Vom Rapper zum Henker. Jihadi John - Wer ist der IS-Mörder?
Wieder brüstet sich die IS-Terrortruppe damit, eine westliche Geisel enthauptet zu haben. Der brutale Henker soll ein britischer Rapper sein. Jihadi John ist einer der berüchtigsten Killer der Gegenwart.
Er ist ein Schlächter, ein theatralischer Mörder, der bekannteste Henker der Welt. Britische Medien nennen ihn "Jihadi John", der Mann, der mit großer Geste auf grausamen Videos westliche Geiseln enthauptet. Die ganze Welt kennt mittlerweile seinen britischen Akzent, sein schwarzes Gewand, seine Wüstenstiefel und seine Diabolie. Vor laufenden Kameras köpfte er vier unschuldige Männer, weil sie aus dem Westen stammen und stellvertretend für den Westen sterben mussten. Nun hat er eine fünfte westliche Geisel enthauptet - den US-amerikanischen Flüchtlingshelfer Peter Kassig.
In dem neuerlichen Video ist - neben der Enthauptung von 18 syrischen Soldaten - ein abgeschlagener Kopf zu sehen. "Dies ist Peter Edward Kassig", sagte der Vermummte, erwähnt Kassigs Einsatz für die Bürgerkriegsflüchtlinge nicht, sondern nur dessen früheren Dienst als Soldat im Irak. "Morgen werden wir deine Soldaten abschlachten", sagt der Henker an US-Präsident Barack Obama gerichtet und droht mit IS-Angriffen in den USA.
Die Hinrichtungsvideos werden produziert wie Propagandastreifen mit durchdachter Dramaturgie, filmischer Inszenierung und professioneller Bildbearbeitung. Trotz dieser offensiven Medienarbeit des Grauens ist die Identität des Schreckenshenkers bislang noch nicht offiziell bekannt; und da alles, was rund um den IS-Terror passiert, von Geheimdiensten informationell gesteuert wird, ist Vorsicht mit scheinbaren Fakten angebracht.
Ringo Starr ist entsetzt
Als gesichert kann gelten, dass der maskierte Henker aus Großbritannien stammt und einen Londoner Immigranten-Akzent spricht. Britische Zeitungen berichten mit Berufung auf Geheimdienste, er solle zu einer festen Gruppe von vier britischen Dschihadisten in Syrien gehören. Von ehemaligen Geiseln aus Frankreich weiß man, dass die Zelle untereinander Englisch spricht und den Namen "The Beatles" führt. Sie würden auf westliche Geiseln aufpassen, Gelder erpressen und auch mit deren Familien kommunizieren. Die "Beatles" folterten ihre Opfer sadistisch und brutal. Vorangegangene Videos haben die Enthauptungen der beiden US-Journalisten James Foley und Steven Sotloff sowie der britischen Entwicklungshelfer David Haines und Alan Henning gezeigt. Die Terroristen sollen auch den britischen Fotojournalisten John Cantlie und eine 26-jährige US-Entwicklungshelferin in ihrer Gewalt haben.
Der Spitzname "Jihadi John" beziehe sich auf John Lennon, die anderen ließen sich "George", "Paul" und "Ringo" rufen, nach den Beatles-Musikern George Harrison, Paul McCartney und Ringo Starr. Der wirkliche Ringo Starr und ehemalige Beatles-Musiker ist darüber empört, das sei eine perverse Verunglimpfung ihrer Namen. Dem "Evening Standard" sagte er: "So ein Bullshit! Was die da draußen machen, ist gegen alles, wofür die Beatles einst standen."
Die Musikfreunde in England entsetzt obendrein, dass es sich bei dem IS-Henker offenbar selber um einen britischen Musiker handelt. Am 14. September erklärte Premierminister David Cameron, dass man die Identität des Mörders kenne, das aber noch nicht öffentlich machen wolle, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. FBI-Direktor James Corney bestätigte das Gleiche am 25. September. Offiziell wird also kein Name genannt, doch die Dienste lassen Journalisten im Hintergrund wissen, dass es sich wohl um den Londoner Rapper Abdel Bary alias Jihadi John handelt.
Jihadi John wird aufdringlich
Bevor Abdel Bary Terrorist wurde, rappte er unter dem Künstlernamen "L.Jinny" oder "Lyricist Jinn" - und brachte es sogar zu einer gewissen Szene-Bekanntheit. Aufgewachsen in einer Luxusvilla im westlichen Londoner Nobelvorort Maida Vale präsentierte er sich in seinem Facebook-Account als Musikfreak und rebellischer Jugendlicher mit Adidas-Kapuzenpulli.
Doch die Inhalte seiner Lieder radikalisierten sich zusehends. In seinen Sprechgesangtexten verwies er immer deutlicher auf seinen aus Ägypten stammenden Vater, den er rächen wolle. Der Vater gilt als einer der Al Kaida-Führungsoffiziere im Gefolge Bin Ladens. Adel Abdel Bary soll die Londoner Terrorzelle von Al Kaida geleitet und Bombenanschläge auf US-Botschaften in Kenia und Tansania geplant haben, bei denen 224 Menschen starben und viele mehr verletzt wurden. 2012 lieferte Großbritannien Adel Abdel Bary an die USA aus. Seither handelten die Rap-Text auch von der Rache für seinen Vater: "Gib mir den Stolz und die Ehre wie meinem Vater, ich schwöre, dass ich an dem Tag, als sie kamen und ihn holten, einen oder zwei Polizisten hätte töten können." Er habe sogar davon gesungen, die Feinde zu enthaupten, seine Untaten also musikalisch angekündigt.
Das Musikmanager-Ehepaar Jeff Crawford und Jennifer Harris-Crawford berichtet der "Sun", Abdel Bary habe immer große Ambitionen gehabt: Er wollte unbedingt weltberühmt werden, am besten der nächste Eminem. Doch als die Texte immer expliziter und brutal wurden, hätten sie den Vertrag mit Abdel Bary gekündigt, woraufhin dieser sehr wütend geworden sei, schreibt die "Sun". "Wir haben ihn abgelehnt, die großen Labels haben ihn abgelehnt", erklären die Ex-Manager: "Er schrieb uns Nachrichten, drohte uns zu verfolgen. Das nächste, was wir dann hörten, war, dass er sich den Rebellen in Syrien angeschlossen hat."
"Mein Herz zerfällt"
Nun schauen sich die Ermittler der Geheimdienste die alten Liedtexte aus London genauer an. Sie werden Teil des Psychogramm-Puzzles vom Rapper, der zum Henker wurde. Schon in einem früheren Liedtext singt er über die Bedrohlichkeit seiner inneren Dämonen: "Ich kann Engel von Teufeln nicht unterscheiden. Mein Herz zerfällt, ich habe keine normalen Gefühle mehr."
Jihadi John und seine Terror-Zelle werden seit Monaten in einer Zielfahndung von FBI, MI5 und Scotland Yard gejagt. Doch immer noch gibt es Restzweifel, ob der Rapper auch wirklich der Henker ist. Wahrscheinlich führt er die Enthauptungen nicht alleine durch. So ist auf den Videos unter seiner linken Schulter ein lederner Pistolenhalfter zu sehen, er müsste demnach Rechtshänder sein. Bei mindestens einer Enthauptung allerdings deuten Indizien aber darauf hin, dass der Henker eher Linkshänder war. Auch Stimmvergleiche lassen Zweifel aufkommen, ob er wirklich der Einzeltäter sei - oder ob die Gruppe ihre Mordtaten gemeinsam begehe und bewusst die Stimmen imitiere.
In einem der Videos behauptet Jihadi John, dass er noch mehr als 20 weitere Geiseln habe. Die meisten Familien der Betroffenen wollen auf keinen Fall an die Öffentlichkeit, weil sie fürchten, dass dann die Überlebenschance ihrer Angehörigen sinke. Die westlichen Geheimdienste lassen dazu ebenfalls nichts verlauten. Sie mühen sich hingegen fieberhaft, den Rapper-Henker und seine Komplizen aufzuspüren. Von Drohnenflügen, gezielten Raketenangriffen bis zu modernen Stimmerkennungssystemen und Handy-Ortungen wird alles versucht. Seit einigen Wochen hat der US-Senat zudem eine Belohnung von 10 Millionen Dollar für sachdienliche Hinweise auf "Jalman Al-Britani" ausgesetzt - denn so lautet sein Kriegername.
Vor wenigen Tagen kursierte die Nachricht, Jalman Al-Britani alias Jihadi John alias Abdel Bary sei bei einem Bombenangriff der US-Amerikaner im Irak schwer verletzt worden. Er sei daraufhin ins "Al Qaim General Hospital" eingeliefert worden. Eine Krankenschwester bestätigte, dass einer der Verwundeten der Jalman gewesen sei, "der die Journalisten geschlachtet hat". Das neueste Video beweist, dass das Grauen und Schlachten noch nicht beendet ist.
Es handelt sich vermutlich um den Londoner Rapper Abdel Bary alias Jihadi John, der in den IS-Propagandavideos zu sehen ist. Der maskierte Henker ist "Person der Woche" in Wolfram Weimers Kommentar für n-tv.de.
18.11.2014 | 18:48