(Bild: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer)



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Elchtest: „Dänisches Bettenlager“ benennt sich um und greift Ikea an

Der Matratzenhändler will sein Sortiment deutlich erweitern, sucht neue Standorte in Deutschland und hat sich umbenannt. Kann er dem Platzelch gefährlich werden?

Wer in Deutschland einen Schrank, einen Tisch oder ein Bett kauft, landet sehr oft bei Ikea. Mehr als 15 Prozent Marktanteil im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 - das war Spitze. Danach kommt XXXL Lutz und dann kommt eine Weile gar nichts mehr. Jetzt allerdings rüttelt jemand an dieser wie mit dem Inbusschlüssel festgezogenen Reihenfolge. Zumindest will er nicht mehr in der Rubrik „Sonstige“ im Verborgenen bleiben.

Der Kandidat, der sich da ins Rennen begibt, heißt Jysk und ist an sich ein alter Bekannter: Seit 1984 gibt es hierzulande in jeder großen und kleinen Stadt, an jeder mehr oder weniger attraktiven Ecke das „Dänische Bettenlager“. In diesem Sommer haben die Dänen den Namen ihres internationalen Mutterkonzerns angenommen und nennen sich Jysk. Mit der Namenstaufe soll eine Expansion einhergehen. Vor allem in Deutschland wollen die Dänen aufrüsten. Was sich anbahnt, ist ein skandinavischer Zweikampf zwischen Dänen und Schweden mit Austragungsort Deutschland. Es wird spannend.

 Jysk gibt es seit 1979 und die dänischen Matratzenhändler sind so gar nicht das, was ihren Landleuten nachgesagt wird: „Hygge“ jedenfalls, diese dänische Lebensart mit Kerzenlicht und Gemütlichkeit, steht geschäftlich bei Jysk nicht oben an. Denn dort geht es um Wachstum: 50 Länder beliefern die Dänen, 3000 Läden führen sie weltweit. Schwerpunkt ist ganz klar Deutschland: 7000 und damit deutlich mehr als jeder vierte der 26500 Yysk-Mitarbeiter empfiehlt den Deutschen eine Matratze aus dänischem Hause.

Dem gegenüber steht der schwedische Möbelriese. Er ist schon zehn Jahre länger als die Dänen in Deutschland im Geschäft und hat nicht zuletzt deswegen einen Vorsprung. 18000 Mitarbeiter verkaufen zwischen Kiel und München in 53 Märkten Billy, Brunkrissla, Dryckjom und Co. Im jüngsten Geschäftsjahr 2019/20 erzielte das „Dänische Bettenlager“ trotz Corona-Krise 1,128 Mrd. Euro Umsatz in Deutschland. Ikea Deutschland kann einen Umsatz von 5,325 Mrd. Euro in der gleichen Zeit vorweisen.

Nun aber beginnt die Aufholjagd. Mit der Umbenennung vom Dänischen Bettenlager zu Jysk soll aus dem Matratzenlager ein Life-Style-Handel werden. „Store Concept 3.0“ nennt sich der Plan dahinter. „Neue Store Designs, ein komplett neugestalteter Online-Shop und neue Sortimente sollen zum Ausdruck gebracht werden“, beschreibt Deutschland-Chef Christian Schirmer, die Angriffs-Strategie. Was bedeutet das konkret? Eine einheitlichere Produktlinie, ruhige Farben - und dann kommt der erste Kern der Offensive: Fast die Hälfte des Sortiments soll erneuert werden. Was Schirmer weiß: Der Mensch verbringt rund ein Drittel seines Lebens im Bett, trotzdem sind die Deutschen Matratzenmuffel. Sie kaufen sich durchschnittlich nur alle zehn bis zwölf Jahre eine neue Schlafunterlage. Für Schuhe geben sie das Zehnfache aus. In ihrer Lebenszeit nimmt eine Matratze im Schnitt 320 Liter Schweiß auf. Das entspricht zwei gefüllten Badewannen. Bisher hat der Handel es nicht geschafft, aus dem Matratzenkauf ein Erlebnis zu machen. Die Eckläden, die an Ausfallstraßen mit Neonlicht und immer im Ausverkauf Kunden ins Bett bringen wollen, sind das Gegenteil von einem Einkaufserlebnis.

