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Andere arbeiten mehr

Beim Mittelstandskongress in Nürnberg lassen Redner wie Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft aufhorchen: Die Abhängigkeit von China halten sie auf Dauer für gefährlicher als die Folgen des Ukraine Krieges. Und dem Fachkräftemangel stellen sie eine einfache Idee entgegen: Mehr arbeiten.

 „Wir befinden uns in einem Jahrzehnt der großen Veränderungen und müssen alle Kernthemen gleichzeitig angehen. Dies, obwohl die Politik noch keine klare Linie hat.“ Michael Hüther Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IM) sieht vor allem in Digitalisierung, Fachkräftemangel, Energiewende und den großen politischen Umwälzungen die großen Herausforderungen, denen sich der deutsche Mittelstand bis Ende der Dekade stellen muss.

Dann allerdings macht er auf dem jüngsten Mittelstandskongress in Nürnberg eine überraschende Feststellung: Mehr als der Krieg in der Ukraine zwingt der Kurswechsel in China die deutschen Unternehmen zum Umdenken. Keine einfachen Zeiten also. Gleichwohl hat Hüther für die dort versammelten Unternehmer auch eine gute Nachricht: „Die Chancen stehen gut, dass wir diese großen Herausforderungen meistern.“ Kapital sei beispielsweise mehr als genug vorhanden. Dieses Geld müsse jetzt in die notwendigen Investitionen auch kanalisiert werden.

„Die Entwicklung in China bereitet jedoch einige Sorgen“, räumt Hüther ein. Es sei schon bedeutsam, wenn einer der größten deutsche Handelspartner sich abschotte. Das sieht auch Wolfram Hatz, Chef des Verbands der bayerischen Wirtschaft so: „Wir müssen uns unbedingt auf diese Entwicklung einstellen.“ So plädiert der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dafür, dass jetzt wichtige Güter wie Halbleiter hierzulande gefertigt werden. Der Zusammenbruch der Lieferketten hat klar gezeigt, dass wir uns zu sehr auf andere verlassen haben“, so Aiwanger. Für Hüther ist allerdings längst nicht ausgemacht, dass die chinesische Strategie der Abschottung und der Kontrolle langfristig aufgeht. „Man muss nur mal den Aufwand betrachten mit dem 25 Millionen Menschen in Shanghai weggeschlossen werden.“ Dieses unglaublich tiefe Misstrauen und Kontrollsystem sei enorm kostspielig und lähme langfristig das Land. Schon heute fließe immer mehr Kapital ab. „So haben sich allein in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen chinesische Investoren an mehr als 150 Unternehmen beteiligt.“ Doch das gehe nur zu gleichen Bedingungen. „Wenn man uns aus China ausschließt, darf man hier auch nicht Unternehmen übernehmen“, betont Hüther. Darum sei auch richtig, dass sich die Politik nun eingeschaltet hat und notfalls solche Übernahmen verhindert. 

Hüther will den Fachkräftemangel auch mit unkonventionellen Mittel angehen. Immerhin gelte es bis 2030 eine Lücke von fünf Millionen offenen Stellen zu schließen: „Die Schweizer arbeiten in der Woche zwei Stunden mehr als wir. Die Schweden eine“, rechnet der Volkswirt vor. Hier könnte man schnell ein Potenzial von 100 Stunden je Arbeitsplatz schöpfen. Dies sei mit entsprechenden Konditionen bestimmt auch vermittelbar. An solch gewagten Thesen wagt sich Aiwanger dann doch nicht heran. Er hofft, dass ein Teil des Problems mit einer verstärkten Automatisierung gemeistert werden kann. Zudem wolle man die Ausbildung des Nachwuchses verstärkt vorantreiben.

Franz Xaver Peteraindl, Präsident des Bayerischen Handwerkskammertages treibt um, dass bisher gut zwei Drittel der Betriebe das Thema Digitalisierung noch völlig vernachlässigen. Volkswirt Hüther wundert das allerdings nicht. „Von den von uns befragten Unternehmen sehen 53 Prozent keinen Sinn in der Digitalisierung.“ Zudem fände jeder zweite nicht die nötigen Fachkräfte für so einen Schritt. Hüther empfiehlt den Unternehmern, bei der Digitalisierung an die Schnittstellen beispielsweise zu den Kunden und Lieferanten zu denken. Hatz schreibt der Politik ins Stammbuch, dass sie sich mehr um eine funktionierende Infrastruktur im ländlichen Raum kümmern muss, indem beispielsweise mehr Glasfaserkabel verlegt werden.

In vielen Unternehmen stehen allerdings ganz andere existentielle Fragen an. Allein in Bayern ist in 36.000 Betrieben die Fortführung ungewiss, weil die Nachfolge offen ist. „Wir raten den Unternehmern dringend dazu, sich frühzeitig im diese Fragen zu kümmern“, mahnt Handwerkspräsident Peteraindl. Die Kammern stünden mit entsprechender Beratung bereit, beispielsweise wenn es um die Bewertung des Betriebs geht. Aiwanger macht sich in diesem Zusammenhang für eine Abschaffung der Erbschaftssteuer stark. Die finanzielle Belastung sei in manchen Fällen so hoch, dass sogar der Bestand von Unternehmen und somit hunderter von Arbeitsplätzen in Gefahr gerate. Viele potenzielle Nachfolger schreckt aber auch die ungewisse Finanzierung der Unternehmen ab. Die geplanten ESG-Regeln wirken sich schon heute aus. Da muss man massiv politisch in Brüssel einschreiten“, fordert der Nürnberger IHK-Präsident Armin Zitzmann, gleichzeitig Chef der Nürnberger Versicherung. „Das ist ein Beispiel, wie immer mehr Bürokratie aufgebaut wird, die keinen praktischen Sinn hat.“

Andreas Kempf

19.05.2022 | 12:59

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