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Krise bei Bilfinger: Make it work, gefälligst

Zuletzt ging es bei Bilfinger drunter und drüber: Bei der Hauptversammlung wurden die Führungskräfte des Konzerns mit Kritik überschüttet, es fehle eine echte Strategie. Kurze Zeit später verkünden die Mannheimer Personalrochaden und einen Großauftrag aus Großbritannien - und schon spuckt der kriselnde Konzern wieder große Töne.

Thomas Blades soll aufräumen und ausrichten: Der Brite, derzeit noch unter Vertrag bei der Linde AG, übernimmt spätestens im dritten Quartal den Vorstandsvorsitz bei Bilfinger. Seine Aufgabe wird keine leichte sein, denn der Bau- und Dienstleistungskonzern aus Mannheim gibt derzeit ein desaströses Bild ab. Vor zehn Tagen erst lief bei der Hauptversammlung das Fass über. Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, zeigte sich von der Arbeit des Vorstandes alles andere als überzeugt: „Sechs Gewinnwarnungen, vier CEOs in zwei Jahren und jetzt auch noch zwei Aufsichtsräte, die sagen, das machen wir nicht mehr mit, so etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Und spricht damit genau die wunden Punkte an, die dafür sorgen, dass Bilfinger im letzten Jahr 488 Millionen Euro Verlust machte und im ersten Quartal 2016 erneut 76 Millionen. Grundsätzlich steht der Konzern auf zwei Beinen: Den größten Umsatz erzielt Bilfinger derzeit im Bereich „Industrial“, man ist nach eigenen Angaben der größte deutsche Dienstleister zur Instandhaltung von Industrieanlagen. 2015 brachte das eine Leistung von 3,6 Milliarden Euro hervor. Weitere 2,9 Milliarden Euro wurden in der Sparte „Building and Facility“ umgesetzt, die den Konzern zum „größten Immobiliendienstleister in Deutschland“ macht - in Großbritannien hat man ebenfalls einen großen Stein im Brett. Der Auftragseingang jedoch, der 2015 noch von großen Serviceaufträgen im Geschäftsfeld „Building and Facility“ geprägt war, sackte zuletzt um 14 Prozent ab. Der Konzernslogan „we make it work“ wirkt da wie blanker Hohn. 

Solides Fundament - aber keine Strategie

Immerhin konnten die Mannheimer durch den Verkauf der Sparte „Water Technologies“ ihr drittes Bein nach China abstoßen und rund 190 Millionen Euro einnehmen. Finanzvorstand Axel Salzmann ließ nach der Hauptversammlung verlauten: „Bilfinger verfügt über ein solides finanzielles Fundament. Wir können die anstehenden Investitionen aus eigener Kraft meistern und haben ausreichend finanzielles Potential, um unser operatives Geschäft erfolgreich voranzubringen.“ Doch was fehlt, so kritisierten es viele Aktionäre und deren Vertreter, ist eine klare und ganzheitliche Strategie. 

Auch am 59-jährigen Thomas Blades, designierter Bilfinger-CEO, gibt es schon vor dem Amtsantritt etwas zu bemängeln. Nach der eher unglücklichen und kurzen Episode mit Per Utnegaard als CEO braucht der Konzern einen Chef, der die Fokussierung auf die eigenen Stärken nicht nur verspricht, sondern auch durchführt. Utnegaard scheiterte daran und machte obendrein durch Ungereimtheiten bei der Reisekostenabrechnung einen unrühmlichen Abgang. Doch ist Blades der Richtige? Er sei fast ausschließlich im Öl- und Gasgeschäft tätig gewesen, merkte Aktionärsvertreter Tüngler an. Das lasse vielleicht darauf schließen, dass sich das Unternehmen auf das Industriegeschäft konzentrieren wolle. „Wir Aktionäre müssen wissen, wo wir künftig lang marschieren“, sagte Tüngler.

Aufsichtsräte verlassen das sinkende Schiff

Großer Verteidiger der aktuellen Strategie ist hingegen Finanzchef Salzmann: Durch den Fokus auf „Kernservices, Kernmärkte und Kernregionen“ habe man schon jetzt die Zahl der Länder, in denen Bilfinger tätig sei, um die Hälfte reduziert. In den nächsten Tagen wird sich dann entscheiden, ob sich die Mannheimer von „Building and Facility“ trennen und sich auf „Industrial“ konzentrieren, oder ob man dem zweiten Standbein in einem stetig boomenden Immobilienumfeld noch eine Chance gibt. Nicht mitgetragen wird der zukünftige Kurs von den Aufsichtsräten John Feldman und Hans Peter Ring, die bei der Wahl des Gremiums nicht mehr zur Verfügung standen. 

Bei all der Aufregung um einzelne Personalien steht auch immer wieder der größte Einzelaktionär von Bilfinger in der Kritik: Der schwedische Finanzfonds Cevian hält rund 26 Prozent am Konzern. Das muss zuletzt eher unangenehm gewesen sein, verlor Billiger doch seit dem Zwischenhoch von Mitte März an der Börse knapp 6,9 Prozent an Wert. Aktuell steht der Kurs mit einem Plus von 1,4 Prozent bei gut 37 Euro. Darin drückt sich auch die Freude der Anleger aus, dass Billiger am Freitag einen Großauftrag aus Großbritannien verkünden konnte - im stärkeren „Industrial“-Bereich. Gemeinsam mit Accenture, Deloitte und IBM sicherten sich die Mannheimer nämlich den Zuschlag für die Weiterentwicklung der technologischen Infrastruktur des größten britischen Wasserversorgers Thames Water. 

Großprojekt an Land gezogen - und jetzt?

Das Projekt hat in der Planung für die nächsten fünf Jahre ein Volumen von 480 Millionen Euro, davon sollen rund 15 Prozent auf Automationstechnik von Billiger fallen - das wären zirka 72 Millionen Euro. Und prompt tönt Axel Salzmann: „Wir freuen uns, Teil einer starken Technologie-Allianz zu sein. Bilfinger ist der führende Anbieter von Serviceleistungen für die Prozessindustrie in Europa. Diese Position werden wir weiter ausbauen.“ Von Problemen nichts zu hören - Engineering Solutions heißt die Division der Stunde. Bilfinger wird sich aber trotz aller Freude schleunigst auf eine Lösung für die roten Zahlen in den Bilanzen entscheiden müssen. Immerhin sind die Einschätzungen der Aktienanalysten tendenziell positiv - man erwartet positive Nachrichten aus Mannheim.

Marius Mestermann

20.05.2016 | 15:02

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