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Geldautomaten werden arbeitslos

Weil es bei geschlossenen Geschäften nichts zu kaufen gibt, braucht kaum einer mehr Bargeld. Jetzt werden die ersten Geldautomaten abmontiert. Die Bundesbank glaubt jedoch noch nicht an einen langfristigen Trend. „Bargeld ist Freiheit“, sagt ihr Vorstand Burkhard Balz.

Wäre Bargeld eine Tierart, so würden es Tierschutzorganisationen langsam in Richtung bedrohter Tierarten einsortieren. Etwa so wie den Hasen: Früher an jeder Ecke gesehen, heute zwar noch ausreichend vorhanden, aber immer seltener anzutreffen. Das jedenfalls ist das Ergebnis, zu dem die Arbeitsgemeinschaft der Geldautomatenbetreiber gelangt, wenn sie Bilanz zieht: „Durch die Corona-Krise ist die Nachfrage nach Bargeld an unseren Automaten um 75 Prozent eingebrochen“, sagt Kersten Trojanus, Geschäftsführer des Geldautomatenbetreibers IC Cash und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten in einem Gespräch mit der Welt am Sonntag. Die Arbeitsgemeinschaft betreibt etwa jeden zehnten der rund 50 000 Geldautomaten in Deutschland. Und die Einschätzung des Geschäftsführers entspricht dem, was Burkhard Balz, für den Zahlungsverkehr zuständiges Vorstandsmitglied der Bundesbank, jüngst auch dem WirtschaftsKurier berichtet hatte: „In der Corona-Pandemie haben viele Bürgerinnen und Bürger ihr Bezahlverhalten angepasst. Im Jahr 2020 haben bei den alltäglichen Ausgaben bargeldlose Zahlungsmittel und insbesondere Karten wesentlich an Bedeutung gewonnen“, sagt Balz.

Die Gründe liegen auf der Hand: Neben einem langfristigen Trend zu Kartenzahlung, dem Bezahlen per Smartphone und der Online-Überweisung sind in der Pandemie zwei Motive dazugekommen, die dem Bargeld zusetzen: Geschlossene Geschäfte und Restaurants machen es überflüssig, mit viel Bargeld herumzulaufen. Dazu kommt die Sorge einiger, sich durch Bargeld, das von Hand zu Hand geht, zu infizieren. Als Ergebnis dieser Entwicklungen spüren die Geldautomatenbetreiber einen empfindlichen Einbruch ihres Geschäfts. Rund 1000 Geräte der unabhängigen Arbeitsgemeinschaft seien mangels Nachfrage vorübergehend außer Betrieb genommen, 200 bis 300 komplett abgebaut, sagt Trojanus. Auch jene Banken, die selbst Automaten betreiben, verzeichnen nur flaue Geschäfte: Zehn bis 15 Prozent weniger Kunden zählt beispielsweise die Commerzbank. 

Vor einem Jahr zu Beginn der Pandemie hatten die Geldautomatenbetreiber noch das Gegenteil erwartet: Die Sparkassen, die als Gruppe die meisten Automaten in Deutschland betreiben, meldeten im vergangenen Frühjahr einen Ansturm auf ihre Automaten. Einige Verbraucher fürchteten zunächst, dass die Bargeldversorgung in Pandemiezeiten nicht funktionieren könnte. Dann sank die Nachfrage im gleichen Maße, wie Geschäfte und Gastronomie schlossen. Im Verlauf der Pandemie haben viele Bürgerinnen und Bürger ihr Bezahlverhalten angepasst, stellt die Bundebank fest, die alle vier Jahre das Bezahlverhalten der Deutschen in einer eigenen Studie untersucht. „Laut einer repräsentativen Bundesbankerhebung im Jahr 2020 haben bei den alltäglichen Ausgaben bargeldlose Zahlungsmittel und insbesondere Karten wesentlich an Bedeutung gewonnen“, sagt Vorstandsmitglied Balz mit Blick auf die Studie. Von allen erfassten Zahlungen an der Ladenkasse, in der Freizeit, im Onlinehandel und bei weiteren Zahlungsanlässen wurden demnach 30 Prozent per Karte gemacht. In der Zahlungsverhaltensstudie aus von 2017 lag der Wert noch neun Prozentpunkte niedriger. Gleichzeitig lag der Anteil der Barzahlungen bei 60 Prozent, nach 74 Prozent vor drei Jahren. „Mehr als ein Fünftel der Befragten, die kontaktlos bezahlten, probierte dies erstmals während der Corona-Pandemie aus“, sagt Balz. Ungefähr die Hälfte der Befragten begründete dies mit Hinweisen im Laden oder mit der besseren Hygiene. Unter den Befragten stiegen Menschen über 55 Jahre und Frauen häufiger darauf um. Im Gegensatz zu kontaktlosen Kartenzahlungen seien Zahlungen mit dem Smartphone noch nicht in der Breite der Bevölkerung angekommen. Im Durchschnitt gaben nur 13 Prozent der befragten Smartphonebesitzer an, schon mobil an der Kasse bezahlt zu haben. 70 Prozent der Befragten, die nicht mobil zahlten, spürten bislang keinen Bedarf danach. Viele empfanden das mobile Bezahlen als zu unsicher oder zu kompliziert. 

Ob die Verhaltensanpassung über die Pandemie hinaus Bestand habe, müsse sich erst noch zeigen, meint Balz. Aussterben wie eine bedrohte Tierart werde das Bargeld sicherlich nicht, meint er und fügt hinzu: „Bargeld ist immer ein Stück Freiheit.“ Digitales Geld dagegen hinterlasse digitale Spuren. Das kann man begrüßen, weil es schwerer werde, es missbräuchlich zu verwenden. Auf der anderen Seite müsse aber auch der Datenschutz der Bürger erhalten bleiben. 

Oliver Stock

31.03.2021 | 16:01

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