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Deutschland gehen die Gründer aus

Die KfW schlägt Alarm: Die Zahl der Existenzgründungen hat im vergangenen Jahr ein Rekordtief von 547 000 erreicht. Der Wunsch nach Selbstständigkeit sinkt dramatisch. Frauen gründen gegen den Trend häufiger.

Die Zahl der Existenzgründungen hat im vergangenen Jahr ein Rekordtief von 547.000 erreicht. Das geht aus dem „Gründungsmonitor“ der Förderbank KfW hervor. Immerhin sank der Wert zuletzt weniger stark: Im vergangenen Jahr ging er um lediglich zwei Prozent zurück. In den Jahren zuvor hatte es noch Rückgänge mit jeweils zweistelligen Raten gegeben.

Der Unternehmergeist der Menschen in Deutschland schwindet damit immer weiter. Nur noch ein Viertel der Erwerbsbevölkerung hatte 2018 grundsätzlich den Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit. Das ist der niedrigste Wert seit der erstmaligen Erhebung im Jahr 2000. Damals habe sich fast jeder Zweite (45 Prozent) eine selbstständige Tätigkeit gewünscht.

Die guten Bedingungen am Arbeitsmarkt und eine alternde Gesellschaft seien wichtige Gründe für den schwindenden Unternehmergeist, heißt es in der Studie. Bei Menschen unter 30 ist der Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit allerdings noch vergleichsweise stark. Mehr als jeder Dritte habe sich 2018 eine Selbstständigkeit vorstellen können. Mit steigendem Lebensalter nehme das Gründungsinteresse aufgrund stärkerer familiärer und beruflicher Abhängigkeiten jedoch ab.

Ein besonders drastischer Einschnitt sei nach Beginn der internationalen Finanzkrise zu erkennen gewesen, hieß es. In Deutschland habe die Bereitschaft zur selbstständigen Tätigkeit zwischen 2009 (41 Prozent) und 2012 (30 Prozent) deutlich abgenommen. Offenbar habe die Finanzkrise die Einstellung der Menschen zur Selbstständigkeit negativ beeinflusst.

Das Bundesministerium für Wirtschaft blickt besorgt auf die schwindende Bereitschaft zur Selbstständigkeit: „Neugründungen und Startups sind Treiber von Innovationen und insbesondere des digitalen Wandels. Deutschland braucht deshalb Gründerinnen und Gründer“, meint eine Sprecherin. Fehlten heute die Gründer, leide morgen die Wettbewerbsfähigkeit.

Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) gibt der Politik die Schuld an der geringen Gründungsbereitschaft. Sie sei auch „die Folge einer ganzen Serie gründerfeindlicher Gesetze“, kritisiert Andreas Lutz, Initiator und Vorstandsvorsitzender des VGSD. Als Beispiele nennt er eine Vervierfachung der Beiträge zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung und die herrschende Rechtsunsicherheit um das Thema Scheinselbstständigkeit. „Hinzu kommen handwerklich schlecht gemachte Gesetze wie die DSGVO-Umsetzung, die für viel Unsicherheit und bürokratischen Aufwand sorgen.“

Trendwende ist unwahrscheinlich


Der VGSD erwartet für das laufende Jahr jedoch noch niedrigere Gründungszahlen. „Die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht geändert. Eine Trendwende ist aus unserer Sicht daher unwahrscheinlich“, sagt VGSD-Chef Lutz. Und auch die KfW rechnet mit einem weiteren Rückgang. „Die Prognosen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung senden in Summe ein negatives Signal“, teilt Georg Metzger von KfW Research mit.

In der Rangliste der Gründungstätigkeit nach Bundesländern bleibt Berlin an der Spitze. Dort haben im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2018 von 10.000 Erwerbsfähigen jährlich 193 Personen eine selbstständige Tätigkeit begonnen. Hamburg liegt mit 146 Gründern auf Platz zwei. Neu in der Spitzengruppe ist im Jahr 2018 das Land Brandenburg, das seine positive Entwicklung fortsetzt und mit 134 Gründern je 10.000 ­Erwerbsfähige Platz drei erobert. Vermutlich profitiert Brandenburg hierbei von der überdurchschnittlichen Gründungstätigkeit in Berlin, die in die Peripherie der Hauptstadt ausstrahlt. Auf den Plätzen vier und fünf liegen nach wie vor Bayern und Nordrhein-Westfalen, mit 126 und 118 Gründern je 10.000 Erwerbsfähige.

Eine Hoffnung für die Gründerkultur könnte bei den Frauen liegen. Nachdem der Anteil von Frauen an allen Gründungen unerwartet zwei Jahre in Folge verlor, kletterte er 2018 wieder auf 40 Prozent (2017: 37 Prozent). Die Zahl der Existenzgründungen durch Frauen stieg auf 216.000. Dagegen ging es bei der Gründungstätigkeit von Männern weiter leicht bergab. Im Jahr 2018 haben 331.000 Männer eine Existenzgründung realisiert, das sind 5 Prozent weniger als im Jahr davor. Ein Blick auf die Motivlage zeigt, dass für Frauen Unabhängigkeit eine große Rolle spielt: Rund die Hälfte nennt dies als wichtigstes Motiv, bei Vollerwerbsgründungen sogar knapp zwei Drittel. Frauen sehen die Selbstständigkeit hinsichtlich ihrer Anforderungen an Unabhängigkeit offenbar häufig als die bessere Alternative an – insbesondere wenn es um eine Voll­erwerbstätigkeit geht oder minderjährige Kinder zu versorgen sind. Für diesen Trend gibt es bereits einen Begriff: Mompreneurs.

26.09.2019 | 11:52

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