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Die Not ist groß: Den Angelschein gibt’s jetzt bei der Sparkasse

Die deutschen Sparkassen stemmen sich mit allen Mitteln dagegen, eine Filiale nach der anderen schließen zu müssen, weil sich der Betrieb nicht mehr lohnt. Neuster Einfall: Sparkassen und Städte arbeiten zusammen und bieten von der Ausweisverlängerung bis zum Führerscheintausch kommunalen Service an. In Köln gibt es das seit neuestem und auch in Hamburg wird bereits an dem Service getüfftelt. Dort gibt’s bei der Sparkasse sogar den Angelschein. Hinter dem neuen Service steckt jedoch der nackte Überlebenskampf.

Die Kölner Sparkasse gibt sich besonders innovativ: Ab sofort, so teilte sie im Dezember mit, gebe es nicht nur alles rund ums Geld bei ihr, sondern auch Amtsgeschäfte ließen sich in ihren Räumen erledigen: den Ausweis verlängern, einen Pass beantragen, einen Führerschein tauschen. Möglich macht das ein mobiler Bürgerservice der Stadt: Einmal die Woche können Kölner in der Bank bei zwei Mitarbeitern der Stadt beispielsweise Personalausweise und Reisepässe beantragen. Läuft das Projekt gut, soll es auf weiter Sparkassen in Köln ausgedehnt werden.

„Pilotprojekt“ nennen die Kölner ihr Vorgehen. Ganz so pilotenhaft ist er jedoch nicht: Die Hamburger Sparkasse versucht den ungewöhnlichen Zusammenschluss von Finanzdienstleistungen und kommunalen Service bereits seit Jahren. Im Dezember sind weitere Sparkassenfilialen dazugekommen. Sogar den Angelschein gibt es inzwischen in einer Hamburger Sparkasse. In Köln wie in Hamburg loben sich die Verantwortlichen für ihre innovative Idee: „Wir tragen dazu bei, dass die Menschen aus der Umgebung kurze Wege haben und unterstützen die Stadt dabei, ihr Servicenetz noch engmaschiger zu gestalten", sagt Birte Quitt, Bereichsleiterin bei der Hamburger Sparkasse. „Wir bringen das Angebot dorthin, wo die die Menschen wohnen, arbeiten und leben“, gibt die Hamburger Bezirkssenatorin Katharina Fegebank zurück. Aus Köln klingen die gegenseitigen Lobesworte ähnlich.

Nur Angela Langen, Bereichsleiterin Privatkunden bei der Kölner Sparkasse, fügt noch einen Satz hinzu, der der deutlich bittereren Wahrheit näherkommt, als das, was die anderen erzählen. „Wir sind in den Zeiten des Ressourcenschonens selbst daran interessiert, nicht belegte Büroflächen für eine Nutzung durch die Stadt zur Verfügung zu stellen”, sagt sie. Sie hätte auch sagen können: Die Filialen für die Geldgeschäfte sind inzwischen ein Millionengrab für jene Geldhäuser, die das Regionalitätsprinzip hochhalten müssen. Sie aufrecht zu erhalten, lohnt längst nicht mehr. Denn während andere Banken ausschließlich im Netz agieren und beispielsweise die Sparda-Bank in Berlin jetzt sogar ihre Zentrale geschlossen hat, während mehr oder weniger private Großbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank auf Druck des Vorstands schnell mal die Hälfte ihrer Niederlassungen und mehr dichtmachen, ist der Abschied von der Filiale bei den Sparkassen und auch bei den Volksbanken ein schmerzlicher und quälend langsamer Prozess. Denn sie beide haben einen regionalen Auftrag, den sie nicht einfach abschütteln können.
 
Und so greifen Sparklassen und Volksbanken nach jedem Strohhalm, der den Prozess verzögert. In einigen Regionen wie etwa in Hessen teilen sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die eigentlich erbitterte Konkurrenten im Wettbewerb um die Kunden sind, bereits einzelne Filialen: Montags, mittwochs und freitags betritt der Kunde eine rot-leuchtende Sparkasse, dienstags und donnerstags werden die gleichen Räume dann vom blauen Licht einer Volksbank beleuchtet.
 
Wie trostlos das Geschäft ansonsten ist, weiß Achim Brunner, der die Raiffeisenbank im Hochtaunus bei Frankfurt leitet. Sie hat ihren Hauptsitz in Bad Homburg und hat jetzt vier Filialen auf einmal geschlossen. „Die wurden pro Stunde vielleicht von zwei Kunden besucht, die haben zum Beispiel Geld abgehoben oder überwiesen, mit einem Papierformular", sagt Brunner im Deutschlandfunk. Dafür die Standorte den ganzen Tag offen zu halten und dort jeweils zwei, drei Mitarbeiter zu beschäftigten, das rechne sich für die Genossenschaftsbank einfach nicht. Der radikale Schritt alle vier Filialen dichtzumachen, spart dem Geldhaus im Jahr mehr als eine Million Euro. „Filialen gehören nicht zur Zukunft der Bankenbranche", steht für Bankenchef Brunner fest.
 
Es ist eine Erkenntnis, die andere Banken längst verinnerlicht haben. Das Filialsterben ist in der Branche jedenfalls ein bekanntes Phänomen. Nach Angaben der Bundesbank ist die Zahl der Zweigstellen in den vergangenen 20 Jahren von mehr als 54.000 auf zuletzt rund 21.700 zurückgegangen. Joachim Wuermeling, Mitglied im Vorstand der Bundesbank, führt das auf die zunehmende Digitalisierung zurück: „Letztlich erleben wir bei den Banken dasselbe wie im Einzelhandel, bei den Buchhändlern oder im Musikgeschäft", sagt der Bankenaufseher. Die wirtschaftliche Tätigkeit verlagere sich zunehmend ins Netz. Die Corona-Pandemie hat das Filialsterben beschleunigt: Einige Niederlassungen schlossen mit Verweis auf die Bedingungen in der Pandemie – wieder geöffnet haben sie bis heute nicht. Filialen, einst die Quelle des Bankgeschäfts, sorgten bei den Geldhäusern in Zeiten von Online-Banking zunehmend für Verluste, sagt Wuermeling. „Das wollen die Banken natürlich vermeiden, und das verlangen wir auch von ihnen."

Was Wuermeling damit meint, hat die Bundesbank in ihrem jüngsten Stabilitätsbericht beschrieben. Ausgerechnet bei den kleineren Banken verbergen sich die größten Risiken, rechnet sie darin vor. Schon jetzt gebe es massenhafte Wertberichtigungen bei Sparkassen und Volksbanken. Inzwischen seien die dafür eingerichteten Reserven aufgebraucht. Die Bundesbank warnt deswegen vor erheblichen Verlusten, die Sparkassen und Volksbanken in den nächsten Monaten einfahren könnten. Der Grund ist der Zinsanstieg, der langlaufende günstig ausgegebene Kredite unwirtschaftlicher macht, sowie Bewertungsverluste in den Wertpapierbeständen der Banken. Abschreibungen ließen inzwischen das Kernkapital der Volksbanken und Sparkassen schmelzen. Eine Filiale dicht zu machen, oder - noch besser - sie zumindest durch das Angebot zusätzlicher Dienstleistungen wirtschaftlicher betreiben zu können, ist damit sicher das kleinere Übel.
 
Oliver Stock

06.01.2023 | 13:05

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