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In der Frühstückspause wird gespritzt

Von Juni an sollen in Deutschland auch Betriebsärzte gegen das Corona-Virus impfen. So hat es die Bundesregierung angekündigt und damit liefe die Impfkampagne dann tatsächlich auf Hochtouren. Vielen Unternehmen geht das nicht schnell genug. Sie diskutieren einen Bonus für Geimpfte. Allerdings dürfen sie das Impfen nicht zur Vorschrift machen.

Von Björn Hartmann / WirtschaftsKurier

Es geht noch immer zu langsam. Auch wenn inzwischen 30 Prozent der Deutschen ihre erste Spritze gegen Corona bekommen haben, malträtieren Lockdown, Hygienkonzepte und Homeoffice-Verordnungen die Industrie. Kein Wunder, dass sie aufs Gaspedal drückt: „Die Industrie ist enttäuscht darüber, dass die Bundesregierung die Betriebsärzte erst ab dem 7. Juni beim Impfen einbinden möchte“, heißt es beim Spitzenverband der Wirtschaft, dem BDI. In vielen Unternehmen stünden die Impfstraßen für den Einsatz bereit. „Statt das Impfpotenzial der Betriebsärzte jetzt flächendeckend zu nutzen, verspielen Bund und Länder einen weiteren Monat.“

Ähnlich sieht das auch Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte. „Der Termin liegt spät, den hätten wir uns früher gewünscht.“ So wie es aussieht, bremst die Bundesregierung aber nicht absichtlich, denn es gibt einen Engpass. Auch Betriebsärzte können nur impfen, wenn sie genug Serum haben, das sie in die Spritze füllen können. „Ein Problem wird die Menge des vorhandenen Impfstoffes sein“, sagt Wahl-Wachendorf. „Noch ist nicht klar, wie viel Impfstoff im Juni zur Verfügung stehen wird.“

In Deutschland gibt es mehr als 120 000 Betriebsärztinnen und -ärzte. Bundesregierung und Gesundheitsexperten versprechen sich einen nachhaltigen Schub für die Immunisierung der Bundesbürger gegen das Corona-Virus, wenn auch sie zusätzlich zu den Impfzentren und den Hausärzten zur Spritze greifen. Viele Unternehmen sind bereits vorbereitet. Autozulieferer Continental könnte in Deutschland täglich mehr als 1000 Mitarbeiter impfen. Der Versicherungskonzern Allianz hat an den deutschen Standorten 27 Impfstraßen vorbereitet und schätzt binnen acht Wochen etwa 80.000 Mitarbeiter eine Spritze setzen zu können. Auch die Deutsche Telekom und RWE könnten beginnen. Andere Unternehmen bereiten sich vor: Mercedes etwa hat ein Impfportal eingerichtet, in dem sich die Mitarbeiter registrieren können. Die Deutsche Bahn arbeitet an eigenen Impfzentren.
Schon jetzt gibt es zahlreiche Modellprojekte. Der Chemiekonzern BASF ist in Ludwigshafen dabei, Volkswagen im Werk Zwickau, der Baumaschinenhersteller Liebherr macht ebenso mit wie der Agrarhändler Baywa und der Energieversorger Vattenfall. Auch zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen aus Pharma-, Chemie- und Maschinenbaubranche, vom Bäcker bis zum Flughafen Stuttgart sammeln Erfahrungen mit dem Impfen im Betrieb. Geht es erst einmal richtig los, wird es einfacher für viele Beschäftigte, die bisher nicht in eine der drei Prioritätsgruppen gehören oder wegen des Ansturms auf die Impfzentren und Hausärzte keinen Termin bekommen konnten. Im Prinzip kann der Mitarbeiter dann in der Frühstückspause zum Impfen gehen, wobei er streng genommen wirklich Pause machen sollte. Und angesichts der Vielzahl von Kollegen auch im laufenden Betrieb vermutlich ein Termin vergeben wird – zumindest in den großen. Insgesamt stehen voraussichtlich 500.000 Dosen wöchentlich für Betriebsärzte zur Verfügung, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ankündigte. Die Länder verteilen die Dosen dann an die Betriebe.

Dass bald auch die Betriebsärzte impfen können, soll auch mehr Bundesbürger zum Impfen animieren. „Betriebe und Betriebsärzte haben einen guten Zugang zu den Beschäftigten. Impfungen auf betrieblicher Ebene genießen hohe Akzeptanz und werden gerne genutzt“, sagt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Derzeit wollen sich geschätzt 68 Prozent der Bevölkerung impfen lassen. Ein höherer Wert würde das Virus besser bekämpfen. Geimpft werden kann nach jetzigem Stand nicht jeder, der will. „Die Impfstoffverordnung gilt auch für Betriebsärzte“, sagt Wahl-Wachendorf vom Betriebsärzteverband. „Wir rechnen aber damit, dass die Priorisierung, wie von der Regierung bereits angedeutet, im Juni aufgehoben wird.“ Die Unternehmen könnten dann eine eigene Impfreihenfolge festlegen – je nachdem, wie die Mitarbeiter gefährdet sind, etwa zunächst Beschäftigte im Außendienst wegen des Kundenkontakts.

Wichtig für Betriebe und Mitarbeiter: „Ein Betrieb kann die Impfung nur anbieten, aber niemanden dazu zwingen. Es gibt keine Impfpflicht“, sagt Wahl-Wachendorf. Im Prinzip sei das Impfen gegen Corona ein Angebot wie bei der jährlichen Grippeschutzimpfung, aber in einer Pandemielage von herausragender Bedeutung und insgesamt viel aufwändiger. Arbeitsrechtler halten Abmahnungen für Mitarbeiter, die eine Impfung verweigern, für unwirksam. Für bestimmte Branchen ist das Impfen dagegen geboten, etwa in Gesundheitsberufen, bei Ärzten und Pflegepersonal. Das ist im Infektionsschutzgesetz §23 geregelt. Wer sich hier weigert, kann von der Arbeit freigestellt werden.
Und: Weil Impfen zur Privatsphäre zählt, darf der Arbeitgeber auch nicht danach fragen, ob Mitarbeiter geimpft sind. Der Arbeitgeber kann aber grundsätzlich Impfboni anbieten. Dabei muss er den Betriebsrat einbinden. Schwierig wird es, den Impfbonus zu gewähren, ohne danach zu fragen, ob ein Mitarbeiter geimpft ist. Finanzielle Nachteile, weil sich jemand nicht impfen lässt, sind hingegen nicht erlaubt.

06.05.2021 | 11:43

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