Die EU will mehr Geld, aber wirft das, was sie hat, zum Fenster hinaus
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verlangt von den Mitgliedsländern mehr Geld für den EU-Haushalt. Doch die jüngsten Sonderberichte des Europäischen Rechnungshofes zeigen: Von der europäischen Batterieproduktion bis zu einer gemeinsamen Verteidigungspolitik – überall laufen Projekte, bei denen Geld verplempert wird.
Der EU geht das Geld aus. So jedenfalls hat es jetzt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dargestellt. Einen europäischen „Souveränitätsfonds“, vor wenigen Monaten als Antwort auf das massive grüne Subventionsprogramm der USA ins Leben gerufen, hat sie deswegen wieder verworfen. Stattdessen sollen die Mitgliedstaaten zusätzliche zehn Milliarden Euro bereitstellen, um bestehende EU-Programme aufzustocken. Insgesamt brauche die Kommission für die kommenden vier Jahre 65,8 Milliarden Euro extra, sagte von der Leyen. Das sei ein „absolutes Muss“, fügte sie hinzu und begründete die klamme Finanzsituation mit Ausgaben, die an die Ukraine geflossen, aber so nicht eingeplant gewesen seien. Die nationalen Politiker hört man seither stöhnen. Der deutsche Finanzminister Christian Linder (FDP) ging bereits in Abwehrhaltung. Deutschland werde kein zusätzliches Geld bereitstellen können, sagte er.
Da lohnt es sich, die Ausgaben der EU kritisch unter die Lupe zu nehmen, um festzustellen, ob das reichlich verteilte Geld wirklich gut angelegt ist. Für eine solche Kontrolle zuständig ist der Europäische Rechnungshof. Und was er allein in den letzten Wochen in mehreren Sonderberichten zutage förderte, spricht nicht für eine effektive Verteilung der Milliardensummen aus Brüssel.
So waren die Ziele hochgesteckt, als die EU 2018 ihre Batteriestrategie verkündete. Die europäische Autoindustrie sollte zentralen Bauteile ihrer Elektromobile künftig selbst herstellen, hatte von der Leyens Vorgänger Jean-Claude Juncker gefordert. Tatsächlich werden inzwischen einige Batteriefabriken in Europa gebraut, doch ein jetzt erschienener Bericht des Rechnungshofes zeigt, dass das Ziel eine bedeutende Produktion in der EU auf die Beine zu stellen, verfehlt wird: Die Produktion in Europa sei noch immer teurer als in anderen Regionen, die Versorgung mit kritischen Rohstoffen nicht gesichert, und der amerikanische Inflation Reduction Act locke Investoren eher in die USA. Das Ergebnis ist trübe vor dem Hintergrund, dass die EU allein bis 2020 schon rund 1,7 Milliarden Euro für Forschungs- und Demonstrationsprojekte im Batteriebereich ausgegeben hat. Die Mitgliedstaaten subventionierten danach den Bau neuer Fabriken mit rund sechs Milliarden Euro, weiteres Geld fließt aus dem europäischen Wiederaufbaufonds.
Die Batterieproduktion in Europa wird dadurch zwar von 44 Gigawattstunden im Jahr 2020 auf rund 1200 Gigawattstunden im Jahr 2030 steigen später. Doch das reicht laut der Analyse der Prüfer allenfalls aus, die zusätzliche europäische Nachfrage nach Elektromobilen zu decken. An den Verhältnissen auf dem Weltmarkt würde sich kaum etwas ändern. 2021 beherbergte Europa nicht mehr als sieben Prozent der globalen Kapazitäten in der Batterieproduktion. China dagegen hält einen Anteil von mehr als 75 Prozent. Größte Hürde für die Europäer ist der Mangel an Rohstoffen. Lithium, Kobalt, Mangan. Die wichtigsten Materialien für die Akkuherstellung kommen zu mehr als 80 Prozent aus dem Ausland. Freihandelsverträge mit Lieferländern, die den Nachschub sichern, fehlen. Während die EU in erster Linie die Kosten für Entwicklung und Investitionen bezuschusst, fördern die USA auch die Produktion der Akkus mit milliardenschweren Steuervorteilen. Das erzeuge „eine Reihe von Anreizen, Batteriefabriken in die USA zu verlegen“, schreiben die Prüfer.
Ein anderes Beispiel, das der Rechnungshof ausgegraben hat, betrifft direkt das Finanzgebaren innerhalb der Union: Im Juni 2021 brachte die Kommission das größte Anleiheprogramm ihrer Geschichte auf den Weg. Im Rahmen des gänzlich durch Schulden finanzierten Programms NextGenerationEU sollen bis 2026 rund 800 Milliarden Euro durch die Emission von EU-Anleihen mobilisiert werden. Der Rechnungshof überprüfte, ob
die Kommission wirksame Systeme zur Verwaltung der Schulden entwickelt hat. Ergebnis:
Die „im Rahmen des Schuldenmanagements erbrachten Leistung wurden nur in begrenztem
Umfang gemessen und es wurde nur in begrenztem Umfang darüber Bericht erstattet“.
Außerdem verlasse sich die Kommission bei ihrem Schuldenmanagement „in hohem Maße auf Zeitbedienstete. Die sind schnell mal wieder weg. Dies könne „die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs gefährden“.
Intensiv angeschaut hat sich der Rechnungshof auch die Anstrengungen der Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen, was eine gemeinsame Verteidigungspolitik anbelangt. Das Thema ist durch den Krieg in der Ukraine ganz nach oben auf die Tagesordnung gekommen, allerdings hakt es auch hier. Der Hof prüfte, ob die EU hinreichend in der Lage sei, ihre Verteidigungsausgaben über den geplanten Europäischen Verteidigungsfonds deutlich aufzustocken. Ergebnis: Es mangelt an einer Strategie für eine gemeinsame Verteidigung. Und: Wo die Strategie fehlt, fließen auch die Mittel nur spärlich. Im Detail sagen die Prüfer: „Die Maßnahmen der EU im Verteidigungsbereich beschränken sich auf die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die ein Instrument des externen Krisenmanagements darstellt und nicht als kollektive europäische Verteidigungspolitik beispielsweise mit einer gemeinsamen Definition der Bedrohungen gedacht ist. Diese Einschränkung erschwert die langfristige Planung der EU-Ausgaben im Verteidigungsbereich.“ Die Kommission habe sich mit strategischen Fragen noch nicht so ausführlich auseinandergesetzt, dass Projekte, die durch einen Europäischen Verteidigungsfonds finanziert würden, „ihre vorgesehene Wirkung entfalten könnten“.
Unterm Strich bleibt das Fazit: In zentralen Gebieten wie Finanzierung, Verteidigung und Zukunftstechnologien hat die Kommission ihre Hausaufgaben nur unvollständig erledigt. Es dürfte vor diesem Hintergrund für von der Leyen schwer werden, mehr Geld von den Mitgliedsländern einzuwerben.
Oliver Stock
23.06.2023 | 12:53