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Gaspreisbremse – die, für sie sie gedacht ist, machen einen Bogen drum herum

Über die Gaspreisbremse aus dem Hause von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gibt es mehr Ärger in der Wirtschaft, als das sie jemand gut fände. Auch wenn das Vorhaben von der Bundesregierung als Dämpfer gegen hohe Energiebelastungen gedacht war: Es ist zu bürokratisch ausgefallen, es nützt wenig – so sehen es viele der vermeintlich Begünstigten. Und dann kommt noch die EU dazu.

Sie kommt den Steuerzahler womöglich sehr teuer, und nützt doch vielen Unternehmen nicht wirklich etwas. Die deutsche Gaspreisbremse sollte vor allem energieintensiven Firmen helfen, angesichts stark steigender Gaspreise nicht in kritische Situationen zu geraten. Denn bei solchen Unternehmen, die mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas verbrauchen, steht das Management schnell vor der Existenzgefährdung des ganzen Betriebs, wenn die Energiekosten drohen, jeden Gewinn aufzuzehren. Doch Tatsache ist: In einigen Fällen bedeutet der Antrag auf staatliche Hilfen mehr Gefahr als Rettung.

Vergleichsweise unbelastet bleiben kleine und mittlere Firmen mit einem Verbrauch von weniger als 1,5 Millionen KWh. Denn für sie gelten die gleichen Regeln wie beim Privatkonsumenten. Der Staat deckelt den Preis beim Gas auf zwölf Cent je Kilowattstunde – für 80 Prozent des Verbrauchs. Darüber gilt der Marktpreis. Wer nun auch noch in der Lage ist, seinen Bedarf nennenswert zu senken, womöglich gar um zwanzig Prozent, kommt mit einem blauen Auge davon.

Ganz anders stellt sich die Lage bei Großkunden dar. Zum einen sind die Sparpotentiale gering – Aluminiumherstellung, Zementproduktion oder Eisenguss lassen sich nicht auf kleiner Flamme betreiben. Dazu kommt, anders etwa als bei Privatverbrauchern, ein kompliziertes Antragsverfahren und eine Ausgestaltung der Hilfen, die bilanztechnisch ein Unternehmen erst recht in die Bredouille bringen kann. Das liegt zum großen Teil nicht einmal am deutschen Verwaltungswesen, sondern an Brüsseler Anforderungen. Deutschland war, als es um die Verhandlungen für eine europäische Lösung ging, mit einem Handicap angereist. Schnellschüsse aus Berlin wie etwa die Bereitstellung von 200 Milliarden Euro für Hilfen hatten die Partner vergrätzt. Die übrigen EU-Mitglieder sahen es als wettbewerbsverzerrend an, was die Deutschen ihren Mittelständlern da angedeihen ließen. Und so kamen, nach langem Hin und Her, die deutschen Ideen für weitere Hilfen nicht gut an. Die EU sorgte dafür, dass eine einfache Lösung – etwa eine pauschale Preisdeckelung für Firmen von sieben Cent fürs Gas - nicht ins Regelwerk Brüsseler Beihilfen gelangte. Dabei wäre die zielführend gewesen, so Michael Hüther, Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft: „Preissignale entfalten immer ihre Wirkung. Die Frage ist, ob sie zu einer Überforderung führen. Mit der Gas- und Strompreisbremse greifen wir gar nicht direkt in den Markt ein, sondern in die Folgeeffekte von Gas- und Strompreisentwicklungen. Ziel ist es, die Kosteneffekte der Unternehmen und die Kaufkrafteffekte der privaten Haushalte aufgrund der hohen Energiepreise befristet abzufedern, nicht auf null zu setzen. Und das ist, finde ich, in dieser Situation richtig.“ Für große Firmen gilt nun aber doch ein anderer Weg.

Nun muss nämlich sichergestellt werden, dass alle Unternehmen die gleiche Hilfe bekommen, womit diejenigen, die einen günstigeren Gaspreis aushandeln konnten, ebenso viel Ausgleich erhalten wie jene, die auf teuren Versorgungsverträgen sitzen. Eine pauschale Deckelung gibt es also nicht. Hinzu kommen komplizierte Nachweisregeln für Verbrauch und Ausrichtung des Unternehmens, Gewinnrückgang und Ähnliches, jeweils für Vergangenheit und Zukunft. Für Familienunternehmer und mittelgroße Firmen muss dazu auch noch die Kristallkugel ran. Da soll nämlich bereits jetzt festgestellt werden, ob der Gewinn des laufenden Jahres unter dem von 2021 liegen wird, und wenn ja, um wieviel. Schon das Jahr 2021 war für manche Firmen katastrophal, andere dagegen profitierten gerade während der Lockdowns - und stehen jetzt erst vor scharfen Rückgängen, müssen aber für Energie tief in die Tasche greifen. Ohne flaue Aussichten für 2023 gibt es aber wenig bis gar nichts vom Staat. Und der Gaspreis? Von den wilden Höchstständen 2022 ist er wieder deutlich entfernt. Beantragt ein Unternehmen nun also staatliche Hilfen, stehen plötzlich Verpflichtungen in der Bilanz, denn verschätzt man sich beim Gewinn, muss die Unterstützung später wieder zurückerstattet werden. Das ist eine Art Damokles-Schwert über den Häuptern der Unternehmer. Im Moment notiert die Megawattstunde Gas für 61 Euro an den Großhandelsplätzen. Das ist deutlich weniger als 2021/22. Da betrug der Preis schon mal das Sechsfache. Und genau das nun bringt manchen Firmenlenker ins Grübeln.

