Karrierealle Jobs


„Das ist kein Bank-Raub!“

Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir versucht auf seiner London-Reise die Banker der City von den Vorzügen Frankfurts zu überzeugen – vermeidet es aber, zu direkt und aggressiv aufzutreten.

Es ist ein Kompliment, auch wenn es etwas versteckt daherkommt: „Ich hätte nicht gedacht, dass Deutsche so spontan sein können und das hier ist spontan, denn ich bin recht kurzfristig eingeladen worden“, erzählt ein Londoner Banker, „und genauso überrascht hat mich, dass Deutsche ihr Anliegen auch mal nicht so direkt wie sonst vortragen können.“

Es ist eine der Reaktionen auf ein Treffen mit Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. Mit einer rund 15-köpfigen Delegation hat er der britischen Hauptstadt einen zweitägigen Besuch abgestattet und mit Vertretern der Finanzbranche gesprochen. Das Anliegen ist dabei klar: Al-Wazir macht Werbung für Frankfurt als alternativen Standort für Londoner Banker, die im Zuge des Brexit möglicherweise umziehen müssen. Denn verlässt Großbritannien die Europäische Union, können Geldinstitute nicht mehr so einfach wie bisher Geschäfte auf dem Kontinent von London aus betreiben.

Doch dass er auf Banker-Fang sein könnte und von einem EU-Austritt Großbritannien profitieren will, davon spricht Al-Wazir nicht. Er verpackt seine Botschaft anders: „Es geht hier um Informationsgespräche, wir wollen wissen, welche Wünsche und Erwartungen diejenigen, die hier leben und arbeiten, an uns haben“, sagt der Grünen-Politiker, „und darum Brücken zwischen London und Frankfurt und damit dem Rest der EU zu bauen.“ Eines wolle man um jeden Preis vermeiden: den Eindruck vermeiden, man sei auf einem Raubzug. „Das ist kein Bank-Raub“, betont Al-Wazir. London werde auch weiterhin ein globales Finanzzentrum bleiben.

Fachleute gehen dennoch davon aus, dass etliche Jobs verlagert werden. Nicht nur Frankfurt macht sich Hoffnung darauf, sondern auch Paris, Dublin, Amsterdam und Luxemburg. Vor dem Referendum sind einige Geldhäuser bereits konkret geworden. So hat HSBC von 1000 Investmentbankern gesprochen, die man nach einem Brexit nach Paris versetzen könnte. Bei JP Morgan war von bis zu 4000 Jobs die Rede. Bank-Chef Jamie Dimon hat allerdings keinen alternativen Standort ins Spiel gebracht. Jes Staley, der an der Spitze der britischen Großbank Barclays steht, hat dagegen keine Zahl möglicher Jobs genannt, dafür aber Dublin oder Luxemburg als Möglichkeiten, sollten Mitarbeiter wegen des Brexits umziehen müssen.

Noch hat keine Bank diese Ankündigungen wahr gemacht. Die Branche wartet ab, bis sich etwas klarer abzeichnet, wie die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel aussehen werden. Doch die Vorbereitungen für die Verlagerung von Geschäftsaktivitäten seien bereits angelaufen, sagt Al-Wazir nach seinen Treffen mit Bankvertretern, und Frankfurt sei durchaus in der engeren Auswahl.

Mit manchen Bedenken kann Al-Wazir sofort aufräumen

Damit die Mainmetropole in dieser Liste der alternativen Standorte vorrücken kann, haben ihm seine Gesprächspartner auch einige Wünsche auf den Weg gegeben – allen voran eine Änderung der Regeln für Abfindungen, wenn Arbeitgeber einen Mitarbeiter loswerden wollen. „Diese sind ja ursprünglich mal geschaffen worden, um abhängige Arbeitnehmer zu schützen – aber nicht unbedingt Investmentbanker“, so Al-Wazir. Möglicherweise sollte man daher wirklich prüfen, um man Abfindungsregeln für bestimmte Gehaltsklassen ändern könne. Wie realistisch es ist so, dass solche Vorgaben in Deutschland schnell umgesetzt werden, noch bevor die Auszüge aus London anstehen, dazu will er sich allerdings nicht äußern.

Andere Sorgen und Bedenken kann Hessens Wirtschaftsminister dagegen sofort in den Gesprächen mit Londonern Bankern ausräumen: „Einige haben tatsächlich noch die Vorstellung gehabt, dass man in Deutschland keine befristeten Arbeitsverträge abschließen kann und das Arbeitsrecht völlig unflexibel ist“, erzählt Al-Wazir. Mit solchen Vorurteilen habe man aufräumen können.

Eine andere Sache habe sich dagegen bereits auf der Insel herumgesprochen: dass es in Frankfurt gute Möglichkeiten gebe, Nachwuchsbanker zu rekrutieren. „Die Frankfurt School of Finance und andere Bildungseinrichtungen waren unseren Gesprächspartnern durchaus bekannt“, berichtet Frankfurts Wirtschaftsdezernent Markus Frank, der mit Al-Wazir nach London gereist ist.

Ein paar Kritikpunkte britischer Bankmanager lassen sich allerdings nicht so leicht ausräumen: „Man spricht in Frankfurt nun mal Deutsch, mit Englisch kommt man nicht weit“, klagt ein Banker eines US-Instituts, der in der britischen Hauptstadt arbeitet. Daher könne er seinen Mitarbeitern wohl Dublin als alternativen Standtort leichter schmackhaft machen als Frankfurt. „Aber am liebsten wären allen, wenn sie gar nicht umziehen müssten.“ Handelsblatt / Katharina Slodczyk

13.08.2016 | 13:52

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