Zweiter Kern der Jysk-Offensive: Nicht nur das Sortiment soll erneuert und ausgebaut werden, auch die Zahl der Geschäfte wird deutlich steigen von 970 derzeit auf 1150. Das Ziel: Überall soll ein Jysk Geschäft innerhalb von 20 Minuten zu erreichen sein, fordert Jan Bøgh, CEO aus Dänemark und damit Schirmers oberster Boss. Auch Ikea geht in diese Richtung: Die Schweden eröffnen immer mehr kleinere Geschäfte in den Innenstädten, um nicht nur am Stadtrand mit dem Auto erreichbar zu sein.

Der einheitliche Umbau aller Läden hat bei Jysk bereits im vergangenen Monat begonnen. Der Prozess bis hierher war für alle Seiten nicht immer ganz schmerzfrei: Im August des vergangenen Jahres wusste Deutschland-Chef Schirmer noch nichts von der Namensänderung und wies entsprechende Fragen zurück: „Eine Namensänderung ist nicht geplant“, sagte er in einem Interview. Ein paar Monate und vermutlich einige Telefonate und Videokonferenzen später, ist der Beschluss, dass aus dem Bettenlager nun Jysk wird, doch auch in Deutschland angekommen. Es gehe um ein einheitliches Selbstverständnis. Es sei nicht eine Umbenennung, sondern eher eine Transformation, sagt Schirmer inzwischen. Bøgh spricht von einem großen Schritt. Und zu spekulieren, dass beide nicht zuletzt den schwedischen Platzelch im Kopf haben, der weltweit auf einen einheitlichen Auftritt bis zur letzten Blumenvase setzt, ist sicher nicht verboten.

Und wie läuft der Online-Shop? Viele Kundinnen und Kunden des „Dänischen Bettenlagers“ sind seit Jahren auf die eigenen Online-Angebote umgestiegen. „Online orientieren und im Geschäft einkaufen gehen“, beschreibt Schirmer das Verhalten der Kunden, eine Erfahrung, die auch Ikea macht. Die Schweden haben ihren Online-Shop sowie die Möglichkeit des sogenannten „Click and Collect“ während Corona ausgebaut. Der Anteil beträgt inzwischen 16,2 Prozent am Gesamtumsatz – das sind 6,8 Prozent mehr als im Vorjahr.

Während Ikea der große Konkurrent bleibt, gibt es gerade im Netz auch andere Wettbewerber. Bett1oder Startups wie Emma, Casper und Bruno könnten Jysk noch Kopfschmerzen bereiten. Der Markt ist in Bewegung geraten, weil alle merken: Wer nicht investiert, fällt hinten runter. So wurde 2019 Matratzen Concord für nur fünf Millionen Euro vom asiatischen Finanzinvestor Magical Honour aufgekauft. Die Chinesen verpflichteten sich 15 Millionen in die 830 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu investieren. Bislang ist ihnen der Durchbruch aber nicht gelungen. Noch sind Livestyle und Matratzenhändler zwei Welten, die nicht zueinander gefunden haben. Schuld am mäßigen Image ist auch ein selbstgemachter Skandal in der Branche. Vor zehn Jahren war das sogenannte Matratzen-Kartell aufgeflogen: Mehrere Händler und Hersteller waren damals von einer Durchsuchung überrascht worden und mussten sich gegen die Vorwürfe verteidigen, durch illegale Absprachen absurd hohe Preise für viel Luft im Schaumstoff zu verlangen.                 

Annika Block

02.11.2021 | 09:08

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