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Hamburger-Hafen-Verkauf: Auch eine Minderheit reicht den Chinesen für den großen Deal

Der Teilverkauf eines Terminals am Hamburger Hafen schlägt international Wellen. Selbst aus der Türkei kommt die Warnung: Am Ende werde China die gekauften Häfen für die Marine nutzen. Da hilft es auch nichts, dass nun nur ein kleinerer Teil verkauft werden soll. Die Einflussmöglichkeiten bleiben. Und der nächste deutsche Hafen gerät bereits ins Visier: Duisburg.

Im Streit um den Teilverkauf eines Terminals im Hamburger Hafen an die staatliche chinesische Reederei Cosco liegt offenbar ein Kompromissvorschlag auf dem Tisch. Nicht wie bisher geplant 35 Prozent, sondern 24,9 Prozent der Anteile soll Cosco erwerben dürfen. Die Rede ist von einer „Notlösung“, berichten verschiedene Medien. Eine endgültige Entscheidung soll im Kabinett möglicherweise am Mittwoch fallen.

Der Kompromiss ist das bisherige Ergebnis eines Ringens zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und den beteiligten Ministerien. Als ehemaliger Hamburger Oberbürgermeister weiß Scholz um die Bedeutung des China-Handels für den Hamburger Hafen. Ein Vertrauter des Kanzlers hatte als Mitglied im Aufsichtsrat des Hamburger Hafens den Deal deswegen auch im vergangenen Jahr bereits durchgewunken. Im Zuge des endgültigen Genehmigungsverfahrens kamen jedoch jetzt Zweifel auf. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs versucht Deutschland sich von diktatorisch geführten Ländern als Handelspartner zu emanzipieren. China gehört dazu, weswegen auch der Teilverkauf eines Containerterminals in einem neuen Licht erscheint.

Mehrere Ministerien warnten jüngst vor dem Verkauf. Zuletzt wurde eine Stellungnahme aus dem Bundes­ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Robert Habeck (Grüne) bekannt, in der es heißt, durch den von Cosco geplanten Erwerb komme es voraussichtlich zu einer „we­sentlichen Vertiefung“ des chinesischen Einflusses auf den Hafenbetrieb und die Handelsschifffahrt in Deutschland und der EU.  Es bestehe die Gefahr einer „einer Einschränkung der strategischen Autonomie Europas“. Das Fazit: „Der Erwerb sollte daher untersagt werden.“

Wenn ein Käufer aus einem Land, das nicht zur EU gehört, mindestens ein Viertel der Anteile an einem deutschen Unternehmen kaufen will, prüft das Wirtschaftsministerium routinemäßig den Vorgang. Im Bereich der kritischen Infrastruktur, zu der der Hamburger Hafen als größter Überseehafen in Deutschland zählt, liegt die Prüfschwelle bei zehn Prozent der Anteile. Und im Wirtschaftsministerium ist man neuerdings strikt: China strebe an, eine maritime Weltmacht zu werden, und versuche deshalb, an strategisch wichtigen Punkten eine ständige Präsenz zu er­richten, heißt es von dort. Und weiter: Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Cosco sich oft erst als Minderheitsgesellschafter beteilige, aber dann mehr Kontrolle erlange.

Es ist nicht ganz leicht für einen Investor in einer nicht börsennotierten Gesellschaft, an der er einen Minderheitsanteil hält, die Strategie zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Während das in börsennotieren Unternehmen über eine Teilnahme an der Hauptversammlung funtioniert, wo sich schon mit verhältnismäßig kleinen Aktienpaketen und Stimmrechtsanteilen breite Mehrheiten organisieren lassen, haben Minderheitseigner in GmbH’s, wie dem fraglichen Hafenterminal, weniger Einflussmöglichkeiten. Allerdings können auch sie Unternehmen das Leben schwer machen, wie das Fachblatt „leaderslaw“ beschreibt: Erster Ansatzpunkt sei das Recht, jederzeit von der Geschäftsführung Auskunft über sämtliche Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen und Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu fordern. Das sei sehr häufig mit erheblichem Aufwand für die Geschäftsführung verbunden. Außerdem: Ist der Gesellschafter mit mindestens zehn Prozent an dem Unternehmen beteiligt, kann er die Geschäftsführung immer wieder zur Einberufung neuer Gesellschafter-Versammlungen oder zur Ergänzung der Tagesordnung auffordern und das auch durchsetzen.

