Gasumlage: Habeck prüft den Verfassungsverstoß
Die Gasumlage soll kommen, obwohl der Hauptnutznießer, der Energiekonzern Uniper, verstaatlicht wird. Damit fließt eine von oben verordnete Zwangsabgabe in ein staatliches Unternehmen, was verfassungsmäßig höchst umstritten ist. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck prüft, ob es trotzdem geht.
Jetzt kommt beides: Für rund 30 Milliarden Euro erwirbt der Bund 98,5 Prozent am taumelnden Energieversorger Uniper. Und: Die Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, die alle Gasverbraucher entrichten müssen, wird vom 1. Oktober an eingeführt. Praktisch finanziert der Staat damit sein eigenes Unternehmen auf Kosten der Bürger zweimal: Einmal, in dem er den Übernahmepreis aus der Steuerkasse bezahlt, und zum anderen, in dem er Haushalten und Unternehmen, die auf Gas angewiesen sind, zusätzlich zur Kasse bittet. Verfassungsmäßig ist dies höchst zweifelhaft. Schon jetzt kann sich die Bunderegierung auf eine Fülle gut begründeter Klagen gegen die Gasumlage einstellen.
Der Minister spielt auf Zeit
Das federführende Wirtschaftsministerium ist sich der heiklen Lage bewusst. Es stelle sich in der Tat die Frage, ob es verfassungskonform sei, eine Gasumlage zu erheben, die in ein staatliches Unternehmen fließe, heißt es aus dem Hause des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck. „Die Gasumlage ist eine Brücke, bis diese Frage abschließend geklärt ist", sagte der Minister. Seine Hoffnung: Es werde ohnehin drei Monate dauern, bis der Staatseinstieg bei Uniper über die Bühne gegangen sei. Bis dahin sei die Gasumlage notwendig, „um die Finanzlage von Uniper sicherzustellen". Das Unternehmen müsse genauso wie andere Gasversorger weiter in der Lage bleiben, Gas am Markt einzukaufen. „Die verfassungsrechtlichen Prüfungen laufen auf Hochtouren." Verstaatlichung und Umlage seien nötig, „um die Versorgungssicherheit für Deutschland sicherzustellen".
Schon gegen die erste Fassung der Gasumlage, wie sie das Wirtschaftsministerium im vergangenen Monat angekündigt hatte, waren Betriebe und Verbraucherschützer Sturm gelaufen und hatten Klagen angekündigt. Stein des Anstoßes war, das von der Gasumlage in ihrer ursprünglichen Konstruktion auch Energieversorger profitierten, die nicht in einer Notlage stecken. Dieser Fehler soll jetzt behoben sein. „Wie angekündigt, haben wir einen rechtssicheren Weg gefunden, um die Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen", sagte Habeck.
Auch die Koalition zweifelt an Habeck
Trotzdem wachsen auch in der Regierungskoalition die Zweifel, ob es Habeck gelingt, eine rechtskonforme Lösung für die Gasumlage zu finden. Matthias Miersch, Vizevorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, spricht in einem Interview von „verfassungsrechtlichen Bedenken“. Sie seien nicht einfach zu ignorieren und „werden nicht kleiner, wenn Uniper am Ende verstaatlicht wird.“ Er schlägt vor, als Alternative zu einer „rechtlich hoch unsicheren und einseitigen" Gasumlage könnte man Übergewinne im Strombereich abschöpfen, Haushaltsmittel nutzen sowie einen „leistungsgerechten Energiesoli" einführen.
Unter Juristen gilt als ausgemacht, dass sich letztlich das Bundesverfassungsgericht mit der Gasumlage beschäftigen wird. Verbraucher können sich zunächst nur an die ordentlichen Gerichte, wie das Amtsgericht oder Landgericht wenden. Möglich ist auch, dass ein Gericht, das die Gasumlage für verfassungswidrig hält, diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorlegt. Ein weiterer Weg der unabhängigen juristischen Überprüfung ist, dass die Gasumlage durch die Bundesregierung, eine Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages als Normenkontrollverfahren den höchsten Richtern vorgelegt wird, die dann entscheiden. Alle diese Verfahren dauern allerdings Jahre.
Nord Stream 2 bleibt zu
Die Krise, um die Energieversorgung in Deutschland spitzt sich dagegen täglich weiter zu. Nach Auskunft des Bundeswirtschaftsministeriums ist Uniper für 40 Prozent der deutschen Gasversorgung zuständig und bezog sein Gas zu 50 Prozent aus Russland. Inzwischen hat Russland seine vorhandenen Pipelines abgestellt und als Alternative auf die mit Gas gefüllte und betriebsbereite Pipeline Nord Stream 2 verwiesen. Sie zu öffnen lehnen Deutschland und seine Verbündeten jedoch ab.
Oliver Stock
21.09.2022 | 12:02