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Deutsche Exporte auf Rekordkurs

China, Russland und Brasilien schwächeln. Die Weltwirtschaft kühlt sich ab. Aber Deutschlands Exporte bleiben auf Wachstumskurs. Europa und die USA werden wieder wichtiger. Doch der VW-Skandal macht Sorgen.

Die Weltwirtschaft kühlt sich ab, Chinas Konjunktur meldet Einbrüche, der Welthandel stagniert im Jahr 2015. Nur die deutsche Exportindustrie eilt weiter von Rekord zu Rekord, als gebe es keine Probleme. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind die gesamten deutschen Ausfuhren nach Asien im ersten Halbjahr nominal um 2,3 % gestiegen und die in die USA um 13,8 %. Die Exporte nach Europa legten um 2,2 % zu.

Eine Erklärung sehen Analysten in der zunehmenden Konjunkturerholung in der Europäischen Union. Nicht nur der deutsche, auch der Außenhandel Italiens und Spaniens laufen gut. Die Ausfuhren deutscher Maschinenbauer in die EU-Länder, in die rund 45 % der Exporte gehen, sind nach Angaben des Branchenverbands VDMA in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 4 % gestiegen. „Es gibt eine Reihe von Märkten, die richtig gut laufen – Italien, Großbritannien, Spanien, Schweden, Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn“, sagt VDMA-Volkswirt Olaf Wortmann.

Eine andere Erklärung liegt in der Mitte des vergangenen Jahres begonnenen Euro-Abwertung. Auch von außerhalb Europas kamen laut VDMA kräftige Zuwächse, zum Beispiel aus den USA (plus 17 %), in die rund 11 % der deutschen Ausfuhren gehen, und aus Mexiko und Indien. Schlechter als zuvor sah es dagegen in China und Brasilien aus.

Wie es jetzt aussieht – mögliche Rückwirkungen des VW-Skandals oder eine unerwartete Konjunkturabschwächung in Schwellenländern einmal ausgeblendet –, steuert Deutschland 2015 auf ein neues Rekordjahr beim Außenhandel zu. Nach Berechnungen des ifo Instituts wird Deutschland seinen Exportüberschuss im Warenhandel auf den Rekordwert von 270 Mrd. Euro steigern. Für die Leistungsbilanz erwarten die Konjunkturforscher ein Plus von 250 Mrd. Euro, das wäre ebenfalls ein neuer Rekordwert. Auch die Prognosen für 2016 sind optimistisch, weil neue Märkte wie Iran neue Impulse setzen könnten und wenig beachtete Schwellenländer wie Mexiko in Fahrt kämen.

Der Start in die zweite Jahreshälfte ist jedenfalls schon einmal gut gelaufen. Im Juli exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 107,1 Mrd. Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Das entspricht einem Plus von 6,2 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Auch die Importe sind mit 6,1 % ähnlich stark gestiegen: Waren im Wert von 82,1 Mrd. Euro wurden eingeführt. Die Außenhandelsbilanz schloss damit mit einem Rekordüberschuss von 25 Mrd. Euro. Das ist der höchste jemals ermittelte saisonbereinigte Monatswert seit Beginn der Datenerhebung 1991, wie die Statistiker mitteilten. Im Juni hatte die deutsche Wirtschaft noch Waren im Wert von 105,8 Mrd. Euro ins Ausland geliefert, im gesamten ersten Halbjahr 2015 beliefen sich die Exporteinnahmen auf 595,1 Mrd. Euro.

Ausfuhren von PCs steigen

Während die Maschinen- und Autobauer sowie die Chemie schon länger starke Exportpositionen verteidigen, melden nun auch andere Branchen Überraschungserfolge. So legt Deutschland beim Export von Produkten der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der Unterhaltungselektronik kräftig zu. Mit einem Umsatz von 16,2 Mrd. Euro sei die Lieferung ins Ausland im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 13 % gewachsen, teilte der ­Digitalverband Bitkom mit. Vor allem IT-Hardware aus Deutschland sei in anderen Ländern stark nachgefragt. Die Ausfuhr etwa von Computern, Druckern und Zubehör stieg demnach um 20 % auf 7,8 Mrd. Euro. Bei der Unterhaltungselektronik wuchsen die Verkäufe um 13 % auf 2,1 Mrd. Euro. Die meisten Exporte gingen nach Großbritannien und Frankreich, gefolgt von den Niederlanden und Polen.

Ein Risiko sehen Analysten in den Folgen des VW-Skandals für die deutsche Exportwirtschaft. Der Betrugsskandal schädige das gute Image der Marke „made in Germany“. Außerdem ist die Autoindustrie die umsatzstärkste Industriebranche in Deutschland. Sie ist verantwortlich für fast 20 % der gesamten Umsätze des verarbeitenden Gewerbes und beschäftigt rund 800 000 Arbeitnehmer. Die Branche entwickelte sich auch in diesem Jahr bisher positiv. Produktion und Exporte konnten in den ersten acht Monaten um immerhin jeweils 2 % zulegen. Die Nachfrage aus Deutschland und Westeuropa stieg noch stärker. Zudem wollte sich die Branche auf der Internationalen Automobilausstellung als zukunftssicher und umweltfreundlich präsentieren.

Absatz von Diesel-Pkws ist bedroht

Die Aufdeckung des Abgasskandals in den USA sorgt nun aber dafür, dass jedenfalls die Umweltfreundlichkeit infrage gestellt wird. Dies kann sich zumindest in einer deutlich niedrigeren Nachfrage nach Dieselfahrzeugen in den USA äußern, was angesichts der Bedeutung des US-Markts auch merkliche Auswirkungen auf die deutsche Autoindustrie und auf die deutsche Wirtschaft insgesamt nach sich ziehen könnte.

Die USA sind nach China der zweitgrößte Pkw-Markt der Welt. Im vergangenen Jahr gingen fast 14 % der deutschen Ausfuhren von Kraftwagen und Kraft­wagenteilen dorthin. Dies entspricht einem Wert von 27,7 Mrd. Euro oder rund 2 % der deutschen Ausfuhren insgesamt. Bezogen auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt machten die Exporte der Autoindustrie damit fast 1 % aus.

Wenn der Autoabsatz der deutschen Hersteller in den USA nachhaltigen Schaden nehmen sollte, könnte das gravierende Folgen haben. So würde ein möglicher Rückgang der deutschen Kfz-Ausfuhren in die USA als Folge des Skandals um zum Beispiel 20 % die deutsche Konjunktur rechnerisch immerhin um 0,2 % dämpfen. Außerdem bliebe ein solcher Rückgang wohl nicht ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Der Personalaufbau der letzten Jahre dürfte sich dann kaum weiter fortsetzen.

16.11.2015 | 20:13

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