(Foto: Zalando)



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Die Aufsteiger steigen nicht mehr

Ein Großteil der Dax-Neulinge schwächelt nach der Aufnahme in Deutschlands Leitindex. Es scheint, als wären die Chancen auf weitere Kursgewinne erst einmal ausgereizt. Was Anleger von dieser Katerstimmung lernen können.

Von Oliver Götz

Dass die Saison nach dem Aufstieg die schwierigste ist, ist eine alte Fußballer-Weisheit, gilt aber wohl genauso für die Börse. Traditionell haben es Unternehmen, die den Sprung aus dem MDax in den Dax schaffen, danach erst einmal schwer. Auf die große Party folgt allzu oft ein böser Kater. War man in der zweiten noch erste Liga, ist man in der ersten nun zweite Liga. Aus attraktivem Aufstiegs- wird da schnell trister Abstiegskampf.

In dieser Saison, die seit September läuft, sind es aufgrund der Dax-Erweiterung auf 40 Werte gleich zehn Unternehmen, die ihre Erstliga-Tauglichkeit unter Beweis stellen müssen. Und einmal mehr steht ihre Performance nach dem Aufstieg stellvertretend für eine herbstliche Tristesse. Die Herbstmeisterschaft jedenfalls dürfte eher unter den gefestigteren Erstligisten ausgespielt werden.

Zalando mit katastrophalem Saison-Start

Seit dem 20. September zählt der Dax 40, statt der bis dato festgelegten 30 Werte. Zalando, Airbus, HelloFresh, Brenntag, Puma, Symrise, Siemens Healthineers, Qiagen, Sartorius und Porsche rückten aus dem MDax auf. Abgesehen von Airbus, hatten sie alle im Vorhinein fulminante Rallys herbeigezaubert. Seit dem Dax-Aufstieg aber ist fast allen die Puste ausgegangen. Oder wie im Fall von Zalando: die Luft gleich ganz weggeblieben.

Exakt zum Zeitpunkt der Dax-Aufnahme leitete die Zalando-Aktie die Kehrtwende ein. Der Kurs sackte von 95 auf zwischenzeitlich fast 70 Euro nach unten. Von diesem Tief hat sich die Aktie inzwischen leicht erholt, steht aber seit dem Aufstieg mit 20 Prozent im Minus. Mit diesem Kurssturz bildet Zalando zwar eine Ausnahme, aber auch die restlichen neun Neuen kommen seit ihrem Dax-Aufstieg nicht wirklich in die Puschen.

Die Aktie des Biotech-Unternehmens Qiagen beispielsweise verlor nach dem Sprung in Liga Eins innerhalb von 14 Tagen sieben Prozent an Wert. In der Folge erholte sich das Papier zwar und kletterte zwischenzeitlich auf ein Rekordhoch, das lag allerdings allein an frischen Übernahmegerüchten. Die Aktie der Beteiligungsgesellschaft Porsche hatte als MDax-Wert von Februar bis Juni fast 70 Prozent an Wert hinzugewonnen. Seither läuft sie seitwärts. Der Dax-Aufstieg setzte keine neuen Impulse. Die Aktie des Chemikalienhändlers Brenntag stand kurz vor der Aufnahme in Deutschlands wichtigsten Börsenindex noch bei über 86 Euro. Aktuell kostet sie 80 Euro. Die Papiere des Kochboxenversenders HelloFresh erreichten im August ein Rekordhoch bei 95 Euro – und fielen bis Ende Oktober auf 70 Euro zurück. Starke Quartalszahlen hoben den Kurs vor wenigen Tagen zurück auf 85 Euro. Das Sommer-Hoch ist aber noch nicht wieder erreicht. Ganz ähnlich erging es der Aktie des Aromen- und Duftstoffherstellers Symrise. Im August noch bei 126 Euro notierend, verbilligten sich die Anteilsscheine innerhalb von zwei Monaten auf 112 Euro, ehe sie sich zuletzt wieder erholten.

Nur die Aktie von Puma steht aktuell höher, als vor dem Dax-Aufstieg


Die Liste lässt sich so fortsetzen. Mit Ausnahme von Puma, hat kein Dax-Neuling bislang sein vor der Index-Aufnahme aufgestelltes Rekordhoch übertroffen. Airbus hat es immerhin wieder erreicht.

Nun lief es zu Herbstbeginn an der Börse insgesamt schlecht. Eine längst überfällige Konsolidierung setzte ein und warf den Gesamtmarkt um mehrere Prozent zurück. Kaum eine Aktie blieb davon verschont. Und dennoch: Unter den zehn Dax-Aufsteigern sackten in dieser Phase viele Werte auffallend stark nach unten ab, während sie im Anschluss dann teilweise die wiedereinsetzende Rally nicht mitgehen konnten. Der Dax schließlich steht mit 16.040 Punkten auf einem Rekordhoch. Seit dem 20. September, also dem Tag seiner Erweiterung, ist er um über sechs Prozent nach oben geklettert.

Alt schlägt jung

Es ist offensichtlich: Diese starke Performance verantworten „Traditionsklubs“ wie Merck, Linde, SAP, Infineon oder Daimler. Den zehn Aufsteigern fehlen hingegen die Impulse.

Besonders überraschend kommt das nicht. In der Regel puscht die Chance auf einen möglichen Index-Aufstieg den Kurs der betroffenen Aktien im Vorfeld. Zum einen lassen Investoren den Kurs und damit einhergehend die Marktkapitalisierung steigen, damit es die Aktie auch tatsächlich in den höheren Index schafft. Zum anderen rechnen sie damit, dass die Aufsteiger in eine Vielzahl von ETFs neu aufgenommen werden müssen, was automatisch den Kurs nach oben treibt. Und dann gibt es da natürlich noch die Spekulanten, die mit auf den Zug aufspringen und manch Aktie in Sphären treibt, die von den Unternehmen realwirtschaftlich nicht zu untermauern sind.

Die Quittung dafür gibt es dann meist eine Etage höher. Oft bekommen die dann Privatanleger ab, die den Aufstieg in der Hoffnung auf weitere Gewinne zum Einstieg nutzen. Schließlich spräche einiges dafür: die erhöhte Aufmerksamkeit, die Index-Aufnahmen, der starke Trend, der das Unternehmen letztlich überhaupt erst hat aufsteigen lassen. Allein, häufig ist all das bereits im Vorhinein von Profi-Investoren eingepreist worden.

Privatanleger können vom Herbst-Blues der zehn Dax-Neulinge also auf jeden Fall etwas lernen: Index-Aufsteiger sollte man aufsteigen lassen und ihnen Zeit geben sich in der neuen Liga zu etablieren. Dann lässt sich über einen Einstieg nachdenken – wenngleich es am Ende natürlich immer auch die Einzelfallbetrachtung braucht.

10.11.2021 | 08:56

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