen würde, wäre eine Ausweitung des Wohnungsbaus – mehr Angebot also, damit die Preise sinken. Dazu könnte man die Steuern für Investoren senken oder mehr Bauland ausweisen oder die Genehmigungsverfahren verkürzen oder überbürokratische Bauvorschriften lockern. Am besten alles zugleich. Denn nichts hilft geplagten Mietern mehr als möglichst viele neue Immobilien. Das wäre wahrhaft soziale Politik - kommt aber in der linken Gefühlskurve nicht so gut an.
Die Mietpreisbremse bleibt am Ende ein ordnungspolitischer Fehler der Bundesregierung. Aber wenigstens nur mehr ein kleiner. Die Republik wird die Pyro-Mietrakete der linken Ultras ertragen, denn der Fanbeauftragte Heiko Maas hat eine niedliche Wunderkerze daraus werden lassen. Immerhin.
Dieser Kommentar ist Teil der Kolumne "What's right?", die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.
28.09.2014 | 09:09