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Impflicht spaltet Österreich

3600 Euro Strafe für Ungeimpfte und für alle anderen ein regelmäßiger Nachweis über eine aktuelle Impfung: Die angekündigte Impfpflicht im Nachbarland treibt zehntausende Menschen auf die Straße. Trotz der drakonischen Strafandrohung sinkt die Zahl der täglichen Impfungen in Österreich derzeit. Taugt das österreichische Modell als Blaupause für Deutschland?

Seit Österreich sich entschlossen hat, als erstes Land in Europa die Impfpflicht gegen Corona einzuführen, tobt im Land eine erbitterte Diskussion: Mehr als 40 000 Impfpflichtgegner gingen bei den jüngsten Demonstrationen am Wochenende in Wien auf die Straße. Zwar unterstützen vier der fünf Parlamentsparteien die Impfpflicht. Die rechtsorientierte FPÖ befeuert dafür umso mehr den Widerstand: Ihr Chef Herbert Kickl bezeichnet die Impfpflicht als „Anschlag auf die Menschlichkeit“. Die aufgeheizte Diskussion bestärkt derweilen die Impfgegner: Die Zahl der Impfungen in Österreich hat nach offizieller Zählung in den vergangenen sieben Tagen um knapp 17 Prozent abgenommen.

Bislang gilt das, was Österreich vorhat, als mögliche Blaupause für Deutschland. Hierzulande wächst die Zahl der Befürworter einer Impfpflicht und liegt laut ARD-Deutschland derzeit bei 71 Prozent. In der Regierung hat die bisher skeptische FDP ihre Haltung aufgegeben. Er tendiere zur Impfpflicht, ließ sich Parteichef Lindner zitieren. Grüne und die SPD, die mit Karl Lauterbach den Gesundheitsminister stellen, sind längst mehrheitlich dafür.

Der Gesetzentwurf im Nachbarland sieht eine Impfpflicht für alle in Österreich lebenden Menschen vor, die älter sind als 14 Jahre. Drei Termine müssen sich die Österreicher merken: den 1. und 15. Februar sowie den 15. März. Laut Entwurf tritt am 1. Februar die Impfpflicht – und damit eine Strafandrohung – in Kraft. Bis zum 15. Februar wird jeder Ungeimpfte durch die örtliche Bezirksverwaltung angeschrieben. Wer sich bis zum 15. März nicht umstimmen lässt, muss eine Geldstrafe von 600 Euro zahlen – nicht einmalig, sondern alle drei Monate. Inklusive Verwaltungsgebühren sind bis zu 3600 Euro Strafe im Jahr möglich. Gefängnisaufenthalte für Impfverweigerer sieht der Gesetzentwurf bisher nicht vor.

Die österreichische EU- und Verfassungssministerin Karoline Edstadler von der konservativen Volkspartei wirbt um Verständnis für die weit in die persönlichen Freiheitsrechte eingreifende staatliche Vorgabe. Sie seien, sagt sie, zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erlaubt, solange „das Mittel, wirksam und der Eingriff verhältnismäßig“ sei. „Dies ist alles gegeben“, meint sie. Der neue österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer, ein Parteikollege Edstadlers, spricht sich ebenfalls für die Impfpflicht aus: „Wir können nicht nur auf die Einsicht aller impffähigen Bürger vertrauen“, sagt er. Die gesetzliche Grundlage muss allerdings mit dem „COVID-19-Impfpflichtgesetz“ eigens geschaffen werden. Der Entwurf durchläuft derzeit in Wien das offizielle parlamentarische Verfahren. Ganz wohl ist den Politikern dabei nicht, weswegen ein Ablaufdatum eingebaut wird: Das Gesetz soll aus jetziger Sicht in zwei Jahren wieder aufgehoben werden.

Die Impfpflicht geht mit einem großen bürokratischen Aufwand einher. Die Österreicher müssen alle drei Monate nachweisen, dass sie ausreichend geimpft sind. Ist am jeweiligen Impfstichtag kein Eintrag einer Impfung oder eines Ausnahmegrundes im Zentralen Impfregister, wird den Ungeimpften von der Bezirksverwaltung eine Strafe aufgebrummt.

Nicht zuletzt deswegen ist auch von offizieller Seite die Skepsis gegenüber der Impfpflicht in Österreich groß. Im österreichischen Fernsehen ORF argumentierte die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack: „Wenn man hohe Durchimpfungsraten möchte, dann ist eine Pflicht nicht das erste Instrument der Wahl." Es bestehe die Gefahr, Menschen zu verlieren, die sich sonst vielleicht doch zu dem Schritt entschlossen hätten. Angesichts der zurückgehenden Impfzahlen im Land, liegt Prainsack, die zum Beraterkreis der Bundesregierung in Wien gehört, mit ihrer Analyse offenbar richtig. Man könne sich außerdem ausrechnen, dass viele der Betroffenen Ausnahmen geltend machen würden - oder einfach die Strafen zahlen. Die Einführung der Impfpflicht werde als „Symbolpolitik" verstanden, warnte die Beraterin.

Heidemarie Holzmann, Medizinerin und Mitglied des nationalen Impfgremiums in Österreich fordert „extrem viel Begleitmaßnahmen". Anstatt der Wut auf der Straße freie Bahn zu lassen „müsse der Dialog unbedingt wieder aufgenommen werden“. Die Rechtsanwältin und Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak erinnert daran, dass die Impfpflicht wiederholt als „Ultima Ratio" bezeichnet worden sei: „Das heißt, wir haben dann nichts mehr." Unklar ist in Österreich auch noch, wie Arbeitgeber mit der Impfpflicht umgehen sollen. Während der ansonsten strengen Lockdown-Phase in Österreich hatten am Arbeitsplatz die 2G-Regeln nicht gegolten.

Für das nächste Wochenende sind in verschiedenen Städten des Landes bereits wieder Demonstrationen angemeldet. Die Demonstranten sind in der Wortwahl nicht zimperlich: FPÖ-Chef Kickl kündigte an, solange zu demonstrieren, „bis die Regierung vor die Hunde geht“.

Oliver Stock

15.12.2021 | 10:36

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