Beobachter verschiedener Länder warnen deswegen vor dem Deal. So hat jüngst der politische Direktor der türkischen Denkfabrik Seta, Deniz Istikbal, eine Studie über die Hafenpolitik Chinas verfasst. Nüchtern beschreibt er, wie die Regierung in Peking in verschiedenen Regionen Nordamerikas, Europas, Asiens und Afrikas Häfen betreibt. „Die Käufe über COSCO, eine gigantische Aktiengesellschaft, erleichtern zum einen den Außenhandel, zum anderen erhofft man sich dadurch die Verbesserung der bilateralen Beziehungen.“ Während die übernommenen Häfen den Außenhandel für China verbesserten, schwächten sie gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit anderer Nationen gegenüber China. Istikbal warnt: „Die Häfen dürften sich für europäische Staaten wohl zu einem nationalen Sicherheitsproblem entwickeln.“ Denn sie bergen für die chinesische Marine großes Potenzial. „Als Nation, welche die Betriebs- und Eigentumsrechte dieser Häfen übernimmt, macht Peking dadurch auch seine Marine zu einer globalen Macht.“ Der Studienautor verweist auf den Hafen von Piräus in Griechenland, der inzwischen mehrheitlich COSCO gehört, nachdem mehrere Jahre zuvor zunächst ebenfalls nur ein Anteil an einem Containerhafen erworben worden war.

Warnungen kommen auch vom Berliner Mercator Institut für China Studies. Die angesehene Stiftung hat aufgrund ihrer kritischen Haltung gegenüber China inzwischen Arbeitsverbot im Land der Mitte und ist von chinesischer Seite mit Sanktionen belegt. Sie schreibt: Mit Übernahmen und Investitionen stärke China seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss. „Es besteht allerdings auch das Risiko, tatsächliche und imaginierte wirtschaftliche Abhängigkeiten zu China zu schaffen.“ Peking verschaffe sich Vorteile, „indem subnationale Akteure sich aus Hoffnung auf weitere chinesische Investitionen oder aus Angst vor dem Verlust bestehender Wirtschaftsbeziehungen nicht zu Themen wie Taiwan oder Tibet äußern. Somit können wirtschaftliche Beziehungen zum Gestaltungsfaktor der politischen werden.“

Mit „subnationalen Akteure“ meint die Stiftung Städte, Kommunen aber eben auch Unternehmen wie den Hamburger Hafenbetreiber, aber auch den größten Binnenhafen Europas in Duisburg. Dort verkündeten die Betreiber vor drei Jahren stolz, dass sie ein gewaltiges Terminal für Züge, Binnenschiffe und Lkws im Rheinhafen „zum bedeutendsten europäischen Zentrum für den Chinahandel“ machen wollten. Vier Unternehmen hatten sich zu diesem Zweck zusammengeschlossen, um das Projekt bis zu diesem Jahr umzusetzen. Cosco, die jetzt in Hamburg zum Zug kommen wollen, war eines davon. Duisburg ist einer der Endpunkte der sogenannten „neuen Seidenstraße". Der gerade wiederernannte chinesische Präsident Xi Jinping war auch schon da. Seit 2011 fahren regelmäßig Güterzüge zwischen chinesischen Industrieregionen und Duisburg. Von dort aus werden die Container zu den Seehäfen und in die europäischen Nachbarstaaten weitertransportiert. Ein früherer Duisport-Manager ist der China-Beauftragte der Stadt, die Verwaltung hat ein „Referat für China-Angelegenheiten“ aus dem Boden gestampft. Allerdings hat es in der Zusammenarbeit mit den Chinesen vor zwei Monaten einen Knacks gegeben. Seit August jedenfalls taucht Cosco im Unternehmensregister nicht mehr als Gesellschafter am „Duisburg Gateway Terminal“ auf. Das Land hat die Anteile in aller Stille übernommen, ein Kaufpries wurde nicht genannt. Immerhin kann der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) deswegen aber entspannt sagen: „In Duisburg ist niemand aus China am Hafen beteiligt.“

Oliver Stock

25.10.2022 | 16:19

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