Karrierealle Jobs


Auto-Werte: einsteigen oder aussteigen?

Unter den großen börsennotierten Konzernen zählen die Papiere von Volkswagen, Daimler und BMW inzwischen zu den günstigsten weltweit. Trumps protektionistische Handelspolitik setzt die Autowerte unter Druck. Ganz besonders die Aktien der deutschen Hersteller. Sollten Anleger besser aussteigen, bevor es zu spät ist? Oder gerade jetzt mutig einsteigen?

Kaum einer könnte an der Börse derzeit wohl einfacher erfolgreichen Insiderhandel betreiben als Donald Trump. Ein kurzes Statement des US-Präsidenten auf Twitter reicht und schon fallen oder klettern – je nach Inhalt des Kommentars – weltweit die Aktienkurse. Ganz besonders gilt das mit Blick auf die deutschen Automobilhersteller. Aus Sicht derer jedoch leider mehrheitlich im negativen Sinne. Geklettert wurde im Chart der Volkswagen-, BMW- und Daimler-Aktie schon lange nicht mehr.

Höchstens vielleicht wurde sich einmal kurz festgehalten und – um im Bilde zu bleiben – ein kleines Stück Weg gut gemacht. Schlussendlich aber ging es für Deutschlands Autokonzerne zuletzt fast schon eindrucksvoll zielstrebig bergab. Ausgehend von ihren Zwischenhochs im Januar haben die Aktien der drei nun schon 18 Prozent (BMW), 24 Prozent (Daimler) und 25 Prozent (VW) an Wert verloren. Nicht nur 2018, auch auf Dreijahressicht stehen damit alle deutlich im Minus. Inzwischen dürften sie in Stuttgart, Wolfsburg und München regelrecht zittern vor Trumps nächstem Tweet.

Einhergehend mit den niedrigen Kursen stehen auch die KGVs historisch tief. Das operative Geschäft der Konzerne schließlich läuft hervorragend, 2017 erwirtschaftete das deutsche Trio Rekordgewinne. In Sachen Absatz fielen ebenfalls Bestmarken. Übrigens auch im ersten Quartal des laufenden Jahres. BMW kommt so mit einem Wert von 6,9 noch auf das höchste Kurs-Gewinn-Verhältnis. Daimler und Volkswagen folgen mit 6,3 und 5,5. „Deutsche Autoaktien zählen unter den großen Aktiengesellschaften zu den günstigsten Titeln auf der ganzen Welt.“, fasst es Evercore ISI-Analyst Arndt Ellinghorst zusammen. Doch günstig ist nicht automatisch gleichbedeutend mit gut. Ein niedriges KGV kann ebenso dafür stehen, dass Anleger einem Konzern für die Zukunft kaum mehr nennenswertes oder sogar negatives Wachstum zutrauen. Und so scheint es bei Deutschlands Auto-Giganten der Fall.

Warum gibt es einen Dieselskandal?

Da ist der Dieselskandal, der sich mehr ausbreitet, als endlich aufgearbeitet zu sein – erst vor kurzem bedeutete das für Daimler die nächste teure Rückrufaktion und für Volkswagen die Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler – neue Abgasprüfverfahren, die die Auslieferung verzögern und Daimler jüngst zur ersten Gewinnwarnung seit sechs Jahren veranlassten. Es stellt sich nach wie vor die Frage, was die eigentliche Ursache für den Diesel-Skandal ist. Natürlich sind da hohe Stickoxid-Werte, natürlich gab es eine Feinstaub-Problematik. Doch beim Benziner ist es das Benzol, beim Elektro-Auto der immense Berg an Sondermüll aus Millionen giftiger Batterien. Mobilität hat einen Preis, und der ist hoch. Und wer kann sicher sagen, dass nicht der der Diesel genommen wurde, um Tributzahlungen über den Atlantik zu bewirken? Die NS-Zwangsarbeit waren das Vehikel davor, und als anleger kann man schon jetzt die Uhr danach stellen, dass Bayer die nächsten 30 Milliarden an Tribut über den Atlantik zu zahlen hat. Dieselskandal? Bestenfalls ein Handelskrieg!

Womit wir beim Handelskonflikt wären, der, warum auch immer, über dem gesamten Markt wie ein Damoklesschwert schwebt. Über den deutschen Autoherstellern jedoch besonders, da sie vergleichsweise viele Fahrzeuge aus Europa in die USA exportieren. Und Autozölle in Höhe von zwanzig Prozent, wie sie Trump erst im Juni wieder für möglich erklärte, machten den Export schlicht vom einen auf den anderen Moment unprofitabel. Es sei denn natürlich man erhöht die Preise. Im Premiumsegment, in dem sich  BMW, Daimler und mit Audi als Tochter letztlich auch Volkswagen wiederfinden, durchaus möglich. Die Kundschaft gilt als gut betucht. Dennoch: Eine 20-prozentige Preiserhöhung dürfte den einen oder anderen Kunden wohl vergraulen.

