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Divergenz – das Wort des Jahres 2016

Während Fed-Chefin Janet Yellen vorsichtig die Zinswende in den Vereinigten Staaten einleitet, setzt EZB-Chef Mario Draghi weiterhin auf eine Ausweitung der Euro-Geldmenge. Der Unterschied der Notenbankpolitik in den USA und in Europa wird die Märkte im kommenden Jahr maßgeblich beeinflussen. Das meint jedenfalls Dirk Heß, Citigroup Global Markets Deutschland AG.

Endlich. Im Dezember hat die US-Notenbank zum ersten Mal seit Jahren die Zinsen erhöht und damit offiziell die Wende ihrer Leitzinspolitik des ultraleichten Geldes eingeleitet. Dieser Schritt war gleich in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen setzt die Fed endlich um, was sie schon so lange angekündigt hatte. Den markigen Worten folgen nun Taten. Das war nötig, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zum anderen gewinnt die Fed wieder an Handlungsspielraum. Bei Zinsen unter null wird eine Notenbank irgendwann obsolet. Das weiß auch Janet Yellen. Mit der Leitzinserhöhung setzt sie deshalb auch ein Zeichen der Selbstvergewisserung. Die Botschaft lautet: Hey Folks, seht her, wir können auch anders!

Die Fed wäre nicht die Fed, wenn sie nicht jeder aktuellen Botschaft unterschwellig auch gleich eine andere für die kommenden Monate mitgeben würde. In diesem Fall lautet sie: Erwartet nach Silvester nicht noch mehr Lametta. Weitere Zinserhöhungen werden, wenn überhaupt, nur noch in kleinen Dosen folgen. Die Fed muss schließlich auch die Risiken im Blick behalten. Dazu gehört etwa die angespannte Lage im US-Energiesektor. Viele Öl- und Gasförderer stecken tief in Schulden. Die anhaltend niedrigen Energiepreise machen ihnen das Leben schwer.

Dazu kommt, dass die Fed mit weiteren deutlichen Zinserhöhungen auch den hoch verschuldeten Eigenheimbesitzern zusetzen würde. Ein weiterer Risikofaktor ist, dass viele börsennotierte Unternehmen in den vergangenen Jahren die günstigen Zinsen dazu genutzt haben, hohe Kredite aufzunehmen, um eigene Aktien zurückzukaufen. Weitere kräftige Zinserhöhungen würden also sowohl die Wirtschaft als auch den Aktienmarkt unangenehm berühren. Die Wahrscheinlichkeit ist somit gegeben, dass der kommende Zinserhöhungszyklus sehr mild ausfallen wird.

Ein Zeichen ist gesetzt

Trotzdem: Ein Zeichen ist gesetzt. Die US-Wirtschaft wächst. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Deshalb kann die Fed damit kokettieren, weitere kleinere Zinserhöhungen folgen zu lassen. Es wäre die Bestätigung ihrer Abkehr von der Politik des ultraleichten Geldes. In der Eurozone, in Japan und in vielen Schwellenländern dagegen ist eher mit weiteren konjunkturellen Stimuli der Notenbanken und somit divergierenden Zinsen zu rechnen.

Diese zunehmende Divergenz wird 2016 nicht ohne Folgen bleiben. Wobei natürlich die Frage offen bleibt, ob sich die Trends der vergangenen Monate einfach fortschreiben lassen. Seit Anfang 2014 ist der US-Dollar-Index bis heute um mehr als 25 Prozent nach oben geschossen. Der starke Dollar hat zuletzt zu Rückflüssen aus den Emerging Markets geführt. Die internationalen Investoren haben in erheblichem Umfang Gelder abgezogen und in US-Dollar angelegt oder in den USA aufgenommene Schulden zurückgezahlt. Zudem leiden solche Länder, die viele Rohstoffe exportieren, wie etwa Brasilien oder Chile, unter dem Rückgang der Rohstoffpreise.

Rohstoffe: Schwellenländer unter Druck

Die Schwellenländer-Börsen sind wegen des Rückganges der Rohstoffpreise zum Teil erheblich unter Druck geraten. Das heißt aber nicht, dass sich diese Entwicklung im kommenden Jahr fortsetzen muss. Es könnte auch sein, dass die Märkte eine Zinswende in den USA vorweggenommen haben und die aktuell niedrigen Bewertungen von Schwellenländer-Aktien eine Investitionschance sind.

Für Anleger aus dem Euroraum könnte ein stärkerer Dollar aber auch ein Anreiz sein, in US-Aktien zu investieren, um nicht nur Kurs- und Dividenden- sondern auch Währungsgewinne zu generieren. Ein schwächerer Euro bedeutet jedoch auch, dass europäische Unternehmen international an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Hier ist Augenmaß gefragt. Das übrigens könnte auch das Motto für das Jahr 2016 sein. Mit pauschalen Antworten wird man den Fragen, die sich angesichts der konjunkturellen und zinspolitischen Ungleichgewichte jenseits und diesseits des Atlantiks auftun, im kommenden Jahr jedenfalls nicht begegnen können.

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01.01.2016 | 14:47

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