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Deutsche Telekom kommt prächtig durch die Pandemie

Während der deutsche Mittelstand weiträumig leidet, meldet die Deutsche Telekom verblüffend gute Zahlen. Die Pandemie sorgt für Digitalisierung, die Telekom profitiert davon - vor allem aber von einer sensationellen Offensive in den USA
 
Eigentlich sollte sich die Deutsche Telekom umbenennen. Da das USA-Geschäft die Deutschland-Aktivitäten zusehends in den Schatten stellen, wäre „USA Telekom“ mittlerweile der treffendere Konzernname. Seit der Fusion mit dem Konkurrenten Sprint hat T-Mobile US mehr als 100 Millionen Kunden. Damit ist das Unternehmen jetzt zur Nummer Zwei auf dem amerikanischen Markt aufgestiegen, nur noch AT&T liegt vor den Deutschen. Alleine zwischen Juli und September sind in Amerika zwei Millionen neue Kunden dazu gekommen. Die T-Mobile US-Zentrale in Bellevue (östlich von Seattle) ist rein kommerziell gesehen nun wichtiger als die Konzernzentrale in Bonn. Deutschland und alle europäischen Landesgesellschaften zusammen machen weniger Umsatz als die US-Tochter.

Das boomende US-Geschäft trägt und treibt nun den ganzen - eher gemächlich aufgestellten - Konzern. T-Mobile US meldet für das dritte Quartal 2020 beim Umsatz ein riesiges Plus von 74,2 Prozent auf 19,4 Milliarden Dollar. Das bereinigte EBITDA kletterte sogar um 119,3 Prozent auf 7 Milliarden Dollar. Die Integration von Sprint verläuft schneller als geplant. Wenige Monate nach Abschluss der Transaktion werden bereits 15 Prozent des Sprach- und Datenverkehrs von Sprint-Vertragskunden über das Netz der neuen T-Mobile abgewickelt. Für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen Synergien in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar, vor allem aus Integration in Netz und Vertrieb.

Das boomende US-Geschäft begeistert nun auch die Börsianer, die die Aktie der Telekom seit Jahren eher kritisch beäugen. Doch nun sprechen immer mehr Analysten Kaufempfehlungen für die Aktie aus. Die US-Bank JPMorgan ging von einem langfristigen Kursziel von 23,60 Euro aus. Die US-Investmentbank Goldman Sachs legte ihr Kursziel auf 23 Euro. Der enorme Wert des amerikanischen Wachstumsgeschäfts sei im Börsenwert der Telekom noch nicht abgebildet. „Die Deutsche Telekom zeigt Stärke“, frohlockt Konzernchef Timotheus Höttges am Ende des Pandemie-Jahres. Für das 3. Quartal meldet Höttges beim Ebitda ein Plus von fast 50 Prozent auf 9,7 Milliarden Euro. Der Umsatz legte um 32 Prozent auf 26,4 Milliarden Euro zu.
Doch zu verdanken hat er das vor allem seinem US-CEO Mike Sievert - und dabei ist der noch nicht einmal in den Konzernvorstand aufgerückt (was manche Aufsichtsräte nun für 2021 erwägen). Zum 1. April hatte der nach langem Tauziehen mit den Regulierungsbehörden den Rivalen Sprint übernehmen dürfen. Seitdem wird konzernintern der Name Bellevue wörtlich genommen: „Gute Aussicht“.

Das sensationelle US-Geschäft überdeckt freilich manche Schwäche im heimatlichen Altgeschäft. So ging bei T-Systems im dritten Quartal der Auftragseingang um 24,9 Prozent auf 0,7 Milliarden Euro zurück. Der Umsatz fiel - so PR-Sprech Telekom - „angepasst um die konzerninterne Neustrukturierung“ um 11,6 Prozent auf 1,0 Milliarden Euro. Weil viele Unternehmen - gerade im deutschen Mittelstand - Investitionen gerade scheuen, sind ihre Aufträge um ein Viertel eingebrochen. Ärgerlich sind zudem die erheblichen Wertberichtigungen auf das rumänische Mobilfunkgeschäft.

Auch bei den mobilen Service-Umsätzen in Deutschland verzeichnete das Unternehmen einen leichten Rückgang um 0,5 Prozent im Jahresvergleich. Hauptgrund waren die geringeren Roaming- und Visitoren-Umsätze wegen geringerer Reisetätigkeit als Folge der Corona-Pandemie.

Doch insgesamt kommt die Telekom viel besser durch die Pandemie als andere Unternehmen. 2020 wird der Telekommunikationsriese bei Umsatz und Gewinn klar zulegen. In einigen Segment profitiert der Konzern vom Digitalisierungschub durch die Krise. Fast 100.000 neue Bereitbandkunden hat der Konzern im dritten Quartal hinzugewonnen. Die Gründe dafür sind die seit Monaten geltenden Alltagsbeschränkungen und die steigende Zahl der Homeoffice-Nutzer. Das Streaming-Fernsehangebot MagentaTV nutzen knapp 3,8 Millionen Kunden, das ist ein Plus von 6,9 Prozent im Jahresvergleich.

Für das Deutschland-Geschäft wird nun der Ausbau des 5G-Netzes entscheidend. Der gesamte deutsche Mittelstand wartet darauf, dass es endlich rasch voran geht. Telekom-Chef Höttges sieht den Netzbetreiber bei 5G-Mobilfunk in Deutschland klar  in Führung. "Ich war beim Start von 3G und bei 4G dabei und kann darum sagen: Noch nie hatten wir einen derartigen Vorsprung", meint der Konzernchef in einer November-Telefonkonferenz mit Journalisten. "Wir liegen signifikant vorne, was die Abdeckung angeht.“ Die Telekom hat nach eigenen Angaben jedoch mehr als 30.000 5G-Antennen in Betrieb. In den 20 größten Metropolen würden 5G-Antennen im Frequenzbereich 3,6 GHz eingeschaltet. 5G in diesem Bereich erreicht hohe Datenübertragungsraten von bis zu 1 GBit/s und mehr und wird laut Unternehmensangaben vor allem an Standorten mit viel Publikumsverkehr eingesetzt.

In den USA sieht Höttges die Telekom durch den Kauf von Sprint sogar in "einer einzigartigen Spektrumposition. Wir haben jetzt schon die höchste Bevölkerungs- und Flächenabdeckung bei 5G in den USA." Sie sei doppelt so hoch wie die von AT&T und mehr als dreimal so hoch wie bei Verizon. Die USA sind für die Telekom derzeit offenbar der Maßstab für alles.

WW

25.11.2020 | 18:05

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