Sind bald nur noch die Bürogebäude groß? Deutschlands Banken verlieren das Vertrauen und schlittern weiter in die Krise. (Foto: engel.ac / Shutterstock)



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Die Verzwergung der deutschen Banken geht voran

In der Beziehung zwischen Hausbanken und Betrieben knirscht es gewaltig. Mehr als die Hälfte der Betriebe wollen ihrer Bank den Rücken kehren oder haben das schon gemacht. Der Unmut der Unternehmer trifft die Banken in einer Phase, in der sie auch bei Privatkunden Minuspunkte sammeln. Manche verlegen sich auf ein riskantes Geschäftsfeld.

Von Anke Henrich und Oliver Stock / WirtschaftsKurier

Der Urvater der deutschen Lyrik, Walther von der Vogelweide, hätte nicht schöner säuseln können: „Dank unserer mittelständischen Wurzeln sind wir verlässliche Partner des deutschen Mittelstands“, schmeicheln die Volks- und Raiffeisenbanken. „Wir leben mit Leidenschaft unsere Tradition als Globale Hausbank“, tönt die Deutschen Bank. Und Sparkassen versprechen Unterstützung „unbürokratisch und flexibel in jeder Unternehmensphase“.

Was so wunderbar klingt, hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun: Knapp 60 Prozent der kleinen und mittelgroßen Unternehmen in Deutschland wollen ihrer Hausbank den Rücken kehren oder haben diesen Wechsel schon vollzogen. Das zeigt der „Finanzierungsmonitor 2020“ des Kreditvermittlers Creditshelf. Die miesen Noten von Unternehmerinnen und Unternehmern für die Hausbanken fallen in eine Zeit, in der auch Privatkunden über Filialabbau und höhere Preise für Serviceleistungen wie die Kontoführung klagen. Allein die Commerzbank rechnet deswegen bis zum Jahr 2024 mit zwei Millionen Kunden weniger. Verzwergen sich unsere Banken?

Die Unternehmer jedenfalls stimmen ein Klagelied an. Sie bemängeln lange Prüfprozesse, Bürokratie und hohe Zinsen. Kleine und mittelgroße Betriebe kommen schwerer an Kredite ist tatsächlich ein dazu passendes Ergebnis einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Diplomatisch drückt es deren Chefsvolkswirtin, Fritzi Köhler-Geib, so aus: „Banken vergeben Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zunehmend restriktiver, sie bleiben bei der Verschärfung ihrer Kreditvergabepolitik allerdings maßvoll.“ Robert Ullmann, Controlling-Experte beim Software-Spezialisten Wolters Kluwer Tax & Accounting, ergänzt. „Banken wollen häufiger und detaillierter über die Finanzen ihrer Kreditnehmer informiert werden, fordern in kürzeren Abständen Szenario-Rechnungen und oftmals auch Planbilanzen an.“

Für die Unternehmen bedeute das ein höherer Aufwand, der aber nach Meinung des Steuerexperten aber durchaus seine Berechtigung hat: „Tatsächlich haben viele Unternehmen ihre Liquiditätsentwicklung nicht täglich im Blick“, stellt Ullmann fest. Oft seien die internen Berichtszyklen zu lang, Prozesse zu unklar oder langwierig. Unternehmen sollten ihre Zahlungsströme stärker überwachen und zur Anpassung der Zahlungsmodalitäten auch Informationen externer Datenanbieter nutzen, rät er.

Dennoch: Die Klage der Unternehmen ist eine Ohrfeige für die Geldhäuser. Seit Jahrzehnten liefern sich Privatbanken und Landesbanken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie ausländische Anbieter einen brettharten Wettbewerb um das Firmenkundengeschäft. Doch es läuft nicht rund: Die Deutsche Bank senkte ihre Ertragsprognose in dieser Sparte 2021 von drei auf ein Prozent Wachstum. Michael Kotzbauer, Chef des Firmenkundengeschäfts der Commerzbank, stimmte seine Kunden im Februar via Handelsblatt auf neue Zins-Zeiten mit risikoadäquaten Margen ein. „Kredite waren viele Jahre lang zu billig - das ist ein zentrales Problem des deutschen Bankensektors.“

Auch liquide Unternehmen müssen sich deshalb auf höhere Finanzierungskosten einstellen. Ein weiterer Grund dafür liegt in neuen Vorschriften, die den Banken immer höhere Eigenkapitalvorräte abverlangen, um Ausfällen vorzubeugen. Zudem werden die Rating-Agenturen auf Basis der 2020er Zahlen mit dem Abstufen an Corona leidender Unternehmen beginnen, was deren Bonität verschlechtern dürfte.

In dieser Phase schauen neue Geldgeber interessiert auf das Beziehungstief zwischen Hausbanken und Unternehmen. Benjamin Schöfer, Referent Wirtschaft und Politik beim Deutschen Mittelstandsbund, beobachtet: „Kreditgeber mit Hang zu höherem Risiko dürften bald noch stärker gefragt werden. Finanzierungsinstrumente von institutionellen Investoren außerhalb des Bankensektors werden immer beliebter“.

Dirk Schiereck, Professor für Corporate Finance an der TU Darmstadt, hält das für keine schlechte Entwicklung. Aber er warnt: „Alle reden jetzt über Fördergeld. Dabei müssen viele Betriebe dringend ihre Eigenkapitalbasis erhöhen, um nicht in einen Investitionsstau hineinzulaufen“. Schiereck spielt damit auf Ergebnisse des „Finanzierungsmonitor“ an, der im vergangenen Sommer Unternehmer gefragt hatte: Welche geplanten Aktivitäten werden sie wegen Corona verschieben? Am häufigsten genannte Antworten waren: Projekte zur Digitalisierung, Wachstumsfinanzierung, Klimapolitik und Nachfolge.

Für die etablierten Banken ist das alles keine gute Nachricht: Privatkunden wechseln zu günstigen Online-Anbietern, Betriebe schauen sich nach Alternativen um und das Risiko von Kreditausfällen nimmt trotzdem rasant zu. Die Deutsche Bank hat sich vor diesem ungemütlichen Hintergrund bereits auf ein Geschäftsmodell besonnen, dem sie schon einmal abgeschworen hatte: das Investmentbanking, also die Vermögensverwaltung für ihre Kunden, der Handel mit Wertpapieren sowie die Unterstützung von Unternehmen bei Kapitalmaßnahmen, etwa einem Börsengang. Läuft dieses Geschäft, ist es lukrativ und hinterlässt, wie bei der Deutschen Bank gerade, Milliardengewinne. Allerdings hat es etwas von einer Atombombe: Wenn es mal nicht läuft, kann es ganze Banken in den Abgrund reißen.

10.05.2021 | 13:39

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