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Deutschland zockt mit dem Geld der Steuerzahler

Die Gasspeicher sind gut gefüllt, aber Deutschland hat unnötig viel dafür bezahlt. Ein Blick auf die Hintergründe zeigt, wie schlecht unser Land auf Notfälle vorbereitet ist, die wahrlich nicht überraschend kommen. Ein Kommentar.

Von Thorsten Giersch

Für Geld kann man alles kaufen – sagt eine deutsche Redensart. Und die ist gerade hochaktuell: Die Bundesregierung hat es geschafft, Deutschlands Gasspeicher zu rund 96 Prozent zu befüllen. Das ist eine nennenswerte Leistung angesichts der Knappheit. Aber die acht Milliarden Euro, die sich Deutschland die Einfuhren hat kosten lassen, muten Fachleuten als unnötig hoch an. Das Bundeswirtschaftsministerium antwortete auf den Vorwurf mit dem Argument, dass Geschwindigkeit eben notwendig gewesen sei, um die Versorgung Deutschland sicher zu stellen.

Dass man das Gas hätte günstiger kaufen können, ist sehr wahrscheinlich, aber nicht einwandfrei zu belegen. Dennoch muss dieses milliardenschwere Vorgehen aufgearbeitet werden und alle Beteiligten sollten daraus drei Lehren ziehen: Erstens sollte auch der Staat genauso Geld ausgeben wie es private Verbraucher oder Unternehmen in der Regel tun: Mit einem vernünftigen Mut-zum-Risiko-Verhältnis. Auch wenn Zeitnot herrschte und niemand vorher genau wissen konnte, wie sich der Gaspreis entwickelt: Das Gas komplett am Spotmarkt einzukaufen, war ein Mittelding zwischen irrwitziger Wette und finanziellem Harakiri. Es gab keine Absicherung gegen fallende Preise. Viel sinnvoller wäre ein Mix aus Terminkontrakten und Spotpreis gewesen. Der Preis für europäisches Erdgas lag am Montag auf dem tiefsten Stand seit Juni. Erst seit dem 5. Oktober kauft Deutschland auch am Terminmarkt ein.

Zweitens braucht es Notfallpläne, damit nicht das passiert was hier passiert ist – nämlich dass das Wirtschaftsministerium ein Unternehmen mit einem Auftrag betraut, dessen gesetzliche definierte Aufgaben ganz andere sind: Die Trading Hub Europe GmbH (THE) hat noch nie in solchem Umfang Gas eingekauft. Die Regierung hätte Marktakteure beauftragen müssen, die damit mehr Erfahrung haben. Zwischen zehn und 20 Prozent hätte laut Fachleuten eingespart werden können, also rund eine Milliarde Euro.

Aber das Allerschlimmste an diesem Malheur ist – das ist die dritte Lehre – die Tatsache, dass die Situation überhaupt entstehen konnte: Es hätte zum einen ein Europa geben müssen, das geschlossen am Markt auftritt und gemeinsam Gas einkauft – anstatt sich auch noch gegenseitig hochzubieten. Zum anderen stellt sich die Frage, warum eine deutsche Regierung auf so einen Notfall derart schlecht vorbereitet ist: Dass es mit Russland zum Konflikt kommen kann und der Gashahn zugedreht wird, ist kein „Schwarzer Schwan“. Es ist kein Zufallsereignis, das uns wie ein Blitz aus dem Himmel trifft. Spätestens seit Putins Einnahme der Krim 2014 hätte das Bundeswirtschaftsministerium Pläne entwickeln können, wie man rasch am Markt Gas einkauft. Dann hätte es sicher eine bessere Lösung als das hastige Mandat für THE gegeben.

Schon in die Corona-Pandemie stolperte Deutschland schlecht vorbereitet. Wenn eine Regierung den Bürgern Sicherheit vermitteln soll, helfen hunderte Milliarden Euro natürlich auch. Viel besser aber wäre, wenn man das Gefühl hätte, dass ein Land mit solchen organisatorischen Fähigkeiten auf wahrscheinliche Risiken vernünftig vorbereitet wäre. Das sollten übrigens auch all die CDU-Politiker bedenken, die jetzt nach Konsequenzen rufen.

19.10.2022 | 10:26

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