(Foto: Markus Mainka / Picture Alliance_DPA)



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Flughafen zu verkaufen

Frankfurt-Hahn wird im Kleinanzeigenteil der Unternehmerbörse verhökert. Der prominente Pleitekandidat zeigt die Widersprüchlichkeit deutscher Verkehrspolitik: Während Bahnhöfe stillschweigend mit Milliarden Euro unterstützt werden, laufen die Beihilfen für Flughäfen langsam aus. Das große Flughafensterben hat gerade erst begonnen.

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier


Das Inserat in der Deutschen Unternehmerbörse (DUB), dort wo sich auch eine Consultingfirma zum Verkauf anbietet und ein Maschinenbauer auf einen Interessenten wartet, kommt ganz unscheinbar daher: „Im Rahmen eines offenen, transparenten und bedingungsfreien Bieterverfahrens“, so steht es da „sollen die Vermögensgegenstände einschließlich der Immobilien der Flughafen Frankfurt-Hahn Gruppe an einen oder mehrere Investoren veräußert werden.“ Das Inserat stammt von Insolvenzverwalter Markus Plathner. Er sieht keinen anderen Ausweg, als den Flughafen zu verkaufen, der einst insbesondere für Ryanair-Passagiere Ferienträume anfangen und enden ließ, der einmal von den 24 deutschen Hauptflughäfen, eine soliden 14. Platz in Sachen Passagieraufkommen belegte, und der zuletzt noch der sechstgrößte Frachtflughafen im Land war. Der Preis ist Verhandlungssache, dürfte aber bei 25 Millionen Euro Umsatz und zehn Millionen Verlust im Jahr sehr überschaubar sein. Selbst für einen Euro ist das jedenfalls kein Schnäppchen.

Das unscheinbare Inserat bringt die ganze Widersprüchlichkeit der Verkehrspolitik auf den Punkt. In Deutschland gibt es jede Menge große und kleinere Landeplätze, die sich alle stolz Hauptflughäfen nennen dürfen: Natürlich Frankfurt, München, Düsseldorf, Hamburg und Berlin, dazu die Regionalflughäfen wie Köln/Bonn, Hannover oder zum Beispiel auch Stuttgart. Und schließlich die kleineren wie Memmingen, Weeze oder eben Hahn, was schon immer etwas übertrieben „Frankfurt“ im Vornamen trug, obwohl die Mainmetropole mehr als 100 Kilometer entfernt ist. Von ihnen schreiben die wenigsten schwarze Zahlen, schon gar nicht, wenn in Corona-Zeiten immer weniger Menschen ins Flugzeug steigen.

Deutschland, flächenmäßig kein Riese, ist damit mehr als gut versorgt. Eher überversorgt. „Wenn man sich die Ergebnisse der Flughäfen in Deutschland anschaut, sieht es so aus, als ob man ungefähr drei Millionen Passagiere benötigt, um profitabel zu sein“, erklärt Yvonne Ziegler, Professorin für internationales Luftverkehrsmanagement an der Frankfurt University of Applied Sciences in einem Interview mit der Deutschen Welle. Davon sind die meisten Flughäfen allerdings Lichtjahre entfernt. So verzeichnete der Flughafen Erfurt-Weimar im Corona-Jahr 2020 gerade mal rund 27.000 Passagiere, Münster/Osnabrück kam auf 220.000. Viele Regionalflughäfen hätten auch in normalen Zeiten weniger Passagiere und entsprechend sei es für sie schwieriger, hat Ziegler festgestellt und fügt hinzu: „Sprich: Sie machen keinen Gewinn.“

Dass es sie dennoch gibt, hat nicht zuletzt mit einem gewissen Prestigedenken von Kommunen und Ländern zu tun, die nach dem Motto handeln, dass eine anständige Stadt nur dann eine solche ist, wenn auch mindestens eine 737 dort landen kann. Und das lassen sie sich etwas kosten: Viele Regionalflughäfen werden von Ländern und Komunen unterstützt. Doch diese Betriebsbeihilfen erlaubt die Europäische Union nur noch bis 2024. Es kann also sein, dass das große Flughafensterben gerade erst einsetzt.

Wer jetzt sagt, dass so eben die Marktwirtschaft funktioniere, und die Regionalflughäfen und ihre bundesweit mehr als 10 000 Mitarbeiter kein Recht auf eine wirtschaftliche Existenz haben, wenn sie sich nicht unternehmerisch und selbständig führen lassen, der ist auf einem Auge blind. Denn der Betrieb der reinen Infrastruktur kostet überall mehr Geld als durch Gebühren hereinkommt, stellt Klaus-Jürgen Schwahn, Präsident der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze (IDRF) fest. Das gelte für jeden Verkehrsträger. Nur: Im Öffentlichen Personennahverkehr oder bei der Deutschen Bahn fragt niemand nach der Höhe der Zuschüsse für Haltestellen und Bahnhöfe. Dort ist die Infrastruktur wie selbstverständlich eine staatliche Aufgabe: „Nur bei Flugplätzen hat man zumindest hierzulande immer die etwas merkwürdige Einstellung, dass sie ihr Geld selber verdienen müssen“, kritisiert Schwahn im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Stadt des großen Sterbens nach dem Jahr 2024 gibt es noch eine andere Möglichkeit für die unrentablen Pisten, auf die Eric Heymann, Luftfahrtexperte von Deutsche Bank Research aufmerksam macht. Die Flughäfen, die bislang zum Überleben zu klein sind, könnte auch durch ein „Gesundschrumpfen“ ihre Fixkosten reduzieren und aus dem Linien- und Charterverkehr mit großen Maschinen aussteigen. Dann müssten sie die dafür notwendigen Infrastrukturen, wie Sicherheitskontrollen und Gepäckabfertigungen nicht mehr vorhalten. Die Zukunft einiger Regionalflughäfen könnte darin liegen, dass sie sich auf Schulungs- oder Rettungsflüge oder die Privatfliegerei konzentrierten. Sinnvoll wäre dazu allerdings ein grenzüberschreitendes Gesamtkonzept für die Flughäfen, das zeigt, wo es wirklich mit der Versorgung hapert.
Die neue Koalition will das Thema jedoch nicht angehen. Jedenfalls nicht in der nächsten Legislaturperiode. Im Vertrag, den die Ampelparteien geschlossen haben, steht lediglich, sie wollten „in einem umfassenden Beteiligungsprozess ein Luftverkehrskonzept 2030+ entwickeln“. Sowohl Wegbeschreibung als auch Zieldatum klingen so, als werde das Thema vertagt. Vielleicht nicht auf den Sankt Nimmerleinstag, aber doch auf jeden Fall so lange, bis sich das Problem mangels legaler Beihilfen von allein entschärft hat. Hahn wird also nicht der letzte Flughafen sein, die als Kleinanzeige in den Zeitungsspalten zu finden ist. Schnäppchenjäger müssen nur Geduld haben.

06.12.2021 | 12:17

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