Wackeln die Renditen? (Foto: Brian A Jackson / Shutterstock)



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Immobilienexperten werden vorsichtiger

Analysten stufen einige offene Immobilienfonds wegen der Konjunkturschwäche nach der Corona-Krise herab. Auch Makler befürchten kurzfristige Auswirkungen, weil sich Interessenten zurückhalten.

Seit Ausbruch der Corona-Epidemie rätseln Immobilien-Besitzer und diejenigen, die sich für den Kauf einer Immobilie interessieren, darüber, wie die Krise die Preise bewegt. Jetzt gibt die Ratingagentur Scope einen ersten Hinweis. Sie hat die Ratings der offenen Immobilienpublikumsfonds aktualisiert. Ergebnis: Vor allem aufgrund der gestiegenen Risiken und gesunkenen Ertragsaussichten in einzelnen Immobiliensegmenten – allen voran Einzelhandel und Hotel – wurden ein Dutzend Fonds herabgestuft. Drei Fonds konnten ihr Rating halten. Die bewerteten Fonds verwalten zusammen rund 100 Mrd. Euro.

Scope will die Massenherabstufung nicht als allgemeine Warnung verstanden wissen: Trotz der Herabstufungen befinden sich die Ratings insgesamt nach wie vor auf einem vergleichsweise hohen Niveau, schreiben die Analysten. Das durchschnittliche Rating der Fonds liegt bei „a“ – was aus Anlegersicht eine gute risikoadjustierte Rendite erwarten lässt.

Finanzkrise vor zehn Jahren hatte verheerende Folgen

In der Finanzkrise 2008/09 mussten 18 offene Immobilienfonds mit einem Vermögen von rund 26 Mrd. Euro aus Liquiditätsgründen geschlossen und später abgewickelt werden. Eine solche Situation sei aktuell nicht in Sicht. Zum einen verfügen die Fonds über ausreichend liquide Mittel von durchschnittlich knapp 20 Prozent des Fondsvermögens. Und zum anderen gab es seit Ausbruch der Covid-19-Krise keine außergewöhnlichen Mittelabflüsse (Stand: Ende Mai). Über alle Fonds summieren sich die Netto-Mittelzuflüsse im ersten Quartal 2020 sogar auf rund 4 Mrd. Euro.

Dennoch trifft die durch Covid-19 ausgelöste Konjunkturkrise einzelne Immobiliensegmente mit Wucht. Während der Lebensmitteleinzelhandel zu den wenigen Krisengewinnern gehört, leidet der stationäre Einzelhandel besonders im Textilbereich massiv. Der Strukturwandel hin zu E-Commerce beschleunigt sich und wird nach Ansicht von Scope zu weiter sinkender Flächennachfrage und niedrigeren Mieten führen.

Im Brennpunkt: Hotels und Büroimmobilien

Die Hotel- und Tourismusbranche wurde durch die staatlichen Shutdown-Maßnahmen massiv getroffen. Allerdings dürften die damit verbundenen Einbußen nicht dauerhaft sein. Spätestens für 2022 erwartet Scope in diesem Bereich eine Normalisierung. Die Covid-19-Krise werde auch den Büroimmobilienmarkt negativ beeinflussen. Gründe hierfür sind ein möglicher Personalabbau im Zuge der Rezession und aller Voraussicht nach auch ein verstärkter Trend zum Home-Office

Unterm Strich sind die offenen Immobilienfonds in der Covid-19-Krise im ersten Quartal stabil geblieben. Während andere Anlagesegmente vor allem im März dieses Jahres zum Teil drastische Verluste hinnehmen mussten, blieb die durchschnittliche Performance der offenen Immobilienfonds positiv.

Jahresrendite sinkt

Für das Gesamtjahr 2020 erwartet Scope Fondsrenditen zwischen 1,5 und 2 Prozent. Dies liegt allerdings unter der Rendite von 3,1 Prozent im vergangenen Jahr. Der Hauptgrund für die gesunkene Renditeerwartung in diesem Jahr: Zahlreiche Mieter – vor allem im stationären Einzelhandel – streben Nachverhandlungen an und setzen Mietpreissenkungen durch. Dies hat unmittelbar Auswirkungen auf die Einnahmen der Fonds und langfristig auch auf die Bewertung der Objekte.

Die vorsichtige Einschätzung der Fonds-Experten deckt sich mit den Erkenntnissen der Makler. Kai Enders, Vorstandsmitglied von Engel & Völkers, schätzt die Situation wie folgt ein: „Die Corona-Pandemie führt kurzfristig zwar zu Verlagerungen von Kaufabschlüssen, langfristig wird sie die Wohnraumnachfrage aber nicht mindern. Der Grund: Seit vielen Jahren übersteige der Bedarf an Wohnraum in vielen Städten und Regionen das knappe Immobilienangebot. Die Gründe für die hohe Nachfrage blieben damit weiter bestehen.

Oliver Stock

16.06.2020 | 16:53

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