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„Wir müssen mehr zusammenarbeiten“

Die Briten sind aus der EU ausgetreten – und doch als Teil Europas weiter mit ihr verbunden. Vor allem, um zwischen den Großmächten China und USA bestehen zu können.

Kein Ereignis hat die Europäische Union in den vergangenen Jahren härter getroffen: Der Austritt der Briten Anfang 2021 aus der Gemeinschaft ist ein drastischer Einschnitt ­ – aber nicht das Ende des gemeinsamen Europas, zumindest beschworen Greg Hands, britischer Handelsminister und der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel in München die einheitlichen Interessen. Wobei Hands etwas zurückhaltender war.

„Wir müssen jetzt nach vorn schauen“, sagte Oettinger. Herausforderungen gibt es ihm zufolge viele. Europa habe durch den Brexit viel an Kraft verloren. Großbritannien und Europa drohten vor allem zwischen den USA und China zerdrückt zu werden. Und gerade die Chinesen versuchten, Europa zu spalten. „Wenn wir die Welt ein bisschen gestalten wollen, dann geht das nur gemeinsam“, sagte Oettinger, etwa bei Forschung und Innovationen an den Universitäten. „Unsere Gemeinsamkeiten überwiegen, wir haben eine gemeinsame Geschichte.“ Der Politiker regte ein neues Handelsabkommen TTIP 2.0 an, das die EU und Großbritannien mit den USA aushandeln sollten. Die Gespräche für das umstrittene Handelsabkommen TTIP ruhen seit Herbst 2016. Sie gelten als gescheitert.

Der britische Handelskommissar stimmte Oettinger „in fast allem“ zu. „Wir müssen besser kooperieren“, sagte Hands. Was den Handel betrifft, war er allerdings etwas zurückhaltender: „Wir machen da unsere eigenen Regeln.“ So wollen die Briten gerade einem neuen Asien-Pazifik-Handelsabkommen mit Japan und Kanada beitreten – als erstes Land Europas. Für Verhandlungen in alle Richtungen zeigte er sich offen. Auch Großbritannien wolle ein neues Handelsabkommen mit den USA.

Neuer Dialog mit Deutschland

Die Lage sei gut für Kooperationen Großbritanniens mit der EU, sagte Hands, vor allem mit Deutschland. So habe er gerade gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einen deutsch-britischen Handelsdialog gegründet. Deutschland ist mit einem Volumen von 101 Milliarden Euro (2020) einer der wichtigsten Handelspartner der Briten.

Ohnehin ist Großbritannien trotz Brexit eng mit der EU verbunden, etwa bei Energie zum Beispiel durch Stromleitungen oder gemeinsame Windparks, wie Oettinger sagte. Er war als EU-Kommissar vier Jahre lang auch für Energie zuständig. Das Thema könne man auch künftig nur gemeinsam denken – auch wenn die Frage der Technologie, etwa ob Strom aus Kernkraft oder Kohle oder erneuerbaren Energien kommen soll, nationale Angelegenheit sei.

Bayerisches Kontaktbüro in London

Auch Melanie Huml, Bayerns Staatsministerin für Europaangelegenheiten, betonte die Gemeinsamkeiten. Das Bundesland setzt allerdings nicht nur auf die EU oder die Bundesregierung bei der Zusammenarbeit mit den Briten. Bayern eröffne ein Büro in London, von dem aus es Kontakt zu Ministerien und Partnern suchen werde.

Die Briten hatten sich 2016 in einer Volksabstimmung knapp entschieden, aus der EU auszutreten. Das Abkommen dazu trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Die Briten sind nicht mehr Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion. Es hakt deshalb beim Handel kräftig, unter anderem wegen aufwändiger Dokumentationspflichten für Unternehmen. Import und Export brachen kräftig ein. 2019 handelten die anderen 27 EU-Staaten Waren im Wert von 502,3 Milliarden Euro mit Großbritannien. Für Deutschland ist Großbritannien der achtgrößte deutsche Handelspartner hinter der Schweiz und vor Österreich, Tendenz fallend. Größte Außenhandelspartner sind China, die Niederlande und die USA.

Sorge wegen China

Besonders China fordert alle heraus: einerseits großer Handelspartner, andererseits ein sehr starker, überwachender Staat mit Weltmachtansprüchen. Kann man mit China handeln, wenn das Land Bevölkerungsgruppen unterdrückt? Ja, sagt der britische Handelsminister. „Wir haben gute Handelsbeziehungen, setzen uns aber auch ganz stark für unsere Werte ein“, etwa was die Lage der Uiguren betrifft. China unterdrückt nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen die muslimische Bevölkerungsgruppe im Nordwesten des Landes. Viele Menschen sind in die Nachbarländer geflohen. Es soll Umerziehungslager geben. China widerspricht.

Sorge bereitete allen die Lage Taiwans. China droht indirekt, das Land wieder ins Reich der Mitte einzugliedern. Peking betrachtet die Insel als abtrünnige Provinz. Hands, Hummel und Oettinger rechnen damit, dass die westliche Welt eingreift, sollte China tatsächlich Taiwan besetzen. Die Folgen für die Weltwirtschaft jedenfalls wären unabsehbar.

Björn Hartmann

11.05.2021 | 14:05

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