Will vor Ablauf seines Vertrags den Konzern verlassen: Eon-Chef Johannes Teyssen (Bild: picture alliance).



Karrierealle Jobs


„Du bist nicht mehr im Amt, wenn das Auto nicht losfährt“

Johannes Teyssen geht bei EON. Er hat die Energiewende gemanagt, wie kein zweiter. Aktionäre vertrauen dem Unternehmen weiter. Aufsichtsrat könnte schon im Dezember einen Nachfolger bestellen.

Er macht ernst. Johannes Teyssen, 61 Jahre alt will seinen 2021 auslaufenden Vertrag als Chef des Energieversorgers EON tatschlich nicht verlängern. Möglicherweise wird der Aufsichtsrat schon im Dezember einen Kandidaten für den Vorstandsvorsitz auswählen.  Dabei stehen die Chancen für Leonhard Birnbaum nicht schlecht, er ist im vergangenen Jahr als EON-Vorstandsmitglied an die Spitze des Energieunternehmens Innogy gerückt und für die Integration von EON und Innogy verantwortlich.  Eine offizielle Stellungnahme zum geplanten Wechsel an der Spitze gibt es von EON noch nicht.

Gehen, solange es andere noch bedauern

Die Mitarbeiter von EON allerdings haben heute auf einen kleinen Imagefilm schauen können, den das Unternehmen im vergangenen Jahr produziert hat. Darin plaudert die Autorin und TV-Moderatorin Amelie Fried mit Teyssen – mal bei zugigem Wind auf dem Dach des EON-Hauptgebäudes in Essen, mal als Beifahrerin in einem selbstverständlich elektrisch fahrenden Auto mit dem Konzernchef am Steuer, und zum Schluss ganz entspannt beim Spaziergang durch den Park. „Wir“, sagt Teyssen da und meint nicht zuletzt sich selbst, „haben die Voraussetzung geschaffen, um unsere Zukunft wieder gestalten zu können.“ Das sei nicht selbstverständlich nach der existenziellen Krise, die die deutschen Energiebranche im Zuge der politisch verordneten Energiewende durchgemacht hat. Er empfinde, sagt Teyssen, Dankbarkeit, bei der Neuaufstellung des Konzerns mitgewirkt zu haben. Und dann kommt der Satz, den schon damals alle mitgeschrieben haben: „Man sollte gehen, solange es noch manche gibt, die das bedauern.“

Wenn Teyssen dem Konzern als Chef den Rücken kehrt, geht einer der dienstältesten Dax-Vorstände des Landes. 19 Jahre wird der Manager dann an der Spitze des Energieversorgers gestanden haben. Sein Werk ist es, die Folgen der Energiewende für den Konzern gemanagt zu haben.

Als der studierte Jurist, der 1989 bei der hannoverschen PreussenElektra seine Karriere begann und auch noch als er im Jahr 2001 bei EON Energie in München das Finanzressort übernahm, hatten Energieversorger eine Art Lizenz zum Gelddrucken. Um Strom zu gewinnen, nutzten die Versorger so ziemlich jeden denkbaren Energieträger: Der Strom stammte aus Kohle-, Gas-, Öl- oder Atomkraftwerken. Die paar Windräder und Solarkraftwerke waren noch nicht wirklich der Rede wert. Der Wettbewerb war überschaubar und die Versorger hatten ihre fein abgezirkelten Regionen, in denen sie fast ein Monopol besaßen.

2011 klatschte eine Tsunami-Welle an die Ostküste von Japan und zerstörte das Atomkraftwerk von Fukushima, worauf die Bunderegierung in Deutschland die Kernkraftwerke abschaltete, bzw. einen langfristigen Plan dafür ins Auge fasste. Gleichzeitig machte die EU-Kommission ernst und stellte die Energieversorger unter den Generalverdacht der Wettbewerbsbehinderung. Seither wird in der Branche umgebaut mit wechselndem Erfolg. Teyssen spaltete EON auf in einen Teil, der unter dem hergebrachten Namen die Zukunft bauen sollte: Es geht um Energienetze, Dienstleistungen und erneuerbare Energien. Der andere Teil, wo das bisherige konventionelle Geschäft betrieben wird, heißt Uniper. Nachbar RWE ging einen ähnlichen Weg, gründete 2016 Innogy aus, ließ es an die Börse stolpern, wo es Teyssen zwei Jahre später einsammelte und im Einvernehmen mit RWE schließlich mit EON verschmolz. Eine SMS von ihm an den damaligen RWE-Chef Rolf-Martin Schmitz habe die Sache ins Rollen gebracht, erinnert sich Teyssen inzwischen mit einigem Stolz. Die Rangordnung unter den Energieversorgern ist seither klar – Teyssen ist deren ungekrönter Anführer.

Abschied eines Outperformers

Und die Investoren lieben ihn dafür: Das US-Analysehaus Bernstein Research hat erst diese Woche die Einstufung für EON auf „Outperform“ belassen. Stromnetze seien für die Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes von entscheidender Bedeutung, schrieb Analystin Deepa Venkateswaran in einer Studie. Eon gehöre zu den Aktien, die von diesen Chancen profitieren dürften. Da Teyssens Abgang in Sicht war, reagierte die Aktie auf die neuerliche Ankündigung kaum.

Im Spaß hat Teyssen einmal gesagt: „Du weißt, dass Du nicht mehr im Amt bist, wenn Du hinten ins Auto steigst und es fährt nicht los.“ Genau das könnte er bereits Anfang nächsten Jahres erleben. Als Domizil für eine Auszeit könne er sich das kanadische Vancouver vorstellen, gesteht er im Video für die Mitarbeiter. Dort verschmelzen aus seiner Sicht amerikanische Tugenden wie Fortschrittsglaube und Optimismus mit europäischen Werten wie Nachhaltigkeit und Tradition. Allzulange dürfte die Auszeit nicht währen. Teyssen könne sich vorstellen, nach zwei Jahren an die Spitze des Aufsichtsrats zu rücken, heißt es im Umfeld des Konzerns.                  

oli

 

18.11.2020 | 15:53

Artikel teilen: