(Foto: picture alliance dpa Klaus-Dietmar Gabbert)



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Die AfD muss um ihren Goldschatz fürchten

Bei ihrem Parteitag hat die AfD ein fiktives Bild eines Goldschatzes präsentiert, den ihr ein Anhänger vererbt hat. Er könnte eine Art Lebensversicherung sein, falls die Partei in eine finanzielle Schieflage gerät. Doch Nachkommen des AfD-Gönners machen jetzt der Partei ihr wertvollstes Erbe streitig.

Von Oliver Stock

Eberhard Brett ist Rechnungsprüfer bei der AfD und hatte beim jüngsten Parteitag seinen großen Auftritt. Er berichtete von der Auszählung und Echtheitsprüfung eines Schatzes, den die Partei geerbt hat: Münzen, Goldbarren, Immobilien im Wert von geschätzt mehr als zehn Millionen Euro. Die Summe nannte Brett allerdings nicht, sondern sie ist geschätzt, und auch sonst blieb sein Auftritt im Ungefähren: Profis hätten die Echtheit des Schatzes überprüft. „Das Auszählen war nicht einfach", sagte Brett. Es handle sich um Goldbarren von 500 Gramm und 1000 Gramm Gewicht sowie um Krügerrands, die jeweils eine Unze schwer sind. Brett präsentierte dazu ein Bild der Situation, was allerdings nicht echt, sondern von einer Künstlichen Intelligenz erzeugt war. Deswegen hatte einer der Prüfer sechs Finger, wie aufmerksamen Zuschauern nicht entging. Brett schlug noch vor, die „Goldbestände für den Fall des künftigen Ausbleibens staatlicher Teilfinanzierungen unangetastet lassen“. Dann war sein Auftritt auch schon wieder vorbei.

Der Schatz in den Händen der AfD hat eine inzwischen fünfjährige Geschichte, und es sieht so aus, als würde er auch weiter ein interessanter Fall in der Parteigeschichte bleiben. Nicht nur, weil es die größte Zuwendung ist, die eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik jemals erhalten hat, sondern weil auch der Weg, wie das Gold zur AfD gelangte, interessant und mittlerweile umstritten ist.

Der unter anderem durch patentierte Toilettenspülungen zu Wohlstand gekommene deutsche Erfinder Reiner Strangfeld aus dem niedersächsischen Bückeburg hatte den Bundesverband der AfD 2018 zu seinem Alleinerben eingesetzt. Im selben Jahr nahm er sich das Leben, er verbrannte sich. Zum Nachlass des Ingenieurs zählen weit mehr als 100 Barren des Edelmetalls. Strangfeld arbeitete in den 1970er- und 80-Jahren als Ingenieur für den Sanitärarmaturenhersteller DAL Georg Rost & Söhne in Lerbeck, der heute zu Grohe gehört. Der Ingenieur stammte ursprünglich aus Schlesien, er kam mit seiner Mutter nach Berlin, besuchte dort ein katholisches Gymnasium und studierte. Bei Siemens in Berlin erhielt er eine erste Anstellung als Trainee. Später stellte ihn das Unternehmen August Herzog Maschinenfabrik in Oldenburg an, wo er Flechtmaschinen modernisierte. Aus dieser Zeit stammt seine als Patent eingetragene „Vorrichtung zum Wenden von Flechtmaschinen-Klöppeln“. Bei DAL in Porta Westfalica stieg er zum Prokuristen auf und machte sich Ende der 1980er Jahre als Konstrukteur selbstständig. Insgesamt wurden mehr als 100 seiner Entwicklungen patentiert. Mit seinen Erfindungen wie Toilettendruckspülern und Selbstschlussventilen für WC-Spülungen verdiente er sein Vermögen.

Was diejenigen Reporter, die seinen Lebenslauf unter die Lupe genommen haben, herausfanden, klingt so: Strangfeld lebte bescheiden – abgesehen davon, dass er mal einen Porsche fuhr – in einer Eigentumswohnung in Bückeburg. Mit seinen Nachbarn hatte er kaum Kontakt, sie ahnten nichts von seinem Reichtum. Ehemaligen Kollegen gegenüber äußerte er sich fremdenfeindlich, worauf sie den Kontakt abbrachen. Nach der DAL-Übernahme durch das Unternehmen Grohe 1994 führte er Prozesse wegen vermeintlicher Verschwörung von Wirtschaft und Justiz gegen ihn. Eigenen Aufzeichnungen zufolge wurde er zweimal in psychiatrischen Kliniken behandelt. Das Amtsgericht Bückeburg setzte eine Zeitlang einen Betreuer in geschäftlichen Angelegenheiten für Strangfeld ein.

Nach seinem Selbstmord am 3. Juli 2018 hinterließ Strangfeld der AfD, der er nicht angehört hatte, als Alleinerbin ein Vermögen von damals mehr als sieben Millionen Euro, darunter Goldbarren und -münzen im Wert von etwa drei Millionen Euro und mehrere Immobilien. Die Preissteigerungen der vergangenen Jahre dürften dieses Vermögen noch wertvoller gemacht haben. Die Schätzungen lauten 10 bis 14 Millionen Euro. Die AfD veröffentlichte ihre Erbschaft nach der Prüfung des Falls durch das Bückeburger Nachlassgericht in einer Mitteilung 2020. Erbschaftssteuer muss sie nicht entrichten. Parteien sind davon befreit.

Es könnte allerdings sein, dass die Geschichte damit nicht zu Ende ist. Es besteht ein Risiko, dass die AfD den Schatz wieder verliert. Der „Spiegel“ berichtete Mitte Juni, dass eine Angehörige den Erbschein an die Partei wegen „materieller Unrichtigkeit“ angefochten hat. Der Verstorbene sei im Jahr 2018, als das Testament entstand, psychisch gestört gewesen. Eine Sprecherin des Gerichts in Bückeburg bestätigte der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) den Vorgang. So werde derzeit am zuständigen Amtsgericht geprüft, ob dem Antrag auf Einziehung des Erbscheins stattgegeben werde oder nicht. Wie lange das dauere, sei nicht abzusehen.

Die AfD glaubt nicht daran, dass sie den Schatz wieder abgeben muss. Carsten Hütter, Bundesschatzmeister der AfD, weist gegenüber der NZZ darauf hin, dass jeder, der das Testament anfechte, überzeugende Argumente haben müsse. Die Beweislast liege beim Antragsteller. Ihn erstaune, dass Jahre nach der Testamentseröffnung plötzlich Verwandte auftauchten, um der Partei ihren Anspruch streitig zu machen. Die AfD sieht in dem Goldschatz eine Art Lebensversicherung. Da einzelne Flügel der Partei vom Verfassungsschutz beobachtet werden, muss sie damit rechnen, mit einem Verbotsverfahren konfrontiert zu werden. „Das Erbe“, sagt der Schatzmeister der Partei, „würde uns die Möglichkeit geben, mindestens zwei, drei Jahre den Gesamtbetrieb am Laufen zu halten, bis wir die gegen uns erhobenen Vorwürfe widerlegt haben.“

07.08.2023 | 15:11

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