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Das nächste grüne Verbot: Haribo darf Kinder nicht mehr froh machen

Ernährungsminister Cem Özdemir will Werbung für Chips, Schokolade, Gummibärchen und Salzstangen verbieten, die sich an Kinder richtet. Das Vorhaben ist Teil der „Ernährungsstrategie“ der Ampelregierung. Das Problem: Den Deutschen schmecken ausgerechnet diese Produkte am besten.

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier

Verbrennermotor, Gasheizung und zwischendurch auch schon mal das Einfamilienhaus: Die grünen Minister in der Ampelregierung sind Meister darin, wenn es darum geht, neue Verbote zu erfinden. Jetzt hat sich auch Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir eines ausgedacht: Er will künftig an Kinder gerichtete Werbung für Chips, Schokolade und andere Dickmacher verbieten. Der Minister sagte jetzt, als er diese Pläne vorstellte, er sei zwar alles andere als ein „Verbotsfanatiker“, aber „bei Kindern hört der Spaß auf“.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, FDP und Grüne vereinbart, dass es an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt in Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben soll. „Wir haben dafür die Rückendeckung eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses von Wissenschaft, über Krankenkassen bis hin zu Elternvertretungen“, glaubt Özdemir. Das Werbeverbot ist Teil der Ernährungsstrategie, die ebenfalls im Koalitionsvertrag zu finden ist. Dabei geht es laut dem Minister darum, „dass es für alle Menschen in Deutschland möglich ist, sich gut und gesund zu ernähren – unabhängig von Einkommen, Bildung oder Herkunft.“ Kantinen, Schulen, Heime, Betriebe und Krankenhäuser sollen mit ihren Kantinen „als Vorbild wirken“, lautet ein Baustein dieser Strategie. Außerdem, so heißt es im schönsten deutsch aus dem Ministerium, will man „vulnerablen Verbrauchergruppen Ernährungskompetenzen“ vermitteln. Gemeint ist damit in etwa, dass die Regierung denjenigen, die nicht wissen, dass ein bisschen Obst und Gemüse am Tag nicht schaden kann, dies gerne mitteilen möchte.

Erstmal aber geht es jetzt ums Werbeverbot. Die geplante Regelung soll nach Özdemirs Vorstellung für „alle für Kinder relevanten Medien“ gelten, also sowohl für die Außenwerbung an Straßen, wie für Printmedien, Radio und Fernsehen sowie für das Internet, etwa beim „Influencermarketing“ auf Social-Media-Kanälen. Dort soll nicht mehr für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt geworben werden. Dies gilt in der Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr. Außerdem soll es keine solcherlei Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder anderen Freizeiteinrichtungen für Kinder geben sowie kein Sponsoring. Mit dem Begriff Kinder sind in diesem Zusammenhang unter 14-Jährige gemeint. Kontrolliert werden soll das Ganze durch die Marktüberwachungsbehörden der Länder. Kinderschokolade und Nutella von Ferrero, Mars und auch Salzstangen, wie sie etwa der Bahlsen-Ableger Lorenz herstellt, können dann sehen, wie sie unter die Leute kommen. Langnese-Werbung im Kino dürfte es außerhalb der Nachtvorstellung nicht mehr geben. Und Haribo machte auch keine Kinder mehr froh.

Der Minister meint es natürlich nur gut mit seinem Verbot: Nach Angaben aus seinem Haus sind rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland übergewichtig. Im Kindesalter ausgebildetes Übergewicht bleibe oftmals ein Leben lang bestehen und erhöhe in späteren Lebensphasen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Was Özdemir nicht zitiert, ist zum Beispiel eine Studie der OECD, die schon 2013 den Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Bildungsstand untersuchte. („Bildung auf einen Blick 2013“) Ergebnis: Menschen mit höherer Bildung sind mit geringerer Wahrscheinlichkeit fettleibig als Menschen mit geringerem Bildungsstand. Die Studienautoren begründen diese Erkenntnis damit, dass Bildung dazu beitragen kann, bewusst einen gesunden Lebensstil zu wählen und schädliches Verhalten zu vermeiden. Dem Kieler Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde liegen ähnliche Ergebnisse vor: Kinder von Eltern mit Hauptschulabschluss sind dreimal so häufig übergewichtig wie Kinder mit Eltern, die Abitur haben. Erfolgreicher als bei der Werbung könnte Özdemir also bei der Bildung ansetzen.

Ob das alles allerdings letztendlich etwas nützt, wird mit Blick auf die Rankingliste des Catering-Dienstleisters Apetito zweifelhaft. Das Familienunternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Rheine zählt nach eigenen Angaben zu den drei größten Catering-Unternehmen in Deutschland. Apetito hatte 2021 Catering-Verträge mit knapp 700 Kantinen, Kliniken, Seniorenheimen, Schulen und Kitas abgeschlossen – es hat also einen gewissen Überblick. Als beliebtestes Kantinenessen hatte sich laut dieser Profi-Köche im Jahr 2021 erneut Spaghetti Bolognese gegen die Currywurst durchgesetzt. Im Ranking hatte das Nudelgericht 2020 erstmals nach 28 Jahren den Klassiker von Platz eins verdrängt. Fett, Zucker und Salz -. all das gibt es satt in Curry-Pommes, vor allem wenn noch Majo und Ketchup dazukommen. Auf Platz drei landete immerhin das vegetarische Gericht „Cappelletti-Pesto-Pfanne". In Kitas und Schulen konnte sich eine vegetarische Linsensuppe unter den vorderen Plätzen behaupten. Deutlich wird aber: Der Geschmack der Deutschen entspricht bislang nicht ganz dem, was Minister und Regierung als lecker und gesund befinden.

02.03.2023 | 11:05

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