(Bild: Pietro Sutera)



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Frauen haben das erste Wort: Gabriele Eick

Schon mit 25 Jahren hatte sie eine Führungsposition bei IBM inne. Beim IT- und Beratungsgiganten verantwortete sie später als Direktorin das Vertriebspartnergeschäft in Deutschland. Im Montagsinterview spricht die Multi-Aufsichtsrätin über Gleichberechtigung in internationalen Konzernen, andere Länder als Vorbilder und darüber, wie sie ihren ersten Urlaubstag in Italien startet.

WirtschaftsKurier: Guten Morgen, wie beginnen Sie Ihren Urlaub? 
 
Gabriele Eick: In dem ich in aller Ruhe mit einem großen Milchkaffee auf meinem iPad Zeitungen lese. Mit Blick von der Terrasse des Hauses von Freunden werde ich die hinreißende Landschaft der Marken genießen und dann eine Runde schwimmen. Die Marken in Italien sind besonders. Früher lebten und arbeiteten dort die Handwerker der Päpste.
 
Sie waren für verschiedene internationale Unternehmen tätig, unter anderem für IBM. Wieso hängt Deutschland beim Thema Gleichberechtigung im weltweiten Vergleich so hinterher? 

IBM war mein zweiter Arbeitgeber und es war erklärtes strategisches Ziel, Gleichberechtigung und Chancengleichheit zu gewährleisten. Das war kein Lip-service sondern wurde vorgelebt und umgesetzt. Ich war mit 25 Jahren Führungskraft und lernte bei IBM, den Sinn dieses Wortes: Führung und Kraft. Wir leben in Zeiten des „War for Talents“ und da haben wir Frauen Konjunktur. Ich sehe, dass sich auf diesem Gebiet sehr viel getan hat, aber „It takes 2 to Tango“. Das eine ist, dass die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, aber dann braucht es auch Frauen, die sich etwas zutrauen und Risiken eingehen; und es braucht Männer, die dies zulassen. Außerdem braucht es Personalabteilungen, die sich diesem Ziel verschreiben und konsequent Personalentwicklung betreiben, um ausreichend Nachwuchs zu generieren. Auch braucht es die strukturellen Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Haltung eines Unternehmens zu einer ausgewogenen Mischung an männlichen und weiblichen Führungskräften. Kurzum: Diversity. Ich lebe und arbeite in Frankfurt - eine Stadt, wo mittlerweile viele Führungspositionen mit sehr fähigen Frauen besetzt sind. Werfen Sie den Helikopterblick auf Deutschland, stellen wir fest, dass sich sehr viel getan hat; noch immer nicht genug, aber die Richtung stimmt. Diese Frauen haben ein angenehmes Selbstbewusstsein und es gibt auch ein Umfeld von männlichen Kollegen, die das mittlerweile als Normalität leben.
 
Was können wir uns von anderen Ländern abschauen?
 
Ich beobachte seit Jahren Frankreich, USA, die Nordics. In diesen Ländern sind berufstätige Frauen mit Kindern keine Rabenmütter und die Erziehung ist ein Gemeinschaftsprojekt zweier arbeitenden Eltern. In Deutschland ist es für eine Frau schwer, eine Führungsposition zu bekommen, wenn sie beispielsweise vier Kinder hat. Ich würde mir wünschen, dass Männer und Frauen nicht mehr gefragt werden, wie sie Familie managen. Vielmehr sollte darauf vertraut werden, dass viele Menschen wissen, welche Herausforderungen mit einer Bewerbung auf eine Führungsposition einhergehen.
Corona lehrt uns ja auch, dass physische Verfügbarkeit neu gedacht wird, sprich die Anwesenheitskultur wird neu diskutiert.
 
Aktuell diskutiert Deutschland eine Frauenquote für Vorstände. Sind Sie dafür?
 
Bereits bei der Diskussion um eine Quote für Aufsichtsräte habe ich die Meinung vertreten, dass ich zwar gegen eine Quote bin, man aber nicht ignorieren darf, dass es Wirkung zeigt und scheinbar braucht es diese Quote um Bewegung reinzubekommen – vielleicht nur für eine bestimmte Zeit; solange bis es Normalität ist.

Gibt es etwas, was Sie bei diesem Thema nervt?
 
Ja, Fragen die Frauen gestellt werden, Männern aber nicht. Beispiel: Wie kriegen Sie das mit der Kinderbetreuung hin? Warum wollen Sie denn jetzt so schnell so hoch hinaus? Wie geht Ihr Mann damit um, wenn Sie ihn auf der Karriereleiter überholen? Das ist nur eine kleine Auswahl an Fragen, die ein Mann nie gestellt bekommt.

Was möchten Sie den Männern in Führungsetagen mit auf den Weg geben?

Mein Rat wäre: Lassen Sie sich positiv überraschen, lassen Sie zu und akzeptieren Sie, dass Frauen wie Männer Fehler machen. Lassen Sie zu, dass gemischte Teams erfolgreicher sind als homogene Teams. Sie bekommen mehr Kreativität – wohlwissen, dass es mehr Reibung geben kann. Aber sie lohnt sich.

Das Gespräch führte Florian Spichalsky

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26.07.2021 | 09:37

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