Unternehmensberaterin, Politikerin, Autorin: Mechthild Löhr. (Foto: Picture Alliance)



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Frauen haben das erste Wort: Mechthild Löhr

Mechthild Löhr ist Mitinhaberin der Personal- und Unternehmensberatung Löhr & Cie. Sie publiziert seit vielen Jahren profilierte Beiträge und Bücher zu kontroversen Themen der Bio-und Wirtschaftsethik. Frauen seien auf dem Vormarsch, sagt sie und schätzt dennoch den Rat "alter, weißer Männer".

Frau Löhr, wie war Ihr Wochenende?


Mechthild Löhr: Endlich wieder sonnig und bunt gefüllt mit persönlichen Begegnungen! Die Corona-„Eiszeit“ geht langsam zu Ende! Alle, denen ich begegne, atmen spürbar auf!

Die Frauenquote im Vorstand von DAX-Unternehmen wurde letzte Woche gesetzlich angeordnet. Hilft das den Frauen auf ihrem Karriereweg?

Insbesondere in Dax-Unternehmen sind Frauen schon zu lange unterrepräsentiert. Aber an der vergleichsweise hohen Fluktuationsquote bei Vorständinnen erkennen wir, dass vielleicht die Personalauswahl sorgfältiger vorbereitet und die gezielte Entwicklung von weiblichen Führungskräften für die erste Ebene noch deutlich intensiviert werden müssen.

Müssen Frauen denn anders auf Führungspositionen vorbereitet werden als Männer?

Bisher müssen viele Frauen wesentlich mehr dazu ermuntert werden, Führungsfunktionen gezielt und langfristig anzustreben. Oft erscheinen ihnen Teamarbeit oder als Karriereziel maximal Team- Abteilungs- oder Bereichsleitung ausreichend und realistisch. Sie brauchen mehr Anerkennung und gezielte Förderung. Viele schätzen ein planbares und kalkuliertes Arbeitspensum, was mit den hohen zeitlichen Ansprüchen bei Top-Managementfunktionen meist kollidiert. Hier hat jetzt das digitale Wachstum mit mehr Home Office, mehr Video-Konferenzen gerade in den letzten eineinhalb Jahren viel bewirkt. Hinzu kommt, dass Unternehmen inzwischen bis in die Spitzen hinein mehr Verständnis für private Freiräume entwickeln. „Rund um die Uhr vor allem für die Firma zu leben“ ist aber ganz offensichtlich weniger attraktiv für Frauen als für Männer.

Bringen weibliche Führungskräfte tatsächlich andere Kompetenzen ein als ihre männlichen Kollegen?

Auf jeden Fall gibt es nach wie vor erkennbar Unterschiede zu beobachten: Frauen achten tendenziell stärker auf kommunikative und soziale Themen, sie schätzen die Bedeutung von Work-Life-Balance höher ein, sind weniger mobil und bevorzugen auch privat ein stabiles soziales Umfeld. Sie sind meist fokussiert auf Dienstleistungsunternehmen. In den Bereichen Technik, Produktion, Produktentwicklung und insbesondere in der Bau-, Metall- und Elektrotechnik sind sie auf allen Ebenen schwächer vertreten und oft daran auch nicht so interessiert. Sie bevorzugen Aufgabenfelder mit eher kommunikativen Bezügen wie Personal, Marketing, Organisation, Finanzen, Administration und Vertrieb.

Werden Sie als strategische Personalberaterin vermehrt gezielt mit einer weiblichen Besetzung von offenen Stellen beauftragt?

Offen gesagt wird schon seit über zehn Jahren häufig der Wunsch nach möglichen Kandidatinnen an mich und andere Kollegen herangetragen. Doch es war leider seltener möglich, diese gewünschte Option adäquat zu erfüllen. Das wird jetzt und in den nächsten Jahren sehr viel einfacher, da immer mehr Frauen in der Wirtschaft profunde Leitungserfahrung und ein entsprechendes Portfolio mitbringen. Wir haben über 3 Millionen Unternehmen in Deutschland und der „Vormarsch“ der Frauen ist insgesamt spürbar, wenn dieser Fortschritt auch langsamer ist, als viele es sich wünschen.

Was war der beste Rat, den Sie je bekommen haben?

Von guten Ratschlägen erfahrener „weißer alter“ Manager habe ich oft profitieren können. Drei will ich hier nennen. Erstens: „Erkenne Dich selbst!“ Zweitens: „Werde, wer Du bist!“ und: „Man muss Menschen mögen!“

Und was raten Sie jungen Frauen, die an die Spitze eines Unternehmens wollen?

Bilden sie sich selbst besser aus als der Durchschnitt.

Arbeiten Sie jeden Tag etwas mehr als der Durchschnitt.

Schauen Sie nicht nur auf ihr Arbeitsgebiet, sondern auf Wirtschaft und Gesellschaft als Gesamtprozess. Entdecken Sie, was auf Dauer Wert behält, was Sie verändern wollen und können und wie Sie neue Visionen finden.

Was möchten Sie den Männern in Führungsetagen mit auf den Weg geben?

Entwickeln Sie größere Aufmerksamkeit für die fachlichen und persönlichen Qualitäten von Nachwuchsführungskräften. Werden Sie Mentoren für die nächste Generation. Achten Sie nicht auf das Geschlecht, sondern auf das Persönlichkeits- und Leistungsprofil Ihrer Führungskräfte.

Sind Sie dafür, dass Steinmeier Bundespräsident bleibt oder wird es hier nicht auch Zeit für eine Frau? Und welche würden Sie dann empfehlen?

Bei der Besetzung dieses ersten Amtes im Staat sollte das Geschlecht keine ausschlaggebende Rolle spielen. Aber vielleicht wird es Zeit für neue Ideen und ein neues Gesicht, besonders gerne mit einer Frau wie Annegret Kramp-Karrenbauer.

Mechthild Löhr im Gespräch mit Christiane Goetz-Weimer

31.05.2021 | 09:25

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