(Bild: picture alliance/dpa | Michael Kappeler)



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Geheimprojekt der Union: Wie Armin Laschet doch noch gewinnen soll

Wie lässt sich aus der Nummer zwei eine Nummer eins machen? Wie kann Armin Laschet noch Olaf Scholz überholen? Die Union hat dazu drei Punkte entwickelt. Jetzt muss der Spitzenkandidat zeigen, ob er sie umsetzen kann.

Er hätte seit Monaten gewarnt sein können, Armin Laschet Kanzlerkandidat der Union. Am 19. April verkündete das Lieblingsblatt der deutschen Landwirte „agrarheute“ das Ergebnis einer Umfrage unter Bauern zur Bundestagswahl. Das Ergebnis war eine Sensation: Zum ersten Mal in der der gemeinsamen Geschichte von „agrarheute“ und der Bundesrepublik lag die Union nicht mehr vorn, sondern deutlich hinter er FDP. Laschet hätte sich fragen müssen: Was ist los bei meinen treuesten Anhängern? Aber dann kam die Flut, es ging weiter mit dem Auf und Ab von Corona, und es kam Afghanistan. Laschet immer mittendrin, selten gibt er dabei eine glückliche Figur ab, und die Umfragewerte für die Union kennen seit vier Wochen nur noch eine Richtung: nach unten. Die Bauern hatten es offenbar geahnt.

Das merkwürdige dabei: Alle in der Union bedrücken die Umfragewerte. Von einer Reise nach Polen jüngst mit dem Kanzlerkandidaten berichten selbst seine Vertrauten, dass unterwegs die Stimmung am Boden gewesen sei. Nur Laschets Laune sei rheinisch unverwüstlich gewesen. Was macht Laschet so optimistisch? Ist es nur Fassade, wie letztes Mal beim SPD-Kandidaten Martin Schulz, der auch noch lächelte, als er schon auf verlorenem Posten stand? Laschet ist anders. Obwohl er aus Aachen und damit ganz aus der Nähe von dort stammt, wo auch Schulz aufgewachsen ist, hat er mit ihm sonst nichts gemeinsam. Drei Gründe sprechen dafür, dass Laschet es noch schaffen kann.

Der 60jährige mit Reihenhaus in Aachen-Burtscheid ist kein Politikertyp, der jetzt am Zaun des Kanzleramts rütteln würde. Das wäre Söders Stil, den er – Laschet würde es niemals aussprechen – in einem Duell über zwei Wochen die Ambitionen auf das Kanzleramt fürs erste ausgetrieben hat. Es war eine der Szenen in den vergangenen Monaten, in denen klar wurde, dass Laschet gewinnen kann, weil ihn andere unterschätzen. Ihm fliegen nicht die Herzen zu. Aber er ist bodenständig, aufgewachsen im katholischen Milieu. In der Düsseldorfer Staatskanzlei kennen sie ihn als emsigen Arbeiter. Wenn andere Länderchefs etwa im „Corona-Kabinett“ die Lösung schon fixfertig haben, denkt Laschet lieber noch einmal nach, wägt ab. Seine Kritiker nennen das „zögerlich“. Er sagt: „Ich bin wie ich bin“. Kann so einer das Ruder noch einmal rumreißen?
Er könnte zumindest, und das ist der erste Grund, wenn er seiner Erfahrung vertraut. Er muss gar nicht auf parteiinterne Auseinandersetzungen wie gegen Söder oder im Kampf um den CDU-Vorsitz gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen blicken. Er kann seinen eigenen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen als Vorlage nehmen. Es war am 7. Mai 2017, die Landtagswahl sollte genau am nächsten Sonntag stattfinden und im Ministerpräsidentenzimmer der Staatskanzlei in Düsseldorf saß die SPD-Landesmutter Hannelore Kraft und freute sich: 33 Prozent sagten ihr die Propheten der Umfrageinstitute vorher. Herausforderer Laschet lag bei 30 Prozent. Sieben Tage später war es umgekehrt und Hannelore Kraft ist seitdem Geschichte. Laschet hatte den Sieg im ehemaligen Herzkammerland der Sozialdemokratie geholt. Seitdem regiert er mit der denkbar knappen Mehrheit von einer Stimme wie es seine Art ist: geräuschlos.

Geräuschlos allerdings gewinnt niemand eine Wahl. Laschet weiß das und die Unions-Wahlkampstrategen wissen es auch. Deswegen – und das ist der zweite Grund, warum Laschet noch nicht abgeschrieben ist – ist der Kandidat von der Lässigkeit eines Spitzenreiters, der mit geschlossenen Augen als erster die Ziellinie erreicht, auf die Wadenbeißerstrategie einer Nummer zwei umgeschwenkt. Er greift jetzt an. Hauptgegner ist Olaf Scholz, und der hat einen Schwachpunkt, den die Union gnadenlos ausnutzt: Er distanziert sich nicht von der Linken. Laschet bringt Scholz in Not, wenn er von ihm fordert ein Linksbündnis auszuschließen. Er stochert genüsslich in dieser Wunde herum, wenn er feststellt, dass mit der Linken als Nato-Gegnerin international kein Staat zu machen sei. Er weiß, so etwas mobilisiert zumindest die Stammwähler und könnte auch einige Abtrünnige aus den großen Städten zurückholen, die sich schon mit den Grünen angefreundet hatte.

Und dann würde es ja – und das ist der dritte Grund, warum Laschet es noch schaffen kann - reichen. Denn Laschet braucht für die Eroberung des Kanzleramts keine breite Woge der Zustimmung, auch braucht er keine Kohlschen Werte von mehr als 40 Prozent. Selbst die 26,8 Prozent, die Angela Merkel vor vier Jahren noch nach Haue brachte, müssen nicht sein. Ihm genügt es, am Ende knapp vor der SPD zu landen und als stärkste Partei den legitimen Auftrag für die Koalitionsbildung zu erringen. 24 Prozent – vielleicht reicht das schon. In Unionskreisen wird jedenfalls schon vom „Projekt 24” geunkt, wofür genügt, den engsten Kreis der Kernwählerschaft wachzurütteln. Das muss nun im vierwöchigen Schlussspurt gelingen. Ob es allerdings bei den Bauern gelingt? Möglicherweise nicht. Schließlich sind sie längere Phasen zwischen Saat und Ernte gewohnt.

Oliver Stock

02.09.2021 | 17:46

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