So suchen nun viele nach Möglichkeiten, die Last doch lieber ohne Vater Staat zu schultern. Es würde zumindest bedeuten, dass man zu den wirtschaftlich unsicheren Prognosen nicht auch noch Millionen Euro denkbarer Verpflichtungen in der Bilanz stehen hat.

Aufmerksam verfolgt man in den Unternehmenszentralen dazu noch den Wetterbericht. Die bisher überwiegend milde Wintersaison hat viel dazu beigetragen, den Verbrauch im Lande zu senken – und den Preis. Weiter mit der Kristallkugel: Wie stark fallen die Sparbemühungen der kleineren Verbraucher aus? Sie senken ebenfalls die Preisspitzen. Hoffnung macht nun auch das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung: „Für das ablaufende Jahr 2022 hat das Ifo Institut die Prognose zum Anstieg der Wirtschaftsleistung angehoben: auf plus 1,8 Prozent von zuvor plus 1,6 Prozent. Insbesondere das dritte Quartal 2022 war mit plus 0,4 Prozent viel besser als gedacht. In den beiden Quartalen des Winterhalbjahres 2022/23 schrumpft das Bruttoinlandsprodukt zwar, aber danach geht es wieder aufwärts“, so die Ifo-Forscher. Das könnte vielen Unternehmen gerade so helfen, allein über die Runden zu kommen, denn ein drastischer Absatzeinbruch im laufenden Jahr scheint immer unwahrscheinlicher.

Dennoch bleibt eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft: Unternehmen sehen sich in nicht unerheblichem Maße gezwungen, energieintensive Teile ihrer Produktion an ausländische Standorte zu verlagern. Der Kunde will es so: Preissteigerungen akzeptieren Abnehmer nur noch bei stichhaltiger Begründung, sonst gehen sie eben zur Konkurrenz. Diese Erfahrung machen gerade die Lebensmittelindustrie, aber auch Mittelständler aus der Maschinenbau- und Automobilbranche. Zumal gerade ausländische Abnehmer die deutschen Hilfssummen sehen und meinen, damit herrsche beim Zulieferer ja nun eitel Sonnenschein. Ein Trugschluss, der teuer werden könnte, womöglich ruinös für kleinere, aber spezialisierte deutsche Firmen. Konsequent erscheinen da die Nachbarländer Österreich und die Schweiz. Sie verzichten gänzlich auf marktverzerrende Maßnahmen – Österreich hilft allein bedürftigen Verbrauchern direkt.

Nach Ansicht von Industrieverbänden macht es nun auch der kürzlich beschlossene Preisdeckel auf europäischer Ebene anders, nur eben nicht besser. Der soll nach dem Schema „Höchstpreis“ funktionieren: Ab 15. Februar gilt an der virtuellen Großhandelsbörse ein Höchstpreis von 180 Euro pro Megawattstunde. Sobald der überschritten wird, an drei Tagen, und dabei auch 35 Euro über dem Preis für Flüssiggas (LNG) liegt, tritt die Begrenzung für mindestens 20 Tage in Kraft. Eine gefährliche Sache, findet etwa der Börsenexperte Henrik Voigt: Sobald Gasexporteure in Europa keine auskömmlichen Preise mehr erhalten, könnten sie etwa ihre LNG-Lieferungen in andere Erdteile umleiten, wo jeder Tanker hochwillkommen ist. Damit erzeugte dann der gutgemeinte europäische Deckel nichts als Knappheit. Voigt: „Merke: Der schönste Deckel nützt nichts, wenn ich keine Ware bekomme und meine Wirtschaft zusammenbricht.“ Da dies eine reale Möglichkeit ist, sieht die EU-Regelung nun gerade für diesen Fall eine Aussetzung des Preisdeckels vor. Womit dann klar ist, dass man die Wirkung dieses Instruments getrost geringschätzen darf: Im dafür vorgesehenen Fall wird es schlicht außer Kraft gesetzt.
 
Reinhard Schlieker

23.01.2023 | 09:33

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