Die Pioniere: Blickfeld zählt Kamele in Ägypten
„Titanen“, „Transformatoren“ und „Pioniere“ heißen die Kategorien, in denen der Mittelstandspreis der Medien verliehen wird, an dem auch Focus online beteiligt ist. Ausgezeichnet wurden an diesem Wochenende Unternehmen, die sich in der Krise als besonders widerstandsfähig erwiesen haben. Wir stellen in einer dreiteiligen Serie die Gewinner vor. Hier kommt der „Pionier“.
Von Björn Hartmann
Pioniere erkunden Neues. Sie sehen ein Problem, wollen es möglichst einfach und möglichst gut lösen. Sie sind hartnäckig. Und manchmal ist das Ergebnis so gut, dass es viele andere Probleme gleich miterledigt, Probleme, die mit der Ausgangsaufgabe gar nichts zu tun haben. Und dann lässt der Pionier die Konkurrenz hinter sich. Wie Blickfeld aus München – Preisträger in der Kategorie „Pioniere“. Sie haben, so erklärt die Jury des Preises diese Kategorie, „etwas völlig Neues gewagt und alles gewonnen haben“.
Die Blickfeld-Gründer Mathias Müller, Florian Petit und Rolf Wojtech fragten sich, wie Roboter und selbstfahrende Autos ihre Umgebung besser erkennen können. Sie starteten 2017 in einem Keller, wo sie Prototypen unter dem Mikroskop zusammenbauten. Inzwischen ist das Unternehmen weltweit tätig, hat gerade Büros in den USA und China eröffnet. Und es entstehen immer neue Geschäftsfelder. Von Krise Blickfeld wenig.
„Unsere Sensoren kommen in immer mehr Anwendungen in den Bereichen People Counting, Security und vor allem Volume Monitoring zum Einsatz“, sagt Petit, CXO des Unternehmens. Gerade beim Messen von Schüttgütern steige die Nachfrage stark. Mit Blickfelds Lösung, einer kleinen schwarzen Box, die Laserstrahlen aussendet und empfängt inklusive einer innovativen Software, werden heute Berge von Kupferkonzentrat in Kanada gemessen, Kamele in Ägypten gezählt, Küsten in den USA überwacht. Die Geräte helfen, am Frankfurter Flughafen, Besucherströme vorherzusagen, und verbessern den Schutz großer Gelände. Der US-Landmaschinenhersteller AGCO nutzt Blickfelds Geräte, um seine Fahrzeuge effizienter zu machen. Und die Fachhochschule Aachen will sie in einem Assistenzsystem einsetzen, das das Rangieren von Güterzügen vereinfacht.
Blickfeld nutzt die sogenannte Lidar-Technik (Light Detection and Ranging/Erkennen und Messen mit Licht). Dabei wird ein Laserstrahl ausgesandt und gemessen, ob er zurückgeworfen wird und wie lange das Licht dafür braucht. Wenn der Laser einen ganzen Bereich abtastet, entsteht ein Bild, ein Abstandsfoto.
Die Technik gibt es seit mehr als 40 Jahren, Konkurrenten von Blickfeld setzen schon mal 100 Millionen Euro damit um. Doch die drei Gründer hatten eine dieser Ideen, die eine ganze Sparte revolutionieren. Der gerade einmal faustgroße Sensor misst den Abstand nicht nur von einem Punkt, sondern von maximal mehreren Hunderttausend Punkten – dank eines patentierten Spiegelsystems. Die daraus entstehende Punktwolke gibt ein sekundengenaues räumliches Abbild der Umgebung. Weil die Lidar-Sensoren ein weites Sichtfeld haben, reichen wenige Sensoren aus, um auch große Areale zu erfassen.
Um die Datenmengen, die der Sensor liefert, analysieren zu können, hat Blickfeld eine Software entwickelt, die sich über einen Webbrowser bedienen lässt. Sie kann dann berechnen, wie viel Kupferkonzentrat in der Halle lagert, wie viel Kamele in der Wüste stehen oder wann es an welchem Check-in-Schalter sehr voll werden kann. Ob sich ein Mensch auf einen geschützten Zaun zubewegt oder nur ein Fuchs den Alarm ausgelöst hat. Und natürlich erkennt der Sensor Objekte, die auf Schienen liegen oder einem autonom fahrenden Auto den Weg versperren.
150 Beschäftigte hat das Unternehmen inzwischen, Tendenz steigend. Beim Umsatz ist Petit sehr selbstbewusst: „Unser Ziel ist, jedes Jahr um mehr als 100 Prozent zu wachsen.“
30.10.2022 | 14:55