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Allianz Deutschland AG: Gute Zahlen, viele Baustellen, neue Raststätten

Seit knapp 100 Tagen ist Oliver Bäte im Amt. Der neue Allianz-Chef legte nun erstmals Quartalszahlen vor, und die sind gut bis sehr gut ausgefallen. Die Wachstumsraten bei Umsatz und Gewinn klingen überzeugend, wobei das operative Ergebnis um 2,6 Prozent auf 2,84 Milliarden Euro wuchs und der Überschuss sogar um 15 Prozent auf gut zwei Milliarden Euro gesteigert werden konnte. Der „Neue“ packt offensichtlich an.

Dass bei der Allianz neu nachgedacht wird, belegt auch der Kauf der Firma Tank&Rast, die in ganz Deutschland rund 390 Autobahnraststätten mitsamt den dort integrierten Tankstellen besitzt. 3,5 Milliarden Euro hat der Münchner Versicherer für diese Investition ausgegeben. Analysten rätseln nun, ob das eine richtige Entscheidung war.

Doch der Blick auf die häufig bieder und unattraktiven Restaurants entlang der Autobahn sollte nicht täuschen: es handel sich hier um ein Investment in eine flächendeckende Infrastruktur. Solche Strukturen bringen auch in Nullzinszeiten erkennbare und erfreuliche Erträge bei kleinem bis mäßigem Risiko ein. Für hochgezogene Augenbrauen sorgt allenfalls die enorme Schuldenlast von Tank&Rast, die mit 2,1 Milliarden Euro angegeben wird. Die Münchner kaufen die Raststättenbetreiber übrigens zusammen mit der Meag, einer Tochtergesellschaft der Munich Re, dem kanadischen Pensionsfonds Borealis und dem Staatsfonds von Abu Dhabi.

Vor einem Blick auf die Quartalszahlen der Allianz lohnt es sich noch, das aktuelle Engagement bei Tank&Rast mit einem weiteren Gedanken zu beleuchten. Das Geschäft mit dem Hunder, dem Durst, dem zur Weiterreise nötigen Treibstoff und der Notdurft der Reisenden hat Gemeinsamkeiten mit einer soliden, festverzinslichen Anleihe. Die Verkehrsdichte auf deutschen Autobahnen nimmt ständig zu, und es ist statistisch gesehen völlig unumgänglich, dass zwangsläufig auch die Pausen, die die Autofahrer benötigen, häufiger werden. Auch sind die hier erzielbaren Einnahmen sehr regelmäßig, weil sie einem regelmäßigen Bedürfnis  – dies ist eine zweite Gemeinsamkeit einer Autobahnraststätte mit einer Anleihe. Als Beispiel seien nur die Toiletten genannt: 70 Cent kostet der bei der Firmentochter Sanifair – und es gibt kaum eine sicherere Annahme als die, dass jederman regelmäßig auf die Toilette gehen muss. Damit erschöpfen sich Gemeinsamkeiten allerdings, denn die Rastanlagen sind und bleiben eine unternehmerische Investition, die auch Marktgegebenheiten wie der Lage am Immobilienmarkt und den internationalen Rohölpreisen zumindest mittelbar unterliegt. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

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Die Mehrzahl der Kommentatoren kann dem Tankstellenkauf der Allianz mehr positive als negative Aspekte abgewinnen, und das passt zu dem guten Stern, unter dem die ersten 100 Tage unter Oliver Bäte zu stehen scheinen. Die Allianz profitierte davon, dass das Jahr 2015 bisher wenig Unwetterschäden zu begleichen waren. Zudem konnte die US-Tochter Fireman's Fund gewinnbringend veräußert werden. Entsprechend setzten die Analysten ihre Kursziele für die Allianz nach oben. Exane BNP ging von 160 auf 168 Euro, allerdings wird die Aktie wie bisher als „neutral“ eingestuft. Berenberg stiegerte das Kursziel 162 auf 163 Euro, doch die Hamburger votieren für „buy“. Lediglich J. P. Morgan plädiert für „untergewichten“ und gibt als Ziel 145 Euro an. Dabei ist die Allianz-Aktie einem KGV von elf und einer Dividendenrendite von 4,5 Prozent eigentlich nicht überteuert.

Doch für Bäte bleiben auch Baustellen, die dringend bearbeitet werden müssen – allen voran die Sparte Lebensversicherung. Die Allianz steuert hier bereits mit neuen Tarifmodellen gegen, deren Renditeversprechen nicht mehr auf dem klassischen Garantiezins aufgebaut ist. Damit haben die Münchner Erfolg – aber das senkt nur das Minus der Sparte, es bringt keinen Gewinn. Für die Lebensversicherungen muss sich Bäte also etwas einfallen lassen. Der Fokus der Allianz könnte sich auf die Länder mit Emerging Markets richten, denn hier – insbesondere in Asien – boomen die klassischen Lebensversicherungen noch. Probleme bereitet nach wie vor auch die US-Tochter für Vermögensverwaltung, Pimco, aus deren Portfolios in den letzten beiden Jahren Gelder in Milliardenhöhe abgeflossen sind. Bei Pimco wurde da Management ausgetauscht, und die Erwartungen der Konzernmutter gehen dahin, dass zum Jahresende ein Gleichgewicht zwischen Zu- und Abflüssen hergestellt werden kann. Ob das reicht,m uss sich zeigen.

Trotz der sehr soliden Zahlen steht Bäte am Anfang. Seine Investments lassen die neue Allianz erahnen, aber die Altlasten bergen das Risiko, die vielversprechenden Ansätze wieder aufzufressen – spannend bleibt, welche Tendenz die Gesamtrichtung des Konzerns bestimmen wird. Die 100 Tage, die landläufig als Schonfrist gelten, sind für den Neuen an der Allianz-Spitze jedenfalls jetzt abgelaufen.

10.08.2015 | 14:31

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