(Foto: picture alliance / SvenSimon | Annegret Hilse / SVEN SIMON)



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Das ZDF blinkt links

Die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios Tina Hassel kandidiert für den Intendantenposten beim ZDF. Vorgeschlagen hat sie der „rote Freundeskreis“ im ZDF. Welche Chancen hat Tina Hassel und was bedeutet das fürs ZDF?

Es ist nur ein Versprecher von ARD-Moderatorin Tina Hassel gestern Abend kurz nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der die CDU und ihr Ministerpräsident Reiner Haseloff triumphierten: „Reiner Haseloff“, sagt Hassel gleich zu Beginn, „tritt bekanntermaßen im Herbst zur Bundestagswahl nicht mehr an.“ Hassel hat in diesem Augenblick Noch-Kanzlerin Merkel mit Haseloff verwechselt – kann passieren in der Aufregung der Stunde. Allerdings ist die Moderatorin nicht irgendeine aus der großen Riege der ARD. Sondern die 57jährige Leiterin des Hauptstadtstudios ist genau diejenige, die sich um die Nachfolge von ZDF-Intendant Thoma Bellut bewirbt. Sie ist die Kandidatin des „roten Freundeskreises“ im ZDF-Fernsehrat. Und seit der Sender ihre Kandidatur jüngst bestätigt hat, steht Hassel unter besonderer Beobachtung.

Die Macht der Freundeskreise

Wie steht es um ihre Staatsferne? Kritiker haben die erste Frau überhaupt, die auf dem Intendantenstuhl des ZDF Platz nehmen könnte, auf dem Kieker, seit sie von einer Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen vor drei Jahren fröhlich über die „frische grüne Doppelspitze“ twitterte und sich angesichts munterer Grüner zu dem Satz hinreißen ließ: „Verantwortung kann auch Spaß machen.“ Die Szene verfolgt sie seither wie ein Schatten und Hassel musste sich wegen mangelnden Abstand zu den Grünen rechtfertigen. Sie verweist, dass sich ihre Meinungsäußerungen via Twitter bewusst von den Beiträgen im Fernsehen durch mehr Emotionalität unterscheiden sollten. Wenn dann allerdings Szenen wie die vom Abend nach der Sachsen-Anhalt-Wahl hinzukommen, dürfte das zumindest im „schwarzen Freundeskreis“ des ZDF für Spott sorgen. Denn der hat mit dem bisherigen Programmdirektor Norbert Himmler seinen eigenen Kandidaten und will Hassel, die zudem ja auch noch von der ARD käme, eher verhindern.

Die Freundeskreise sind ein ZDF-Phänomen, das seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 eigentlich der Vergangenheit angehören sollte, tatsächlich jedoch an Bedeutung zugenommen hat: Damals entschieden die Richter, der Anteil „staatlicher und staatsnaher“ Mitglieder im Fernsehrat, der am Ende den Intendanten oder die Intendantin wählt, dürfe ein Drittel nicht übersteigen. Dabei sei auch die „Prägekraft“ der „Freundeskreise" zu berücksichtigen. Zumindest letzteres hat aber nicht geklappt. Denn faktisch beherrschen roter und schwarzer Freundeskreis im Fernsehrat noch immer maßgeblich die Geschicke des ZDF.

Entscheidung im Hochsommer

Der Fernsehrat funktioniert dabei wie ein Parlament. Wirkliche Macht haben dort keine Einzelkämpfer, sondern nur die Fraktionen. Wer Mitglied in einem „Freundeskreis“ ist, ist so etwas wie der Teil einer Fraktion. Parteienprofis wie der ehemalige CDU-Verteidigungsminister Franz Josef Jung oder Reinhard Klimt, früherer SPD-Ministerpräsident halten das jeweilige Ruder in der Hand. Leonhard Dobusch, eines der wenigen unabhängigen Mitglieder im Fernsehrat, beschreibt das weitere Procedere so: Am 2. Juli 2021, trifft sich der Rat zum ersten Mal seit einem Jahr wieder zu einer Präsenzsitzung in Mainz. Wichtigster Punkt der Tagesordnung wird dann die Wahl sein, für die 36 Stimmen von den 60 Mitgliedern des Fernsehrats nötig sind. Beide Seiten brauchen damit die unabhängigen Fernsehrat-Mitglieder auf ihrer Seite und müssen sich auch um Stimmen aus dem gegnerischen Lager bemühen – was das Wahlergebnis schwer vorhersehbar macht. Jedes Mitglied des Fernsehrats kann auch in der Sitzung selbst noch neue Vorschläge einbringen, was zum letzten Mal bei der Wahl von Markus Schächter im Jahr 2002 passiert war: Der völlig überraschte Schächter erhielt die Glückwünsche zur Wahl, als er sich gerade um seinen heimischen Garten kümmerte. Im Vorfeld der Wahl werden die Kandidaten aufgefordert, ihre Pläne für die Weiterentwicklung des ZDF in Form eines schriftlichen Konzepts darzulegen. Mitte Juli, also zwei Monate vor der Bundestagswahl wird dann entschieden.

Für Himmler spricht, dass er als Programmdirektor mit Gefühl für Quote das ZDF zumindest in der Gunst der älteren Zuschauer nach vorn gebracht hat. Unter ihnen ist das ZDF der beliebteste Fernsehsender. Für Hassel spricht, dass sie von der ARD kommt und die ZDF-Strukturen etwa unvoreingenommener betrachten kann als einer von innen. Falls die zum Beispiel von der FDP geforderte Zusammenlegung der öffentlich-rechtlichen Sender Wirklichkeit werden soll, wäre mit Hassel zumindest eine kenntnisreiche Führungsfigur für einen solchen Prozess installiert.                   

Oliver Stock

07.06.2021 | 14:04

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