(Foto: Jan von nebenan / Shutterstock)



Karrierealle Jobs


Benzinpreise: Runter zäh – rauf blitzschnell

Pünktlich mit dem Ende des Tankrabatts sind die Preise an den Zapfsäulen in die Höhe geschossen und zwar mehr als die ausgelaufene staatliche Vergünstigung. Dabei ist der Ölpreis ein Fünftel billiger als Anfang Juni. Es riecht nach stark nach Abzocke.

Von Andreas Kempf / WirtschaftsKurier

Mit dem Monatswechsel hat das muntere Drehen an den Spritpreisen eingesetzt. Die Richtung ist dabei klar: nach oben. Und zwar deutlich mehr als das Auslaufen des Tankrabatts ohnehin befürchten ließ. Gemessen an den Durchschnittspreisen würde ein Liter Diesel nach dem Ende des Tankrabatts 2,14 Euro kosten, Benzin 2,18 Euro und E10 2,05 Euro. Die Öl-Multis knallen jedoch noch einen satten Aufschlag obendrauf. An manchen Autobahntankstellen haben die Preise sogar die 2,50 Euro deutlich überschritten. „Die Mineralölkonzerne fahren in der Krise Rekordgewinne ein. Das ist bitter für die vielen Verbraucherinnen, die sich Sorgen machen müssen, ob sie die nächste Tankfüllung noch bezahlen können“, klagt Marion Jungbluth, vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).
Die Konzerne setzen offenbar darauf, dass die Verbraucher längst die wagemutigen Begründungen vergessen haben, warum man Anfang Juni nicht in der Lage war, den Rabatt voll weiterzugeben. Zur Erinnerung: Seinerzeit hieß es, man müsse den teuer beschafften Sprit erst abverkaufen. Mit dem Tankrabatt – so die Annahme – kauften Tankstellenbetreiber ihr Benzin rund 30 Cent pro Liter günstiger ein, beim Diesel waren es 12,66 Cent pro Liter. Zudem hatte die Bundesregierung keine Mehrwertsteuer erhoben, so dass die Autofahrer am Ende bei Benzin rechnerisch 35,2 Cent und beim Diesel 16,7 Cent pro Liter hätten sparen sollen. Tatsächlich stiegen die Preise schnell wieder. „Wenn man die Steuersenkung herausrechnet, ist der Preis an der Tankstelle seit Ende Mai stärker gestiegen als der Rohölpreis. Das wirft natürlich Fragen auf“, stellte seinerzeit der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. fest.

Nach Schätzungen des Bundes der Steuerzahler hat der Tankrabatt den Bundeshaushalt mit mehr als drei Milliarden Euro Belastet. Eine Weitergabe der Vergünstigung an die Verbraucher passierte – wenn überhaupt – eher zögerlich. Was nach unten nur zäh klappte, geht jetzt allerdings blitzschnell. Folgt man der Argumentation der Öl-Konzerne vom Juni, die ja sagten, sie hätten noch teures Benzin auf lager, das erst verkauft werden müsste, so stellt sich die Frage: Sind jetzt in ganz Deutschland über Nacht alles Benzin und jeder Tropfen Diesel in den Tankstellentanks ausgetauscht worden, oder warum schießen die Preise derart in die Höhe? Der Verband der Mineralölindustrie En2x verzichtet darauf, zu dieser Frage Stellung zu beziehen. Das Schweigen kommentiert sich von allein: Nicht die Sprit-, sondern die Ertragslage hat sich über Nacht erheblich gewandelt.

„Die Energiesteuersenkung wurde umfassend weitergegeben. Dies wurde durch unabhängige Studien bestätigt“, teilt En2x-Hauptgeschäftsführer Adrian Willig in einer schriftlichen Mitteilung mit. Auch während des Zeitraums der Energiesteuersenkung seien die Marktmechanismen allerdings weiter wirksam gewesen. „In Deutschland kommen derzeit als logistische Herausforderungen das Rheinniedrigwasser, eine hohe Belastung bei der Güterbahn sowie der Teilausfall einer für die Versorgung Süddeutschlands wichtigen Raffinerie in Österreich hinzu“, begründet Willig die aktuelle Marktlage.  „Es verwundert schon, dass bei Einführung des Tankrabatts die Preise für Kraftstoffe nur zögerlich gesenkt wurden, aber das Auslaufen gleich mit einem Preissprung weitergegeben wird. Sollte der Wettbewerb an der Zapfsäule nicht funktionieren oder die Preise übergebührlich angehoben werden, muss das Kartellamt einschreiten und Strafen verhängen“, fordert dagegen Verbraucherschützerinnen Jungbluth.  Sie rät den geplagten Autofahrern, die Preise mit einer App zu vergleichen und tendenziell am Abend tanken.

Der Tankrabatt war Teil von zwei Entlastungspaketen, die die Regierung auf den Weg gebracht hatte, um die Menschen angesichts der steigenden Energiepreise zu entlasten. Zu den Maßnahmen im Rahmen von 30 Milliarden Euro gehörte auch das 9-Euro-Ticket, die – allerdings schon vorher längst beschlossene – Abschaffung der EEG-Umlage, die Heizkostenpauschale und die Energiepreispauschale über 300 Euro, die jetzt über die Arbeitgeber ausgezahlt wird. Die gestiegenen Spritpreise erleichtern die Finanzierung der verschiedenen Pakete, denn der Staat verdient an der Erhöhung über Mineralöl- und Mehrwertsteuer kräftig mit. 

Das Bundeskartellamt will nach eigenen Angaben die Kraftstoffpreise in den kommenden Wochen im Blick behalten. Unternehmen dürften nicht auf Kosten der Verbraucher von der aktuellen Situation profitieren. „Das Bundeskartellamt beobachtet die Entwicklung der Spritpreise genau", verspricht Behördenchef Mundt. Bisher blieben diese Beobachtungsmissionen allerdings folgenlos.

Den Verbraucherschützern geht das nicht weit genug. „Wir brauchen dringend und sofort ein drittes Entlastungspaket, das gezielt den kleinen und mittleren Einkommen Hilfen bietet. Zur Finanzierung sollte die Bundesregierung alle Instrumente prüfen, wie die exorbitanten Profite der Energieunternehmen teilweise abgeschöpft werden können“, fordert Mobilitätsexpertin Jungbluth. Für den Hauptgeschäftsführer des Öl-Verbandes sind es die Großhandelspreise für die Kraftstoffe, die maßgeblich die grundsätzliche Preisentwicklung an den Tankstellen bestimmen - nicht die Rohölpreise. Denn die wären ja gefallen von 115 Dollar für 159 Liter Rohöl Anfang Juni auf jetzt 93 Dollar. Also gut ein Fünftel weniger. Man darf gespannt sein, welche Erklärung die Branche findet, warum ein steigender Ölpreis dann doch wieder sofort bis an die Tankstellen durchlägt.

02.09.2022 | 12:43

Artikel teilen: