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Kampfjets für Erdogan sind der Preis für Finnlands und Schwedens Nato-Beitritt

Der türkische Ministerpräsident hat Bazar-Erfahrung. Er treibt den Preis für den Beitritt der skandinavischen Staaten nach oben, weil er fürchtet, dass der Südosten zu Gunsten des Nordens an Einfluss im westlichen Verteidigungs-Bündnis verliert.

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier

Wer jemals auf dem Bazar von Istanbul einen Teppich gekauft hat, weiß was Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn gemeint hat, als er diese Woche sagte, dass die Türkei einen Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens am Ende doch nicht blockieren werde. Der Teppichkauf beginnt meist mit einer absurd hohen Preisforderung. Er verläuft unter Wehklagen und zeitlich begrenzter völliger Verstimmung von Käufer und Verkäufer. Und er endet bei eine Tasse Tee und einem gekauften Teppich. Erdogan versuche den Preis für seine Zustimmung zum Beitritt hoch zu treiben, sagte Asselborn. Man wisse, wie Bazare in der Türkei funktionierten. „Und manchmal ist die Mentalität, vor allem von Erdogan, auch davon geprägt."

Was ist passiert? Noch am Wochenende hatten Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin und auch Außenminister Mevlüt Cavusoglu signalisiert, dass die Türkei über die Beitritte Schwedens und Finnlands zur Nato verhandeln könne - wenn Forderungen erfüllt würden. Am späteren Sonntagabend verschärfte sich jedoch der Ton, am Montag war es dann soweit: Die Türkei sperrte sich offiziell gegen die geplanten Beitritte der beiden skandinavischen Staaten zum westlichen Verteidigungsbündnis.
Finnland und Schweden wiederum fühlen sich seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine von Russland bedroht. Beide Länder wahrten jahrzehntelang ihre Neutralität, doch der Krieg hat die Stimmung in den Bevölkerungen zugunsten einer Nato-Mitgliedschaft verändert. Sie haben deswegen Anträge auf Mitgliedschaft gestellt, die von den Nato-Partnern einstimmig beantwortet werden müssen.

Bei Erdogan haben sie derzeit offenbar schlechte Karten. Er warf Schweden vor, eine „Brutstätte“ für Terrororganisationen zu sein. Auch im schwedischen Parlament säßen Terroristen – was absurd ist, weil die Schweden spätestens seit der Ermordung ihres Ministerpräsidenten Olof Palme 1986 ein extrem wachsames Auge für Terrorismus haben. Dennoch - Erdogan behauptet: Beide Länder würden Menschen beherbergen, die Verbindungen zu Gruppen hätten, die aus türkischer Sicht terroristisch sind. Gemeint ist die radikal kurdische Arbeiterpartei PKK, die in Deutschland seit der Helmut-Kohl-Regierungszeit verboten ist. Ihre Anhänger stellten allerdings gerade in diesem Monat einen Antrag an das Bundesinnenministerium auf Wiederzulassung – was angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage eher chancenlos sein dürfte. Die PKK steht seit den 1990er-Jahren in der Türkei, aber auch in der EU auf der Terrorliste.

Außerdem stellt Erdogan fest, er könne nicht dem Beitritt von Ländern zustimmen, die Sanktionen gegen die Türkei verhängten. Der türkische Ministerpräsident spielt damit auf den Export von Waffen in die Türkei an. Ende 2019 hatte Schweden ein Waffenembargo gegen Ankara verhängt, nachdem türkisches Militär in Nordsyrien einmarschiert war. Noch im vergangenen Dezember hatte die schwedische Außenministerin Ann Linde einen der Kurden-Anführer in Stockholm getroffen. Damals hatte der türkische Außenminister Cavusoglu Schweden kritisiert, Geld über Umwege an Terroristen in Nordsyrien zu schleusen.

Während der Vorwurf staatlicher Unterstützung von Terroristen türkisches Säbelrasseln bedeuten dürfte, ist die Forderung nach mehr Waffenexporten ernst zu nehmen, glauben Beobachter wie Asselborn. Erdogan könnte versuchen, mit seiner Blockadehaltung auf eine großzügige Lieferung von Rüstungsgütern aus dem Westen zu spekulierten, insbesondere von US-amerikanischen F35-Kampfjets. Die USA hatten die Türkei im Juli 2019 aus dem F35-Programm geworfen, nachdem Ankara ein russisches Flugabwehrraketensystem vom Typ S400 gekauft hatte. Nach Meinung des Luxemburgischen Außenministers geht es der Türkei gar nicht um die Kurdenfrage, sondern um die Lieferung von Kampfflugzeugen: „Ich glaube, Erdogan will den Preis steigern und damit Druck machen, dass das geschieht.

Eine weitere Variante als Begründung für die türkischen Vorbehalte hat am Dienstag der ehemalige rumänische Außenminister Teodor Baconchi in einem Kommentar der Zeitung „Libertata“ geäußert. Baconchi, der als Türkei-Kenner gilt, schreibt: „In der EU unerwünscht - selbst wenn diese nicht mehr als 'christlicher Club' bezeichnet wird - befürchtet Ankara, dass die Entstehung eines neuen Nato-Schwerpunktes im Norden dem südlichen den Rang ablaufen könnte.“

Was auch immer Erdogan treibt: Es wird am Ende um Zugeständnisse der anderen Nato-Partner an ihn gehen. So wie beim Streit um die Wahl des Nato-Chefs 2009. Damals stimmte die Türkei endlich zu, dass Anders Fogh Rasmussen Generalsekretär werden soll, nachdem US-Präsident Barack Obama versprochen hatte, Fogh Rasmussens Stellvertreter würde ein Türke. Vielleicht kann Obamas Vizepräsident - also der aktuelle Präsident Joe Biden – diesmal auf dem Bazar der Diplomatie etwas ähnliches anbieten.

18.05.2022 | 16:58

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