Für Metzler-Analyst Jürgen Pieper ist das jedoch noch lange kein Grund zur Panik. VW, BMW und Daimler hätten im vergangenen Jahr zusammen rund 16 Millionen Fahrzeuge verkauft und nicht einmal 500.000 davon wären von Deutschland aus in die USA gegangen, so der Experte. Kämen die Zölle wirklich, würden die deutschen Autokonzerne wohl nur 100.000 Autos weniger in die Staaten exportieren, was die Gewinne zusammengenommen um etwa drei Prozent schmälern dürfte, schätzt Pieper.

BMW ist größter Auto-Exporteur der USA...

Darüber hinaus haben sowohl Volkswagen als auch Daimler und BMW Werke innerhalb der USA. Modelle die dort produziert und vor Ort verkauft werden, entgingen freilich etwaigen Strafzöllen. Problematisch allerdings: Vor allem Daimler und BMW produzieren in den USA Fahrzeuge, die anschließend zu einem großen Teil nach China verschifft werden. Setzt Trump die Volksrepublik mit milliardenschweren Einfuhrzöllen weiter unter Druck, könnten die unter anderem auch mit Autozöllen gegenreagieren. Damit hätten die deutschen Hersteller in den USA dasselbe Problem wie außerhalb.
Als nächstes könnte man auf Mexiko ausweichen. In dem mittelamerikanischen Staat verfügen ebenfalls alle drei über ein Werk. Doch auch seinem Nachbarn hat Trump mit Zöllen gedroht und damit einhergehend mit der Aufhebung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, dem auch Kanada angehört.

Abgesehen von Zöllen auf die eigenen Endprodukte kommt für die Autohersteller hinzu, dass ihre Fertigung inzwischen fast vollständig globalisiert ist. Zugeliefert wird aus der ganzen Welt, selbst baut man einem Ort nur bestimmte Teile, um sie an einem anderen zusammenzusetzen. Zig unterschiedliche Modelle werden in zig verschiedenen Ländern produziert. Die Angst vor Unterbrechungen der Just-in-time-Lieferketten der globalisierten Weltwirtschaft steige deshalb von Tag zu Tag weiter an, erklärt CMC Markets-Analyst Jochen Stanzl. Und vor allem zwischen China und den USA droht der Handelsstreit zu eskalieren. „Fakt ist zurzeit, dass keinerlei Gespräche mehr zwischen den USA und China stattfinden.“, schreibt Stanzl. Dafür kommen beiderseits regelmäßig neue Horror-Drohungen.

Einsteigen oder aussteigen?

Ja, es spricht gerade viel gegen Auto-Aktien. Nicht zuletzt auch das allmähliche Abflachen des weltweiten Wirtschaftsaufschwungs. Das könnte gemeinsam mit Trumps restriktiver Handelspolitik vor allem die Exportnation China zu einem ungünstigen Zeitpunkt treffen. Viele Unternehmen, Privathaushalte und nicht zuletzt der Staat sind dort – ähnlich wie in den USA – hoch verschuldet. An den Märkten werden darüber hinaus immer mehr Aktien per Kredit finanziert. Auch die Aktien selbst dienen immer öfter als Pfand für Kredite. Experten warnen schon lange vor einer gewaltigen Blase. Ein Handelskrieg – wenn er denn nun tatsächlich ausbricht – könnte das Fass endgültig zum Überlaufen bringen. Eine chinesische Wirtschafts- und Finanzkrise ist dabei das letzte, was Daimler, Volkswagen und BMW jetzt noch brauchen. Schließlich gilt ihnen die Volksrepublik als wichtigster Absatzmarkt. Vor allem mit Blick auf die teuren Wagen.

Deutschlands Autohersteller sind derzeit ohne Frage von einer ziemlich großen und ebenso resistenten Risikowolke umgeben. Die Sorgen wachsen, dass aus den bisherigen Hauptprofiteuren der Globalisierung ihre größten Verlierer werden. Demgegenüber stehen jedoch noch immer starke Geschäftszahlen. Wenn jemand die anstehenden Herausforderungen aus finanzieller Sicht annehmen kann, dann Deutschlands Auto-Konzerne. Gelingt es sie – den Handelskonflikt wie auch den Dieselskandal – zu überstehen und sie – die Automatisierung und Elektrifizierung im Fahrzeugsektor – doch noch konkurrenzfähig zu meistern, stünden die Aktienkurse für den Moment lächerlich niedrig. Wer jetzt bei Daimler und Co. einsteigt braucht definitiv Mut zum Risiko, könnte dafür langfristig fürstlich entlohnt werden. Die Betonung liegt auf könnte. Vorhersagen für die Zukunft sind an der Börse bekanntlich schwierig. In diesen Tagen ganz besonders. Und in Stuttgart, Wolfsburg und München denken sie derzeit wohl ohnehin nur von Tweet zu Tweet.

Oliver Götz

12.07.2018 | 18:27

Artikel teilen: