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Boeing boykottiert russisches Titan, Airbus kauft weiter

Der amerikanische Flugzeugbauer kauft kein russisches Titan mehr. Der europäische Konkurrent bezieht das Metall aus Russland weiterhin. Obwohl hinter dem Lieferanten ein Rüstungskonzern steckt.

Im Gefolge der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland hat der amerikanische Flugzeughersteller Boeing den Kauf von Titan aus Russland ausgesetzt. Der europäischer Konkurrent Airbus bezieht hingegen weiterhin Lieferungen des russischen Lieferanten VSMPO-AVISMA. Das ist der weltweit größte Titian-Lieferant.

Das Leichtmetall wird wegen seiner Temperatur- und Korrosionsbeständigkeit in Motoren, Triebwerken und Tragflächen verbaut und ist ein Schlüsselmetall der Luft- und Raumfahrtindustrie. VSMPO-Avisma liefert Airbus rund die Hälfte des benötigten Titans. Die Lieferbeziehung ist in Kriegszeiten mit scharfen Wirtschaftssanktionen allerdings politisch brisant. Denn an VSMPO-Avisma hält die staatliche russische Rüstungsholding Rostec eine Sperrminorität . Rostec wurde von Wladimir Putin persönlich 2007 gegründet und ist mit 450000 Mitarbeitern einer der größten Rüstungskonzern der Welt. Von der Kalaschnikow-Produktion bis zu Hubschraubern, von der Munitionshertellung bis zu Kampfjets und Drohnen reichen die Rostec-Aktivitäten.

"Wir bedauern aufrichtig, dass die Verträge mit unserem langjährigen Partner ausgesetzt werden", sagte der Vorstandsvorsitzende von VSMPO-AVISMA, Dmitry Osipov. Der Vertrag war erst vor wenigen Monaten auf der Luftfahrtmesse in Dubai erneuert worden. Die beiden Unternehmen hatten sich auch darauf geeinigt, verstärkt auf ein Joint Venture zur Herstellung von Schmiedeteilen - Ural Boeing Manufacturing - im Ural zurückzugreifen.

Der US-Flugzeughersteller erklärte nun aber, er verfüge über "beträchtliche" Bestände des Metalls. "Wir haben den Kauf von Titan aus Russland eingestellt. Unser Bestand und die Vielfalt der Titanquellen bieten eine ausreichende Versorgung für die Flugzeugproduktion", so Boeing. Boeing hat seit der Krim-Krise im Jahr 2014 seine Titanvorräte aufgestockt und versucht, seine Bezugsquellen zu diversifizieren.

In Frankreich erklärte Airbus dagegen, dass es weiterhin Titan aus Russland und anderen Ländern bezieht. Airbus sieht sich abhängig von einer kontinuierlichen Titan-Lieferung. Auch die Militärhubschrauberprogramme NH90 und Tiger sind auf russisches Titan angewiesen.

Kevin Michaels, Direktor der Beratungsfirma Aero Dynamic Advisory erklärte dem Magazin „Flight Global“, Titan mache etwa 15 Prozent des Leergewichtes einer Boeing 787 aus. Bei Airbus sei der Werkstoff in den vergangenen Jahren ebenfalls immer wichtiger geworden: “Wenn die russischen Lieferungen wegfielen, wäre das ein massives Problem.“

Titanmineralien werden zur Herstellung von Titanschwamm verwendet, der wiederum zu Metall für industrielle Anwendungen verarbeitet wird. Nach Angaben des U.S. Geological Survey ist China derzeit mit 210.000 Tonnen im vergangenen Jahr der weltweit größte Produzent von Titanschwamm.  Den Daten zufolge folgen Japan und Russland. Russland verfügt über überschaubare Titanmineralreserven, importiert aber Titian ausgerechnet aus der Ukraine. "Im Jahr 2021 war die Ukraine die wichtigste Quelle für die Einfuhr von Titanmineralkonzentraten nach Russland", so USGS. "Andere führende Quellen waren Vietnam, Mosambik und Kasachstan.“ USGS schätzt, dass die Ukraine im vergangenen Jahr 525.000 Tonnen Titanmineralkonzentrate produziert hat.

Titan wird in der Luft- und Raumfahrtindustrie zur Herstellung von Fahrwerken, Schaufeln und Turbinenscheiben verwendet, in der Schifffahrtsindustrie werden Titanbleche für den Bau von Schiffen und U-Booten eingesetzt, und in der Automobilbranche wird es für Komponenten von Verbrennungsmotoren verwendet. In der chemischen Verarbeitung bietet Titan Schutz vor Ermüdung und Rissbildung, beim Dampfen wird Titandraht zur Erhöhung der Sicherheit und zur Temperaturkontrolle verwendet, und im Sport wird es unter anderem für Golfschlägerköpfe eingesetzt.Titan wird auch für Gelenkersatz und Zahnimplantate verwendet, da es eine ähnliche Dichte wie der menschliche Knochen aufweist. Es ist ein hartes, starkes, leichtes Metall mit außergewöhnlicher Korrosionsbeständigkeit. Titan ist so stark wie Stahl, aber 45 Prozent leichter.                                                                                                                  

Wolfram Weimer

23.03.2022 | 16:58

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