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Sturz ins Bodenlose – Chance zum Einstieg?

Die Athener Börse eröffnete nach fünf Wochen Zwangspause mit dem größten Crash ihrer jüngeren Geschichte. Die Aktien büßten Milliarden Euro ein. Aber wie bei jedem Kurssturz locken nun auch Schnäppchen.

„Festhalten“ heiße es, wenn die griechische Börse nach 25 Handelstagen Pause wieder öffne, warnte ein Athener Aktienhändler vergangene Woche. Am Montag war es soweit. Und festhalten half nichts: Zum Handelsbeginn stürzten die Kurse ins Bodenlose. Anders als auf einer Achterbahn ist auch der erste Aufschwung noch nicht in Sicht. Die Sturzfahrt dürfte sich vorerst fortsetzen. „Bevor es besser wird, wird es erst mal noch viel schlechter“, orakelte am Montagabend ein Broker.

Die Athener Börse war geschlossen, seit Premier Alexis Tsipras Ende Juni mit der Ankündigung einer Volksabstimmung über die Sparpolitik einen Sturm auf die Banken ausgelöst hatte. Um den drohenden Zusammenbruch des Finanzsystems abzuwenden, ordnete die Regierung die Schließung der Banken und der Börse sowie Kapitalkontrollen an. Eine große Überraschung war der Crash am Montag nicht. Obwohl der Handel ausgesetzt war, hatten die Aktienhändler während der vergangenen Wochen jede Menge Verkaufsorder einsammeln müssen. Pech: Käufer gab es so gut wie keine. „Wir wussten, es würde grausam“, sagt ein Athener Wertpapierbroker. Doch die schlimmsten Befürchtungen der Börsenbeobachter wurden zunächst sogar übertroffen: Der Leitindex ASE stürzte binnen 40 Minuten nach Handelsbeginn um fast 23 Prozent ab. Die Börsenkapitalisierung schrumpfte von 39,9 auf 30,8 Milliarden Euro. Im Tagesverlauf berappelte sich der Index dann ein wenig. Zum Handelsschluss wurde ein Minus von 16,23 Prozent notiert.

Zum Vergleich: Alle im griechischen Leitindex notierten Aktiengesellschaften sind damit zusammen nun so viel wert wie die Deutsche Post. Die Bayer AG kommt sogar auf die 3,3-fache Bewertung.
Die griechischen Anleger sind bis auf weiteres zum Zuschauen verdammt. Wegen der Kapitalkontrollen können sie für Aktienkäufe nicht auf ihre griechischen Bankkonten zugreifen. Wer Wertpapiere kaufen will, muss Geld aus dem Ausland bringen oder jene Bargeldreserven angreifen, die viele Griechen in den Krisenjahren angelegt haben. Nach Schätzungen aus Finanzkreisen bunkern die griechischen Privathaushalte zwischen 15 und 20 Milliarden Euro in Schließfächern oder Verstecken. Geld gibt es also. Aber vorerst sind nur wenige Aktienkäufer auszumachen.

Besonders hart traf der Crash die griechischen Bankaktien, auf die etwa ein Fünftel der Kapitalisierung des Gesamtmarktes entfällt. Drei der vier systemrelevanten Banken notierten gleich nach Handelsbeginn bei einem Minus von 30 Prozent, dem Limit, bei dem der Handel ausgesetzt werden muss. Griechenlands größtes Kreditinstitut, die Piraeusbank, büßte binnen weniger Minuten 732 Millionen Euro ihrer Marktkapitalisierung ein. Der Börsenwert der National Bank of Greece fiel von 4,24 auf 2,97 Milliarden, die Aktien der Alpha Bank starteten mit einem Wert von 4,1 Milliarden in den Handel und waren Minuten später nur noch 2,9 Milliarden Euro wert.

Und die Talfahrt wird sich fortsetzen. Denn zum Handelsschluss lagen bei den Händlern noch „jede Menge Verkaufsaufträge, die wegen der Aussetzung nicht bearbeitet werden konnten“, wie ein Börsenhändler verrät. Diese Orders dürften die Kurse am Dienstag weiter drücken.

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Dass nun vor allen die Bankaktien unter die Räder kommen, ist keine Überraschung. Die vier systemischen Institute hatten zwar den letzten Stresstest der EZB mit kleineren Nachbesserungen bestanden und waren im vergangenen Jahr wieder auf dem Weg in die schwarzen Zahlen. Sie werden aber in diesem Jahr nach dem Rückfall der griechischen Wirtschaft in die Rezession wohl deutliche Verluste erwirtschaften. Besonders die ständig wachsende Quote der faulen Kredite belastet die Bilanzen und nagt an der Kapitaldecke. Ein Stresstest im September soll zeigen, wie groß der Kapitalbedarf der Banken ist. Morgan Stanley bezifferte ihn kürzlich auf 19 Milliarden Euro. Für die Rekapitalisierung der Institute sind im geplanten dritten Griechenland-Rettungspaket zwischen zehn und 25 Milliarden Euro vorgesehen.

Noch sind die Modalitäten der Kapitalerhöhungen ungewiss. Aber sicher ist: Die Altaktionäre müssen sich auf eine starke Verwässerung ihrer Anteile einstellen. Deshalb warfen institutionelle ausländische Anleger am Montag griechische Bankaktien in hohem Bogen aus ihren Portfolios. Eine große Rolle spielen die privaten Aktionäre aber bei den Athener Banken ohnehin nicht mehr. Seit der Rekapitalisierung von 2012 hält der staatlichen Bankenrettungsfonds HFSF die Mehrheit an drei der vier Großbanken, nämlich 57,24 Prozent an der National Bank of Greece, 66,93 Prozent an der Piraeus Bank und 69,9 Prozent an der Alpha Bank. Ein Sonderfall ist die Eurobank. Größter privater Aktionär des Instituts ist seit Anfang 2014 mit einem Anteil von knapp 13 Prozent der kanadische Finanzinvestor Fairfax. Nun muss sich zeigen, ob die Kanadier an die griechische Bank glauben – und weiteres Kapital nachschießen, um das Institut mehrheitlich unter ihre Kontrolle zu bringen.

Kein Crash währt ewig.

Für einige Aktien ging es, wie auf der zitierten Achterbahn, bereits am schwarzen Montag wieder etwas bergauf. So konnte Hellenic Telecom (OTE), eine 40-prozentige Tochter der Deutschen Telekom, die Hälfte der anfänglichen Kursverluste wettmachen. Die Aktie notierte vor der Börsenschließung Ende Juni bei 8,20 Euro, fiel am Montagmorgen auf 5,75 Euro und ging mit knapp 7,10 Euro aus dem Handel.

Es gab sogar Gewinner. Neun Aktien gingen mit einem Plus aus dem schwärzesten Tag in der Nachkriegsgeschichte der griechischen Börse hervor, darunter der Büromöbelhersteller Dromeas mit einem Kursgewinn von 29 Prozent, der Elektro-Großhändler Dimitriou, der Medienkonzern Attikes Ekdoseis, die Großbäckerei Kanakis und der Zementhersteller Titan. Das Unternehmen gehört zu jenen Blue Chips, die von Analysten genannt werden, wenn man jetzt nach Aktien fragt, die trotz der Krise des Landes Potenzial bieten und sich für risikobewusste Anleger zum Einstieg anbieten könnten. Handelsblatt / Gerd Höhler

04.08.2015 | 13:48

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